Am 28. Mai stürzte eine beinahe unvorstellbare Masse an Stein, Eis, Schlamm und Wasser auf das Bergdorf Blatten im Schweizer Kanton Wallis und begrub es unter sich. Nur wenige Häuser blieben stehen, und diese werden nun von einem Stausee überflutet, der sich hinter den Geröllmassen gebildet hat.
Die nächste Katastrophe droht bereits. Experten fürchten, dass Schlammlawinen tiefer gelegene Orte unter sich begraben, wenn der Stausee überläuft und sich das Wasser einen Weg durch die Geröllmassen bricht. Zwei kleinere Weiler sind deshalb geräumt worden.
Opfer gab es bisher nur eines, da sich die Katastrophe angekündigt hatte und Blatten Tage vorher evakuiert worden war. Ein 64-jähriger Mann, der vermutlich zurückgekehrt ist, um nach verlorenen Schafen zu suchen, wird seither vermisst. Es ist zu befürchten, dass er unauffindbar unter dem Schutt begraben liegt.
Blatten, im oberen Teil des Lötschentals, eines Seitentals der Rhone, gelegen, war ein lebendiger, moderner Ort mit rund 300 Einwohnern. Viele Menschen, die in der Region aufgewachsen sind und im tiefer gelegenen Rhonetal arbeiten, haben sich mit ihren Familien dort angesiedelt. Auch zwei Hotels befanden sich in dem malerisch gelegenen Dorf. Nun ist es vollständig zerstört.
Ausgelöst wurde das Unglück durch anhaltende Gesteinsabbrüche am Kleinen Nesthorn, das sich über Blatten auf eine Höhe von 3300 Meter erhebt. Im Laufe von zwei Wochen lagerten sich mehrere Millionen Kubikmeter Gestein auf dem darunterliegenden Birchgletscher ab, der unter dem Gewicht des Gerölls in Bewegung geriet und schließlich vollständig abbrach. Gestein und Eis stürzten in rasendem Tempo gemeinsam in die Tiefe. Die ausgelösten Erschütterungen waren in der ganzen Schweiz zu spüren.
Geologen hatten die Entwicklung beobachtet und sogar mit einem größeren Felsabsturz vom Kleinen Nesthorn gerechnet, als er dann eintraf. Trotzdem entsprach die Katastrophe ihrem Worst-Case-Szenario. Eine derartige Kombination aus Eis- und Felssturz hatte es bisher noch nie gegeben.
Zu Felsstürzen kommt es in den Alpen, deren Landschaft durch 35 Millionen Jahre Erosion geformt wurde, zwar immer wieder. Aber in jüngster Zeit häufen sich derartige Ereignisse, nehmen größere Ausmaße an und treffen auch dicht besiedelte Gebiete.
So verschüttete im gegenüberliegenden Mattertal 1991 ein Bergsturz bei Randa die vielbefahrene Zugstrecke und Straße nach Zermatt, wo sich bis zu 40.000 Touristen am Tag aufhalten. Mit 30 Millionen Kubikmetern war die Geröllmenge sogar etwas größer als jetzt in Blatten. Nur durch Zufall kam damals niemand ums Leben.
Auch wenn sich die genauen Umstände von Fall zu Fall unterscheiden, ist es unbestreitbar, dass die Häufung von Katastrophen in den Alpen auf die wachsende Klimakrise zurückzuführen ist. Das empfindliche Ökosystem der Alpenregion, die sich über mehrere Länder erstreckt und Millionen Menschen Erwerb und Erholung bietet, droht durch den Klimawandel zerstört, die Region unbewohnbar zu werden.
Dabei sind die Alpen nur eine Region, die durch den globalen Klimawandel bedroht ist. Ähnliche Entwicklungen finden in anderen Bergmassiven, wie dem Himalaja, statt. In Küstenregionen gefährdet der Anstieg des Meeresspiegels die Lebensgrundlage von bis zu einer Milliarde Menschen. Trockenheit oder Überschwemmungen zerstören weltweit Ernten. In Ländern wie den USA nehmen Hurrikane und Tornados immer größere Ausmaße an.
Diese Naturkatastrophen sind keine örtlichen oder regionalen Phänomene, sondern das Ergebnis einer globalen Entwicklung, der Klimaerwärmung. Sie können nur im globalen Maßstab gelöst werden.
In den Alpen und anderen Bergregionen spielen mehrere Faktoren eine Rolle:
- Die Klimaerwärmung führt nicht nur zum raschen Abschmelzen der Gletscher, dem wichtigsten Speicher von Wasser, er bringt auch den Permafrost zum Schmelzen, den dauerhaft gefrorenen Boden, der in großen Höhen das Gestein zusammenhält. Die Folge sind häufigere Felsstürze, Murgänge (Schlammlawinen) sowie die Freisetzung von Schadstoffen. Das Auftauen des Permafrostes dürfte auch bei den Felsstürzen am Kleinen Nesthorn eine Rolle gespielt haben.
- Hitze, Trockenheit und Borkenkäfer schwächen und zerstören die Bergwälder, die die Berge vor Erosion und Menschen und Infrastrukturen vor Lawinen und Steinschlag schützen.
- Wärmere Luft und Wassertemperaturen haben extreme Unwetter zur Folge, die Bergbäche in reißende Fluten verwandeln, die Bäume, Straßen und Häuser mitreißen. Je höher die Temperatur, desto mehr Wasser kann die Luft aufnehmen. Die Adria und das Mittelmeer, über denen sich Wolken auftanken, bevor sie über den Alpen abregnen, erreichten im letzten Sommer Wassertemperaturen von 30 Grad Celsius. In vielen Alpenregionen kam es deshalb zu verheerenden Niederschlägen.
Diese Faktoren sind ebenso gut bekannt und erforscht wie die Auswirkungen des Klimawandels auf den Meeresspiegel. Die Schweizer Regierung unterhält ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz, das sich mit der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen beschäftigt und detaillierte Risikoanalysen erstellt.
Doch die Umweltverschmutzung und der Klimawandel gehen unvermindert weiter. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat errechnet, dass die globale Durchschnittstemperatur in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen wird. Damit ist das 2015 von der Pariser Klimakonferenz festgelegte Maximum bereits erreicht – und die Erwärmung geht unvermindert weiter.
In den vergangenen Jahren haben alle Regierungen ihre Klimaziele aufgegeben. Die COP-Klimagipfel haben sich zu Handelsmessen für fossile Energieträger entwickelt. Der letzte fand in Baku, dem Zentrum der aserbaidschanischen Ölindustrie, statt. Im eskalierenden globalen Handelskrieg setzen alle Regierungen auf fossile Brennstoffe, um Kosten zu senken.
In den USA, die mit 4,3 Prozent der Weltbevölkerung 13 Prozent der globalen Treibhausgase ausstoßen, befindet sich eine kriminelle Bande von Klimaleugnern an der Macht, die alle gesellschaftlichen Erfordernisse der Bereicherung der superreichen Oligarchen opfert. Die neue Regierung Deutschlands setzt die Europäische Union massiv unter Druck, bereits beschlossene Abgaswerte für Autos wieder zu erhöhen. Der Umweltschutz weicht überall den Profitansprüchen der Reichen.
Die Regierung der Schweiz, die einen beträchtlichen Teil ihres Reichtums der Verwaltung großer Vermögen und den Aktivitäten globaler Konzerne wie Nestlé, Roche, Novartis und Glencore verdankt, wird sich hüten, der Profitmacherei auf Kosten der Umwelt entgegenzutreten.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Voraussetzungen zur Lösung der Klimakrise sind vorhanden, aber sie scheitern an den Profitinteressen der Herrschenden. Die kapitalistische Gesellschaft gleicht einem Wahnsinnigen, der mit geschlossenen Augen dem Abgrund entgegenwankt. Sie hat auf alle gesellschaftlichen Probleme nur noch eine Antwort: Krieg, Diktatur, Sozialabbau und Umweltzerstörung. Es ist höchste Zeit, ihr ein Ende zu bereiten.
Der Erhalt der Umwelt erfordert – wie der Kampf gegen Krieg, Faschismus und Armut – den Aufbau einer sozialistischen Bewegung, die die internationale Arbeiterklasse vereint und für den Sturz des Kapitalismus kämpft.