Wahlen in Portugal: Große Zugewinne der neofaschistischen Chega bei Wahlsieg der amtierenden rechten Koalition

Andre Ventura, Vorsitzender der rechtspopulistischen und rechtsextremen Partei Chega, nach den portugiesischen Parlamentswahlen, Lissabon, 19. Mai 2025 [AP Photo/Ana Brigida]

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Portugal vom letzten Sonntag haben eine drastische Eskalation der politischen und sozialen Krise des Landes zum Ausdruck gebracht. Sowohl die neofaschistische Partei Chega (Es reicht) als auch die konservative Regierungspartei Aliança Democrática (Demokratische Allianz, AD) schürten eine allgegenwärtige Hetzkampagne gegen Einwanderer und Geflüchtete. Wenige Tage vor den Wahlen gab die Regierungspartei AD neue, umfassende Abschiebungspläne bekannt.

Der jahrzehntelange Sparkurs, der Zusammenbruch des öffentlichen Dienstes und die stagnierenden Löhne haben große Teile der Bevölkerung dazu veranlasst, Chega zu wählen. Denn auch die Sozialistische Partei (PS), die noch bis März 2024 regierte, hat mit Unterstützung der Kommunistischen Partei (PCP) und des Linksblocks (BE) die sozialen Angriffe durchgesetzt. So ist der Aufstieg von Chega in den Wahlen nicht das Ergebnis einer faschistischen Massenbewegung, sondern Ausdruck des bankrotten und reaktionären Charakters des politischen Establishments in Portugal und ganz Europa. Der wachsende Unmut der Massen findet derzeit in der offiziellen Politik nur rechtsextreme Ventile.

Bei den Wahlen gewann die rechte Aliança Democrática (AD) des amtierenden Ministerpräsidenten Luís Montenegro zum zweiten Mal in Folge die meisten Stimmen, verfehlte aber erneut die parlamentarische Mehrheit. Damit endete bereits die dritte Wahl in drei Jahren ohne klares Ergebnis. Die AD erhielt 32,7 Prozent der Stimmen und 89 Sitze, ist also noch weit von den 116 Sitzen entfernt, die für eine Regierungsbildung erforderlich sind. Die traditionellen Regierungsparteien Portugals sind nach den jahrzehntelangen sozialen Sparmaßnahmen, die breite Schichten der Arbeiterklasse ins Elend gestürzt haben, weder legitimiert noch in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden.

Montenegro prahlte in seiner Siegesrede damit, dass die AD ihren Vorsprung gegenüber der PS verzehnfachen konnte, von 51.000 bei den Wahlen im letzten Jahr auf über eine halbe Million, und er forderte „Stabilität“. Er erklärte: „Die Menschen wollen keine andere Regierung und keinen anderen Ministerpräsidenten. Wir fordern, dass wir regieren dürfen.“

Hinter diesem Appell verbirgt sich ein reaktionäres Programm: die Privatisierung der nationalen Fluggesellschaft TAP, umfassende Rentenkürzungen, verstärkte Angriffe auf die Rechte von Arbeitern und die vollständige Ausrichtung auf die Nato–Kriegspläne gegen China und Russland. Dies umfasst eine Erhöhung der Militärausgaben von historischem Ausmaß, um das Land auf imperialistische Kriege im Ausland und brutale Angriffe auf demokratische und soziale Rechte im Inland vorzubereiten – im Namen der Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit“ des portugiesischen Kapitalismus.

Politisch brisant ist bei den Wahlen der anhaltende Aufstieg der neofaschistischen Partei Chega, geführt von dem Demagogen und ehemaligen Sportkommentator André Ventura. Chega fordert Massenabschiebungen von Einwanderern, die Militarisierung der Polizei und die Wiedereinführung der Todesstrafe, neben Steuersenkungen für die Reichen, Angriffen auf Renten und Sozialleistungen und der Verschärfung der Sparpolitik. Ventura verbrämt diese Agenda mit demagogischen Appellen an die „vergessenen Portugiesen“ und macht Einwanderer und Minderheiten wie die Roma für die soziale Krise verantwortlich, die der Kapitalismus geschaffen hat.

Chega erhielt 22,6 Prozent der Stimmen und zog mit 58 Sitzen erstmals mit der PS gleich, wobei die endgültige Zuteilung von vier Sitzen aus Übersee noch aussteht. Seit die Chega im Jahr 2019 mit nur einem Abgeordneten ins Parlament eingezogen ist, konnte sie ihre Ergebnisse stetig verbessern. Im Jahr 2022 erhielt sie zwölf Sitze, 50 Sitze im Jahr 2024 und heute steht sie kurz davor, die PS als zweitstärkste Partei des Landes abzulösen.

Besonders stark ausgeprägt war Chegas Durchbruch in südlichen Regionen wie Beja, Setúbal, Portalegre und der Algarve, die historisch Hochburgen der PS und der stalinistischen PCP waren. Diese Tatsache entlarvt auf verheerende Weise die arbeiterfeindliche Politik der aufeinander folgenden PS-Regierungen, die von der PCP unterstützt wurden.

Ventura konnte sich am Wahlabend als großer Sieger inszenieren: „Heute können wir zuversichtlich verkünden, dass das Zweiparteiensystem in Portugal der Vergangenheit angehört. ... Chega ist zur zweitgrößten Partei geworden. Heute rechnen wir mit der Geschichte ab.“ Im weiteren warnte er unheilvoll: „Ihr habt bis jetzt noch gar nichts gesehen.“

Die Bildung einer neuen Regierung könnte sich durchaus als schwierig erweisen. Montenegro hat bekräftigt, dass er keine Koalition mit Chega eingehen wird und die Partei als „unzuverlässig“ und „regierungsunfähig“ bezeichnet. Die Chega wiederum scheint kein Interesse mehr daran zu haben, die AD zu stützen. Anders als im Jahr 2024 hat Ventura auf Angebote zu einem Bündnis verzichtet und positioniert sich offen als alternativer Ministerpräsident: „Wir sind fast an dem Punkt, wo wir regieren können. Ab heute wird in Portugal nichts mehr so sein wie vorher.“

Unabhängig davon, ob ein formelles Bündnis zustande kommt, bildet die extreme Rechte nun das Zentrum der offiziellen Politik Portugals. Damit werden solche Kräfte erstmals seit dem Untergang des faschistischen Estado-Novo-Regimes im Jahr 1974 direkten Einfluss auf die Richtung der portugiesischen Politik ausüben, entweder innerhalb oder außerhalb der Regierung.

Die Verantwortung für diese Lage liegt bei den Kräften, die in Portugal als links gelten. Die sozialdemokratische PS, die stalinistisch dominierte Coligação Democrática Unitária (CDU, Demokratische Einheitskoalition) und der pablistische Bloco de Esquerda (Linksblock) haben ihr schlechtestes gemeinsames Ergebnis seit dem Fall der Diktatur erzielt. Zusammen erhielten sie nur 30 Prozent der Stimmen. Ventura weidete sich an ihrer Demütigung: „Chega hat die Partei von Mário Soares [PS] überholt, die Partei von Álvaro Cunhal [PCP] zerstört und den Linksblock ausgelöscht.“

Die PS, einst die dominierende Partei im Portugal nach der Nelkenrevolution, erhielt nur noch 23 Prozent der Stimmen und fiel zurück von 78 auf 58 Sitze. Nur in den Jahren 1985 und 1987 hatte sie schlechter abgeschnitten. Kurz nach Bekanntwerden der Ergebnisse trat PS-Generalsekretär Pedro Nuno Santos von seinem Posten zurück.

Der Linksblock, der von den Pablisten unterstützt wird, hatte einst 19 Sitze inne und diente als wichtige Stütze der PS-Regierung von 2015 bis 2019. Er stürzte auf nur zwei Prozent der Stimmen ab und behielt nur einen Sitz für seine Vorsitzende Mariana Mortáguat. Die CDU, die von der PCP angeführt wird, erhielt nur drei Prozent der Stimmen und drei Sitze – nicht besser als im Vorjahr. Beide wurden von der Livre (Freie) überholt, einer 2011 gegründeten Abspaltung des Linksblocks. Livre erhielt vier Prozent der Stimmen und sechs Sitze.

Diese Parteien werden für ihre direkte Rolle als Unterstützer der PS-geführten Austeritäts-Regierungen weithin verachtet. Die PS hat in ihrer Regierungszeit von 2015 bis 2024 die Spardiktate der EU durchgesetzt, den Arbeitnehmerschutz demontiert und den imperialistischen Nato-Kriegskurs im Nahen Osten und Osteuropa unterstützt. Die PCP und der Linksblock haben die PS-Regierung durch das so genannte „Geringonça“-Abkommen unterstützt und im Parlament die Rückendeckung für ihre umfassenden sozialen Angriffe geliefert.

Dieses Bündnis hat brutale Kürzungen im öffentlichen Dienst umgesetzt, war verantwortlich für steigende Wohnungskosten, hat Streiks der Arbeiter unterdrückt – u.a. durch den Einsatz des Militärs gegen streikende Lastwagenfahrer – und ließ Milliarden Euro in Rettungsaktionen für die Konzerne und das Militär fließen. Selbst nach dem Ende des formellen Bündnisses unterstützten beide Parteien weiterhin die Haushaltspläne der PS, ihre Covid-Politik der „Herdenimmunität“ und ihre Befürwortung des Nato-Kriegs in der Ukraine.

Im Jahr 2023 verteidigte PS-Ministerpräsident Antonio Costa den Beginn des israelischen Völkermords an den Palästinensern in Gaza mit den Worten: „Israel hat jedes Recht, sich mit militärischen Mitteln gegen die Hamas zu verteidigen, wenn sie die Zivilbevölkerung von Palästina respektiert.“ Unter seiner Regierung erteilte Portugal Ausfuhrgenehmigungen für Militärgüter an Israel im Wert von über 12,5 Millionen Euro.

Erst im Jahr 2022 stimmten der BE und die PCP in einem verspäteten Versuch, ihren Ruf zu retten, gegen den Haushaltsentwurf der PS. Dies geschah angesichts des massiven Widerstands der Arbeiterklasse, der sich in einer Streikwelle in mehreren Bereichen, darunter dem Bildungs- und Gesundheitswesen, Verkehr und öffentlicher Verwaltung, äußerte. Insbesondere bereitete diese Streikwelle Ende 2022 den Boden für eine anhaltende Eskalation im darauffolgenden Jahr, in dem die Zahl der an Streiks beteiligten Arbeiter 2023 in allen Bereichen um 288 Prozent anstieg.

Der Verrat dieser Kämpfe hat die Bedingungen für den Aufstieg der extremen Rechten geschaffen. Während die Löhne stagnieren und der öffentliche Dienst zusammenbricht, sieht sich Portugal mit einer tiefen Wohnungskrise konfrontiert, die durch Spekulationskapital und Massentourismus angetrieben wird. Die Preise für Wohnungen stiegen im letzten Jahr um neun Prozent, und die Mieten in Lissabon erreichten den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten. Gleichzeitig liegen die durchschnittlichen Monatslöhne bei nur 1.200 Euro vor Steuern, und der Mindestlohn ist mit 870 Euro einer der niedrigsten in Westeuropa.

Seit Anfang des Jahres 2025 haben die portugiesischen Arbeiter erneut entschlossen auf die Verschlechterung ihrer Bedingungen reagiert und in fast allen Branchen gestreikt. Alleine im ersten Quartal wurden 224 Streikankündigungen vorgelegt, die meisten wegen stagnierender Löhne. Die Beteiligung war massiv: Zehntausende beteiligten sich an Aktionen, die von kleinen Ausständen in Fabriken bis hin zu landesweiten Stilllegungen reichten.

Dazu gehörten ein landesweiter Streik von Lehrkräften in privaten sozialen Gemeinschaftseinrichtungen, ein 24-stündiger Ausstand von Fahrkartenkontrolleuren bei CP, rollende Streiks von Lokführern und anderen Bahnbeschäftigten, ein landesweiter Streik der Pflegekräfte, ein Generalstreik im öffentlichen Dienst, eine dreitägige Arbeitsniederlegung beim Autokonzern Teijin und ein zweistündiger Ausstand im Textilwerk von AUNDE Portugal.

Die eskalierende Streikwelle zeigt, welche gesellschaftliche Kraft den Vormarsch des Faschismus wirklich aufhalten kann: die Arbeiterklasse. Ihre Aktionen sind Ausdruck der immensen sozialen Stärke, die im kollektiven Widerstand der Arbeiterklasse in Portugal, Europa und der Welt liegt. Doch diese Bewegung braucht eine politische Führung und eine revolutionäre Perspektive.

Die entscheidende Aufgabe ist jetzt der Aufbau einer portugiesischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Nur die Arbeiterklasse, vereint über alle Nationalitäten, Rassen und Etnien hinweg, bewaffnet mit einem klaren politischen Programm und einer revolutionären Führung, kann den Kurs auf Faschismus stoppen und den Weg vorwärts zum Sozialismus öffnen.

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