Von heute an bis Mittwochfrüh findet die Neuwahl des Personalrats für die Beschäftigten auf drei von sechs Bus-Betriebshöfen der Berliner Verkehrsbetriebe statt. Von den berlinweit rund 16.000 BVG-Beschäftigten stimmen nun rund 2.100 erneut darüber ab, wer ihre Interessen im Personalrat Nord (BO Nord) vertreten soll.
In der vergangenen Personalratswahl im November/Dezember letzten Jahres hatte die Liste der Gewerkschaft Verdi auf allen Betriebshöfen der Busfahrer ihre Vormachtstellung verloren. Den Vorsitz im Betriebsomnibus Nord (BO Nord) übernahm die Liste Kraft durch Basis (KdB) mit 9 von 15 Mandaten. Die Verdi-Liste errang nur noch 5 Mandate und die Verdi-Abspaltung, Liste Klare Kante, erlangte ein Mandat.
Mit der Behauptung, dass eine Zusammenarbeit mit dem KdB im BO Nord nicht möglich sei, trat die Verdi-Gruppe bereits Anfang Februar 2025 geschlossen vom Personalrat zurück, womit sie die jetzigen Neuwahlen erzwungen hat.
Das Aktionskomitee Verkehrsarbeiter, das ebenfalls wieder zu der Wahl antritt, ruft die Kolleginnen und Kollegen auf, diese Wahl zu einem Statement gegen die Gewerkschaft Verdi zu machen. Nur ein unabhängiges Aktionskomitee könne die Vorherrschaft Verdis durchbrechen und die Initiative für den Kampf für gute Löhne und Arbeitsbedingungen in die Hände der Beschäftigten legen.
„Die Erfahrungen der letzten Monate unterstreichen, wie dringend es ist, dass wir uns eigenständig organisieren. Wir treten zu den Personalratswahlen an, um die Verdi-Zwangsjacke zu durchbrechen und echten Widerstand von unten aufzubauen“, so das Aktionskomitee in seiner Wahlaufruf vom 13. Mai.
Das Aktionskomitee Verkehrsarbeiter, das mit Beginn der Tarifverhandlungen vor dem drohenden Verrat und Ausverkauf durch Verdi warnte, betonte in seinen Statements, dass die Verdi-Bürokraten nicht die Interessen der Belegschaft, sondern die Interessen des BVG-Managements und der dahinterstehenden Landes- und Bundesregierung vertreten.
Tatsächlich hatte sich Verdi im vergangenen Herbst – in Vorbereitung auf die im Januar 2025 begonnen Tarifverhandlungen – basisdemokratisch und streikbereit gegeben und die in einer Umfrage unter den Mitgliedern als Mindestforderung genannte Entgelterhöhung von 750 Euro als zentrales Ziel betont. Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt sprach sogar von der Notwendigkeit einer „Lohnerhöhung, die die extremen Preissteigerungen der vergangenen Jahre ausgleicht“.
Mit Hilfe dieser kämpferischen Pose gelang es Verdi neue Mitglieder zu gewinnen, da nur Verdi-Mitglieder bei Streik Anspruch auf finanzielle Streikunterstützung haben und alle Nicht-Mitglieder bei Streik den gesamten Tageslohn verlieren.
Aber Verdi hatte nach nur vier kurzen Warnstreiks die Kampfbereitschaft der BVG-Beschäftigten, zu denen auch die U-Bahn- und Straßenbahnfahrer zählen, ausverkauft, obwohl zuvor 95,4 Prozent in einer Urabstimmung für Vollstreik gestimmt hatten.
Zeitgleich mit der Urabstimmung begann die Einberufung der Schlichtung. Die Gewerkschaftsbürokraten degradierten kurzerhand die Kampfbereitschaft der Beschäftigten zur „Verhandlungsmasse“ und handelten hinter verschlossenen Türen zusammen mit den Schlichtern Bodo Ramelow (Linkspartei) und Matthias Platzeck (SPD) ein Ergebnis aus, das weit unter den ursprünglichen Forderungen der Beschäftigten liegt und den Reallohnverlust der letzten Jahre nicht ansatzweise ausgleicht.
Die Mitglieder des Aktionskomitees und seine Unterstützer verteilten in den letzten Wochen hunderte Flyer des Wahlaufrufs und diskutierten mit den empörten Kolleginnen und Kollegen, die Verdi nach dem jetzigen Ausverkauf noch vehementer ablehnen.
So erklärte der Busfahrer O. seine Unterstützung des Aktionskomitees: „Weil es schon länger offensichtlich ist, dass die, die derzeit das Sagen haben, sich nicht um die Belange der Mitarbeiter kümmern, um meine Belange. Ganz im Gegenteil, man arbeitet Hand in Hand mit dem Arbeitgeber gegen die Interessen der Belegschaft. Damit hat sich Verdi schon lange disqualifiziert, deswegen ist es höchste Zeit, dass wir ihnen die Rote Karte zeigen, sie auf die Ersatzbank schicken und jemanden rauschicken, der es besser kann. Das Aktionskomitee ist dieser Jemand.“
O. setzte fort: „Wir haben uns schon viel zu lange die zahlreichen Ausreden der BVG und von Verdi angehört! Kein Geld soll da sein? Für alles andere ist immer Geld da, und für die üppigen Löhne des Vorstandes erst recht. Aber wenn es darum geht, diejenigen zu entlohnen, die den Laden am Laufen halten, sich Tag für Tag da draußen abschuften, dann ist plötzlich kein Geld da?“
N., ebenfalls Busfahrer, wird als Konsequenz aus dem miserablen Tarifabschluss seine Mitgliedschaft bei Verdi kündigen. „Wir, die Mitglieder, haben uns [von den Tarifverhandlungen] mehr erwartet angesichts dessen, was Verdi uns durch Aktion und Stärke vermittelte. Die Verdi hat über 1.600 neue Mitglieder erworben durch Hoffnung und Angst schüren vor einem Vollstreik. Wir sind die Verlierer und die Gewinner sind Verdi und Arbeitgeber. Sehe dadurch kein Grund mehr als Mitglied zu bleiben, da ich in Verdi keinen verhandlungsfähigen Partner mehr sehe.“
Diese bittere Erfahrung, dass man mit Verdi nichts erreichen kann, teilen die BVG-Beschäftigten mit ihren Kolleginnen und Kollegen überall im Öffentlichen Dienst, von den Krankenhäusern bis zur Müllabfuhr und bei der Deutschen Post. Aber das gilt nicht nur für Verdi.
Eine der wichtigsten Lehren aus diesen bitteren Erfahrungen mit den Gewerkschaften lautet, dass sie nicht auf einzelne Gewerkschaftsbürokraten zurückzuführen sind, sondern auf die grundlegend veränderten politischen Rahmenbedingungen.
Schon unter der alten Scholz-Regierung und jetzt noch hemmungsloser unter der Merz-Regierung wird der Krieg gegen Russland eskaliert und mit Unterstützung aller Bundestagsparteien Kriegskredite in Billionenhöhe für die massive Aufrüstung der Bundeswehr bereitgestellt, um am Kampf um die Neuaufteilung der Welt teilzunehmen. Auch die Unterstützung der Netanjahu-Regierung wird uneingeschränkt fortgesetzt, die die faschistische „Endlösung der Palästina-Frage“ vorantreibt.
Der erneute Verrat und Ausverkauf durch Verdi ist Bestandteil einer umfassenden Offensive auf Arbeitsplätze, Lohnniveaus und soziale Rechte, mit denen die Kosten für die Militarisierung eingetrieben, aber auch die überwältigende Antikriegsstimmung in der Bevölkerung unterdrückt werden soll.
Deshalb betont das Aktionskomitee Verkehrsarbeiter, dass die Gewerkschaftsbürokraten überall auf das Engste mit Unternehmen und Regierung zusammenarbeiten und systematisch Streiks ausbremsen, isolieren und ausverkaufen. Als Teil der politischen Elite – insbesondere in der SPD und Linkspartei – unterstützen die Gewerkschaftsfunktionäre die Kriegs- und Aufrüstungspolitik der Merz-Regierung im Bund und die Sparpolitik der Berliner Landesregierung uneingeschränkt.
Während Verdi und die ebenfalls zur Personalratswahl antretenden Listen „Kraft durch Basis“, „Klare Kante“ und „Offene Liste Nord“ versuchen, diese politischen Rahmenbedingungen auszuklammern, erklärte Andy Niklaus, Sprecher des Aktionskomitees, in seinem Video-Statement zur Wahl:
„Im Unterschied zu uns erklären alle anderen Listen-Vertreter, dass die sogenannte große Politik nichts mit unseren betrieblichen Belangen zu tun hätte. Einige behaupten sogar, dass auch die Gewerkschaftspolitik, also der Tarifabschluss nichts mit unseren betrieblichen Belangen zu tun hätte.
Damit unterstützen sie die Aufrechterhaltung der Illusion, dass eine Beteiligung aller Beschäftigten in betrieblichen Auseinandersetzungen ohne politischen Kampf möglich sei.
Aber die Regierungserklärung der Merz-Regierung macht eines deutlich: Die deutschen Eliten wollen wieder Krieg! Und den sollen wir bezahlen!“
„Wir vom Aktionskomitee“, so Niklaus weiter, „stehen für das sozialistische Grundprinzip: Unsere Bedürfnisse, die Bedürfnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter stehen höher als die Profitinteressen der Reichen und ihrer politischen Hintermänner.“
Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen unterstützen die politische Einschätzung des Aktionskomitees.
O. erklärte: „Wir wissen, dass die Regierung unter dem extrem Rechten Merz Milliarden Euros in den Krieg gegen Russland investieren will – einen Krieg, den die absolute Mehrheit der Bevölkerung nicht will. Dafür ist auch Geld da, und wir sollen dafür zur Kasse gebeten werden bzw. akzeptieren, dass unser Lohn dafür herhalten sollen? Und genauso werden wir indirekt zur Kasse gebeten, um den grauenhaften Genozid an den Palästinensern durch Israel zu finanzieren, die von unserer korrupten Regierung bedingungslos unterstützt und hofiert wird? Ich sage: Nein! Nicht mit mir! Es reicht!'
Auch N. findet, dass die „Politiker zur Rechenschaft gezogen werden müssen“ wegen ihrer „Kriegstreiberei sowie Beihilfe zum Genozid“.
Und Robert, ehemaliger BVG-Busfahrer, unterstützt das Aktionskomitee, „weil es sich ehrlich und unabhängig für die Interessen der Mitarbeiter einsetzt. Anders als Verdi lässt sich das Komitee nicht kaufen, nicht beeinflussen und schon gar nicht von der Arbeitgeberseite steuern. Hier geht es nicht um Machtspiele – hier geht es um uns, die Beschäftigten.“
Robert betont: „Was mir besonders wichtig ist: Das Aktionskomitee lässt sich vom Arbeitgeber nicht einschüchtern. Es kämpft gemeinsam mit allen kampfbereiten Kolleginnen und Kollegen für die Interessen der Belegschaft. Und wir diskutieren die wichtigen politischen Fragen, die mit unserem Kampf für gerechte Arbeitsbedingungen und Löhne zu tun haben.“