Das Wort „Heuschrecken“ steht für Finanz-Holdings, die über große Konzerne herfallen, sie zerschlagen, filetieren und ausplündern, bei den Beschäftigten eine Spur der Verwüstung hinterlassen und den Aktionären Milliardenprofite bescheren.
Am Montag gab die Thyssenkrupp AG bekannt, sie plane zur eigenen Heuschrecke zu werden. Strategisches Ziel sei es, so der Industriekonzern, „schrittweise alle Geschäftsbereiche zu verselbstständigen und für die Beteiligung Dritter zu öffnen“.
Aktuell ist Thyssenkrupp in fünf Sparten aufgegliedert: Stahl, Autozulieferung, Materialhandel, Marineschiffe und Grüne Technologien. Nun soll das Unternehmen in eine Holding ohne eigenes Geschäft umgewandelt werden, die Anteile an den fünf eigenständigen Unternehmen hält. Die Aktionäre waren begeistert. An der Börse stieg der Aktienkurs zeitweise um fast neun Prozent.
Denn um überhaupt interessant für „Dritte“ zu werden, müssen die einzelnen Bereiche einer Rosskur unterzogen werden, damit sie hohe Profite abwerfen. Bezahlen werden das die rund 96.000 Beschäftigten.
Die IG Metall gab sich überrascht und forderte wie immer, enger in diesen Prozess einbezogen zu werden. Bislang hat sie den Abbau jedes Arbeitsplatzes sowie den Verkauf und die Schließung jedes Werkes abgesegnet. Die Gewerkschaft inszeniert dazu stets lautstarke Proteste, in denen die Kampfbereitschaft und die Wut der Belegschaften ein Ventil finden, um dann zurück am „Verhandlungstisch“ in aller Ruhe das Todesurteil für Arbeitsplätze und ganze Werke zu unterschreiben. Das planen die IGM-Funktionäre und ihre Betriebsräte auch jetzt.
Grundsätzlich stimmten sie dem Umbau zu. „Einer sinnvollen strategischen Neuausrichtung stehen die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter nicht im Wege,“ schreiben Konzernbetriebsrat und IG Metall in einer gemeinsamen Erklärung. Dazu brauche es aber „gewisse Leitplanken, … um Perspektiven für die betroffenen Geschäfte zu entwickeln und Arbeitsplätze langfristig zu sichern“.
Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats, verlangt „vom Vorstand mehr Sensibilität im Umgang mit den arbeitenden Menschen im Unternehmen“.
Jürgen Kerner, 2. Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG, betont, „dass wir bereit sind, dafür neue Wege zu gehen und auch über unseren Schatten zu springen“. Das „haben wir oft genug bewiesen“. „Aber den Konzern zu filetieren und nach und nach an die Börse zu bringen – ohne (!) Zukunftsbilder mit Perspektiven für Mitarbeiter und Standorte in allen Bereichen – lehnen wir ab.“
Der IGM-Apparat wird verlangen, dass er in den kommenden Monaten an Zukunftsbildern mitmalen darf, damit der Umbau im Auftrag der Aktionäre gelingt. Er wird dann einmal mehr verkünden, er habe den „Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen“ und vage „Perspektiven für die Standorte“ vereinbart – und die Angriffe auf die Belegschaft durchsetzen. Das meint Betriebsratschef Nasikkol mit „Sensibilität im Umgang“ mit den Beschäftigten.
In den Bereichen Stahl und Auto-Zulieferung findet das bereits statt. Im Stahlbereich sollen 11.000 der 27.000 Beschäftigten in den nächsten fünf Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren. Die im vergangenen Herbst angekündigte Schließung des Werks in Kreuztal-Eichen im Siegerland mit rund 600 Beschäftigten war erst kürzlich ausgesetzt worden. Dafür sollte eines der beiden Bochumer Stahlwerke schon früher als, wie ursprünglich geplant, 2030 schließen. Was nun auf die Belegschaften in den kleineren Stahlwerken zukommt, ist ungewiss.
Dafür zeichnet sich ab, dass das Hüttenwerk Krupp Mannesmann im Duisburger Süden mit 3000 Beschäftigten keine Überlebenschance erhält. Thyssenkrupp, das die Hälfte der Anteile an HKM hält, will es abstoßen. 30 Prozent liegen noch beim Stahlkonzern Salzgitter, 20 Prozent beim französischen Konzern Valourec, der sich aus Deutschland zurückzieht. Weil ein Verkauf von HKM scheiterte, versuchen die IGM- und Thyssenkrupp-Spitzen jetzt die Schließung über einen Sozialtarifvertrag zu organisieren.
Ein Fünftel vom traditionellen Stahlgeschäft Thyssenkrupps ist bereits an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský verkauft worden. Über den Verkauf von weiteren 30 Prozent an dessen Holding EPCC wird weiter verhandelt. Offenbar stört sich der Milliardär unter anderem an den Pensionsverpflichtungen des Stahlkonzerns, das heißt an den üppigen Zahlungen für die ehemaligen Manager und Vorstände und den mickrigen Betriebsrenten der Arbeiter.
Zudem ist nicht klar, ob die Stahlproduktion überhaupt langfristig gesichert ist. Aktuell sollen zwei der vier Hochöfen heruntergefahren werden. Für den Bau eines wasserstoffbetriebenen Hochofens für die klimafreundliche „grüne“ Stahlerzeugung haben Bund und Land dem Konzern zwei Milliarden Euro Subventionen zugesagt. Ob das auch unter den angestrebten Veränderungen gilt, ist unklar.
Auch in der Auto-Zuliefersparte mit aktuell knapp 31.000 Beschäftigten wurden Einstellungsstopp, Kostensenkungen und weitere „Portfolioanpassungen und Restrukturierungen innerhalb der Geschäfte“ schon vor längerer Zeit angekündigt.
Von der WAZ gefragt, ob der im Vergleich zur Konkurrenz kleine Bereich nicht unmittelbar zum Übernahmekandidaten werde, stellte Lopez klar, dass weitere Angriffe auf die Belegschaft folgen werden: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Automotive Technology als fokussiertes, agiles Unternehmen hervorragende Chancen am Markt hat. Aber klar ist auch: Dafür müssen wir uns anstrengen und es ebenfalls fit machen.“
Die Schließung des Federnwerks in Hagen mit 300 Beschäftigten bis 2027 hat Thyssenkrupp erst vor einem Monat bekanntgegeben. „Ich gehe davon aus, dass wir das fair hinbekommen,“ erklärte Jens Mütze, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hagen.
In der Konzern-Zentrale sollen nach dem Umbau von aktuell 500 nur noch 100 Beschäftigte übrigbleiben, zusätzlich sind Streichungen von rund 1.000 Stellen in der Verwaltung geplant.
Der Materialhandel mit 16.000 Beschäftigten soll wie alle Bereiche an die Börse gebracht werden. Das Boulevardblatt Bild schreibt, gestützt auf einen „hochrangigen Manager“, dass der geplante Börsengang des Materialhandels keinen Sinn ergebe, da dieser Bereich wenig profitabel sei. Auch Teile der Autozuliefersparte sollen laut Bild geschlossen oder verkauft werden. „Am Ende wird ThyssenKrupp praktisch aufgelöst“, zitiert das Blatt seinen „Konzerninsider“.
Die relativ neue Sparte „Decarbon Technologies“, die klimafreundliche Zukunftstechnologien entwickelt, soll sich „perspektivisch“ verselbständigen. Zuvor sollen „die Märkte für grüne Technologien entsprechend Fahrt aufgenommen haben“, damit auch hier die Aktienerlöse sprudeln.
Der Börsengang von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), U-Boot- und Kriegsschiffbauer, soll noch in diesem Jahr über die Aktienweitergabe an die bisherigen Aktionäre abgeschlossen werden. Die weltweite Kriegstreiberei hat die vom ehemaligen nordrhein-westfälischen IGM-Bezirkssekretär Oliver Burkhard geleitete Sparte zu einer potenziellen Goldgrube für Aktionäre gemacht. Dafür muss sie jedoch eigenständig sein und ihre Gewinne nicht mit den Verlusten im Stahl- und Automotive-Geschäft verrechnen müssen.
Die Auftragsbücher von TKMS bersten. Allein in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres (bis März 2025) hat der Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten Bestellungen über mehr als 5,5 Milliarden Euro verbucht, gut achtmal so viel wie im Vorjahreszeitraum.
Inzwischen sind weitere Bestellungen eingegangen. Nach dem Bau von vier U-Booten für Singapur hat der Stadtstaat zwei weitere U-Boote geordert. Die TKMS-Werften sind bis in die 2040er Jahre ausgelastet. Burkhard lässt daher die ehemalige Wismar-Werft, in der früher Disney-Kreuzfahrtschiffe gebaut wurden, umrüsten. Zudem strebt er Partnerschaften mit anderen europäischen Rüstungs- und Schiffsbaukonzernen an. Mit Saab Australia hat TKMS bereits eine Absichtserklärung für die Kooperation im Fregatten-Bereich unterzeichnet.
Die IG Metall, die die Kriegspolitik der Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) unterstützt, besteht darauf, dass der Staat den Rüstungskonzern TKMS übernimmt. Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, fragte im Gespräch mit der FAZ rhetorisch: „Will die Regierung die Konsolidierung der Marinewerften dem Markt überlassen oder selbst gestalten?“ Er habe am Donnerstag per E-Mail an Bundeskanzler Merz, Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) appelliert, sich in den kommenden zwei bis maximal vier Wochen für den Staatseinstieg bei TKMS zu entscheiden. Sonst sei der Weg zu einem Börsengang unumkehrbar, warnt Friedrich.
Ein Staatseinstieg bei der Marine-Sparte und der Stahlsparte, wie dies die IG Metall und ihre Betriebsräte anstreben, dient der militärischen Aufrüstung und nicht der Rettung der Arbeitsplätze. Arbeitsplätze können nicht durch Umstellung auf Rüstungsproduktion verteidigt werden. Diese dient der Vorbereitung von Kriegen, die das Leben von Millionen Arbeitern und ihrer Familien bedrohen. Die Verteidigung der Arbeitsplätze ist umgekehrt unmittelbar mit dem Kampf gegen Aufrüstung und Militarisierung verbunden.
Der IGM-Apparat steht dabei auf der Gegenseite, das hat er in den letzten Wochen und Monaten mehrfach bewiesen. Auf dem nationalen IGM-Aktionstag hat er die Kriegspolitik der Merz-Regierung bejubelt, vor Ort wickelt er Arbeitsplätze und Werke über Sozialtarifverträge ab.
Deshalb müssen neue Organisationen aufgebaut werden, Aktionskomitees, die alle Arbeiter vereinen und die Spaltung nach Standorten, Konzernen und Nationen überwinden.
Wir rufen alle Thyssenkrupp-Beschäftigten auf, am Aufbau von Aktionskomitees mitzuwirken. Alle Bereiche müssen zusammenstehen und Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Branchen und Ländern aufnehmen, die – wie in der Autoindustrie – mit den gleichen Angriffen konfrontiert sind. Nur so lassen sich Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeiterrechte prinzipiell verteidigen.
Kontaktiert uns! Es ist Zeit, aktiv zu werden, sonst droht die schrittweise Zerschlagung Thyssenkrupps bis auf einen kleinen kriegswichtigen Rest. Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 und registriert euch gleich über das folgende Formular.