Am Dienstag und Mittwoch wurden mindestens zehn Palästinenser bei Nahrungsmittelverteilungszentren getötet, als israelische Soldaten das Feuer auf die dort wartenden Menschen eröffneten.
Ein Journalist von Associated Press (AP) berichtete, er habe am Mittwoch gehört, wie von einem israelischen Panzer aus Soldaten das Feuer auf Hunderttausende verzweifelter Menschen eröffneten, die um Nahrungsmittel anstanden. Das israelische Militär gab zu, es habe „Warnschüsse“ abgegeben.
Das Massaker ereignete sich an Verteilungszentren, die von der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) errichtet wurden, ein Projekt, das von Israel und den USA unterstützt wird. Es soll die bisher im Gazastreifen tätigen humanitären Hilfsorganisationen ersetzen und die Verteilung der Hungerrationen an die palästinensische Bevölkerung kontrollieren.
Dass es bereits an zwei Tagen in Folge bei Nahrungsmittelausgaben zu Massakern gekommen ist, bestätigt die Warnungen der Vereinten Nationen, von Oxfam und anderen humanitären Organisationen, dass es sich bei dem amerikanisch-israelischen Verteilungssystem in Wirklichkeit um eine logistische Komponente des israelischen Programms zur ethnischen Säuberung handelt.
Die USA und Israel haben versucht, die GHF als unabhängige humanitäre Organisation darzustellen, die die hungernde Bevölkerung des Gazastreifens ernähren soll. In Wirklichkeit handelt es sich um die logistische Komponente der „Operation Gideons Streitwagen“, d.h. der laufenden Offensive der Israelischen Verteidigungskräfte, deren Ziel die vollständige Eroberung des Gazastreifens und die Umsiedlung der verbliebenen Bevölkerung in Konzentrationslager ist, von denen sie mit Gewalt aus der Enklave vertrieben werden sollen.
Die GHF nutzt Logistikunternehmen des Militärs für die Nahrungsmittelverteilung, ihre Einrichtungen werden von US-Söldnerfirmen bewacht. Es ist unklar, ob auch die US-Söldner am Dienstag und Mittwoch das Feuer auf die Hilfesuchenden eröffnet haben.
Am Mittwoch erklärte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die GHF sei Teil eines Plans, eine „sterile Zone im Süden des Gazastreifens zu schaffen, in dem sich die ganze Bevölkerung zum eigenen Schutz aufhalten kann“.
Der ehemalige israelische Finanzminister Avigdor Lieberman machte am Mittwoch in einem Tweet deutlich, dass die GHF vom israelischen Geheimdienst und dem Militär finanziert wird: „Das Geld für humanitäre Hilfe kommt vom Mossad und dem Verteidigungsministerium. Hunderte Millionen Dollar auf Kosten der israelischen Bürger.“
Videoaufnahmen aus einem der Verteilungszentren bei Rafah zeigen, dass die Hilfesuchenden in käfigartigen Konstruktionen biometrische Scans über sich ergehen lassen müssen, bevor sie ihre Rationen erhalten.
Die Pressestelle der Regierung in Gaza-Stadt erklärte, die israelischen Soldaten hätten „direkt das Feuer auf hungernde Palästinenser eröffnet, die sich vor einem Verteilungszentrum versammelt hatten, um Hilfsgüter in Empfang zu nehmen“, wobei mindestens 62 Menschen verwundet wurden.
Weiter hieß es: „Diese Einrichtungen wurden durch den Beschuss der Besatzungstruppen zu Todesfallen.“
Jonathan Whittall, ein hoher UN-Funktionär für humanitäre Angelegenheiten, erklärte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zu den israelischen Massakern, Israels Bestrebungen, die Kontrolle über die Verteilung von Nahrungsmitteln zu erringen, sei Teil „eines Angriffs auf die Menschenwürde. ... Gestern haben wir gesehen, wie zehntausende Menschen – unter Beschuss – eine militarisierte Ausgabestelle gestürmt haben, die auf den Trümmern ihrer Häuser errichtet wurde.“
UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini erklärte am Mittwoch beim Nationalen Presseclub in Japan: „Das Modell der Hilfsgüterverteilung, das Israel vorschlägt, verstößt gegen grundlegende humanitäre Prinzipien.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
„Wir haben gestern die erschütternden Bilder gesehen, wie sich hungernde Menschen verzweifelt gegen die Zäune drängen, um Nahrungsmittel zu bekommen. Es war chaotisch, würdelos und unsicher. ... Ich glaube, es ist eine Verschwendung von Ressourcen und eine Ablenkung von den Gräueltaten.“ Damit meinte er die zivilen Todesopfer durch Israels Luft- und Bodenkrieg in dem kleinen Küstengebiet.
Er forderte Israel auf, der UN und anderen humanitären Behörden die Verteilung von Nahrungsmitteln wieder zu erlauben, die seit dem 2. März fast vollständig blockiert war.
Die Trump-Regierung hat die so genannte Gaza Humanitarian Foundation uneingeschränkt unterstützt; der amtierende stellvertretende Vertreter der USA bei den UN John Kelley forderte die internationale Organisation auf, „mit der GHF und Israel zusammenzuarbeiten und ein Abkommen zur Operationalisierung des Systems in einer Weise auszuhandeln, die für alle annehmbar ist.“ Er erklärte, die GHF sei „unabhängig“ und wolle ein „sicheres System zur Verteilung von Hilfsgütern an Bedürftige organisieren“.
Israel setzte derweil seine Massaker im gesamten Gazastreifen fort, allein am Mittwoch wurden mindestens 63 Menschen getötet. Damit wurden laut dem Gesundheitsministerium von Gaza seit dem 7. Oktober 2023 im Gazastreifen 54.084 Palästinenser getötet und 123.308 verwundet.
Der UNRWA-Chef Lazzarini warf in einem X-Post Israel vor, einen Mitarbeiter des UNRWA am 23. März „standrechtlich hingerichtet“ zu haben. Kamal, der UNRWA-Angestellte, wurde zusammen mit acht medizinischen Beschäftigten des Roten Halbmondes getötet. Lazzarini erklärte dazu: „Kamal wurde durch einen oder mehrere Schläge auf den Hinterkopf getötet und danach zusammen mit den anderen Mitgliedern des palästinensischen Roten Halbmondes“ in einem Massengrab begraben.
Trotz des amerikanisch-israelischen Hilfssystems herrscht im Gazastreifen weiterhin eine Hungerkatastrophe. Die Integrated Food Security Phase Classification, die von der UN unterstützt wird, veröffentlichte Anfang Mai einen Bericht, laut dessen Schätzung in den nächsten elf Monaten fast 71.000 Kinder unter fünf Jahren „akut unterernährt“ sein werden.
In dem Bericht hieß es: „Die gesamte Bevölkerung leidet unter hoher akuter Ernährungsunsicherheit, einer halben Million Menschen – einem Fünftel der Gesamtbevölkerung – droht der Hungertod.“