Warum die deutsche Regierung den Genozid in Gaza unterstützt

Deutschland leistet in Gaza Beihilfe zum Völkermord. Anders kann man die demonstrative Freundschaft, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Bundesregierung angesichts des Genozids in Gaza zur israelischen Regierung pflegen, nicht verstehen.

Palästinenser nach einem israelischen Luftangriff im nördlichen Gazastreifen [Photo by UN Photo/Shareef Sarhan / undefined]

Es sind fast 16 Monate her, seit der Internationale Gerichtshof (IGH) den Vorwurf, Israel begehe in Gaza einen Völkermord, als „plausibel“ befand und eine entsprechende Klage Südafrikas annahm. Vor einem Jahr beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den damaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im November gab das Gericht dem Antrag statt.

Seither hat Israel selbst die letzten Zweifel ausgeräumt, dass es Kriegsverbrechen begeht und völkerrechtswidrige Ziele verfolgt. Letzte Woche ordnete das Kriegskabinett eine neue Offensive mit dem Ziel an, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen und die rund zwei Millionen Einwohner zu vertreiben. Beides verstößt gegen elementare Grundsätze des Völkerrechts.

Die Grausamkeit, mit der die israelische Armee dabei gegen die Zivilbevölkerung vorgeht, lässt sich kaum in Worte fassen. Seit Anfang März blockiert sie die Einfuhr von Medikamenten, Lebensmitteln und Treibstoff, um zwei Millionen Menschen auszuhungern. Sie bombardiert in der fast völlig zerstörten Region die letzten Krankenhäuser und Unterkünfte sowie Zelte und Fliehende. Zu den 53.000 bereits registrierten Getöteten kommen täglich über hundert weitere hinzu, mehrheitlich Frauen und Kinder. Augenzeugen berichten von den Schreien Verletzter, die aus Mangel an Sanitätern, Krankhäusern und Medikamenten ihrem Schicksal überlassen bleiben.

Doch obwohl sich das Ausmaß der Kriegsverbrechen nicht mehr verheimlichen lässt, zelebriert die deutsche Regierung ihre unerschütterliche Freundschaft mit Israel.

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte Netanjahu bereits im Wahlkampf zum Besuch in Deutschland eingeladen und versichert, er werde den Haftbefehl des IStGH nicht ausführen, obwohl Deutschland rechtlich dazu verpflichtet ist. Außenminister Wadephuls erste Reise außerhalb Europas führte nach Jerusalem, wo er Netanjahu traf und beteuerte, dass er Israel kein völkerrechtswidriges Verhalten vorwerfe.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud seinen israelischen Amtskollegen Jitzchak Herzog nach Berlin ein, um den 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu feiern, und flog anschließend mit ihm nach Israel. Dort sprach auch er mit Netanjahu, nur wenige Stunden nachdem dieser angekündigt hatte, in den kommenden Tagen „mit voller Kraft“ im Gazastreifen vorzurücken.

Der Bundespräsident erinnerte zwar auch an das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und mahnte eine Friedenslösung an. Doch praktische Folgen hat dies nicht. Deutschland stellt weder die Waffenlieferungen an die israelische Armee ein, noch entzieht es Netanjahu seine Unterstützung.

Stattdessen schwärmte Steinmeier gemeinsam mit Herzog vom „Wunder der Versöhnung“. Die heutige Verbundenheit Israels und Deutschlands in tiefer Freundschaft sei „ein Geschenk“, das kein Deutscher habe erwarten dürfen und das nach dem Zivilisationsbruch der Shoah ganz und gar unvorstellbar gewesen sei. „Deutschland ist an eurer Seite, immer,“ versicherte Steinmeier.

Diese Verteidigung israelischer Kriegsverbrechen unter Berufung auf die Shoa – die industrielle Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Nazis – erfüllt Millionen Menschen mit Abscheu und Ekel. Gleichzeitig schafft sie viel Verwirrung. Wer dem Völkermord an den Palästinensern entgegentritt, wird sofort als „Antisemit“ denunziert und verfolgt.

In Wirklichkeit haben weder die heutigen noch die vergangenen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel etwas mit Versöhnung und Wiedergutmachung zu tun. Der Aufnahme diplomatischer Beziehungen am 12. Mai 1965 waren Jahre der militärischen Unterstützung und Zusammenarbeit vorangegangen.

Der 1948 gegründete zionistische Staat, der aufgrund der Terroranschläge seiner Gründer und der brutalen Vertreibung der Palästinenser relativ isoliert war, benötigte dringend Waffen und finanzielle Unterstützung. Selbst die USA, die Israel als erste anerkannt hatten, verhängten ein Waffenembargo und lieferten erst 1962 erstmals offiziell Waffen. Deutschland vereinbarte 1952 Reparationszahlungen und begann 1957 – unter dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU) – eine intensive Rüstungszusammenarbeit mit Israel, die bis heute andauert.

Als Gegenleistung erhöhte die „Versöhnung“ mit Israel das internationale Ansehen Deutschlands, die deutsche Wirtschaft erhielt Zugang zum Nahen Osten, der nach dem Ersten Weltkrieg zwischen den Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich aufgeteilt worden war und jetzt von den USA dominiert wurde, und die israelische Regierung half, die Nazi-Vergangenheit hochrangiger Staatsbeamter zu vertuschen.

Letzteres wurde besonders wichtig, als 1961 Adolf Eichmann, der wichtigste Organisator der Shoa, in Israel vor Gericht gestellt wurde. In der deutschen Regierung brach Panik aus. Man befürchtete, dass Eichmann über die Nazi-Verbrechen hochrangiger Ministerialbeamter auspacken würde. Vor allem Hans Globke, die rechte Hand von Kanzler Konrad Adenauer, war gefährdet.

In der Regierung wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die wichtigste unter Globke selbst, um den Prozess zu verfolgen und einzugreifen. Mehrere Beobachter des Bundesnachrichtendiensts und des Außenministeriums flogen nach Israel zum Prozess. Unabhängige deutsche Journalisten wurden überwacht.

Globke stoppte kurz vor der Verhaftung Eichmanns zugesagte Kredit- und Waffenzusagen, setzte die israelische Regierung damit unter Druck und gab sie erst frei, nachdem Eichmann – der dichtgehalten hatte – hingerichtet worden war.

Auch die heutige Unterstützung des israelischen Völkermords in Gaza ist nicht durch die Verantwortung für die Shoa, sondern durch imperialistische deutsche Interessen motiviert. Israel dient Deutschland, wie auch den USA, als militärischer Brückenkopf in einer Region, die über riesige Rohstoffvorkommen verfügt und von zentraler geostrategischer Bedeutung ist. Der Widerstand der Palästinenser, der unter den arabischen Massen große Unterstützung genießt, steht der imperialistischen Kontrolle über die Region im Wege. Deshalb muss er ausgeschaltet werden.

Für die Palästinenser bedeutet dies eine Katastrophe, für die israelischen Arbeiter eine Tragödie. Der zionistische Staat mit seiner rechtsextremen Regierung gleicht immer mehr dem Nazi-Regime, auf das er angeblich eine Antwort sein sollte.

Der Zionismus hat in eine Sackgasse geführt. Der israelische Staat, der auf der Verfolgung und Vertreibung der Palästinenser beruht und den imperialistischen Mächten als Stützpunkt im Nahen Osten dient, ist keine Lösung für die historische Unterdrückung und Verfolgung der Juden. Diese kann nur durch eine sozialistische Gesellschaft überwunden werden, die auf sozialer und demokratischer Gleichheit beruht.

Weltweit gehen hunderttausende – darunter auch viele Juden – zur Verteidigung der Palästinenser auf die Straße. Gleichzeitig wächst der Widerstand gegen Sozialabbau und Krieg. Das schafft die objektiven Voraussetzungen für die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse über alle nationalen, ethnischen und religiösen Grenzen hinweg im Kampf für den Sozialismus.

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