Am Mittwoch, den 14. Mai 2025, erlitt ein Mitarbeiter des Bahn-Instandhaltungswerks in Wittenberge (Brandenburg) einen schweren Schock: Bei seinem 15-Uhr-Rundgang entdeckte er einen Kollegen leblos in einer Arbeitshalle am Boden liegen. Der 38-Jährige, der Sandstrahlarbeiten ausgeführt hatte, war offenbar gestürzt. Herbeigerufene Rettungskräfte konnten nur noch den Tod des Kollegen feststellen.
Der grausige Unfalltot im Bahn-Ausbesserungswerk Wittenberge ist beileibe nicht der einzige tödliche Unfall bei der Bahn. In den letzten Wochen häufen sich schwere und tödliche Arbeitsunfälle. Allein in den vier Wochen seit Ostern waren es mindestens fünf:
- Am Ostermontag, den 21. April, starb ein 52-jähriger Eisenbahner in Kehl (B.-W.) im Hafengebiet am Rhein. Bei Rangierarbeiten war er beim Zusammenkuppeln zweier Waggons zwischen die Pufferstempel geraten, eingeklemmt und tödlich verletzt worden.
- Am Sonntag, den 27. April, verunglückte ein Bahnarbeiter im Rangierbahnhof Neuseddin (Brandenburg) tödlich, weil er ebenfalls zwischen zwei Waggons geriet und dabei regelrecht zerquetscht wurde.
- Am Dienstag, den 29. April, wurde ein 58-jähriger Mitarbeiter eines Bautrupps in Hamburg vom ICE erfasst. Er überlebte schwerverletzt und soll mittlerweile außer Lebensgefahr sein, wird aber für sein Leben gezeichnet sein.
- Am Freitag, den 9. Mai, wurde ein Arbeiter erneut zwischen zwei rangierenden Güterwaggons eingeklemmt. Der 50-Jährige war im Bahn-Instandhaltungsbetrieb Oberhausen (Oberbayern) als Sicherungsposten für die Waggons eingesetzt. Als er einen langsam rollenden Waggon begleitete, geriet er in das Gleis zwischen die Züge und wurde tödlich verletzt.
- Am 14. Mai wurde der Arbeiter des Bahn-Instandhaltungswerk Wittenberge (Brandenburg), der Sandstrahlarbeiten ausführte, tot aufgefunden.
Fünf schwerste Arbeitsunfälle, vier davon tödlich, in nur vier Wochen – so die blutige Bilanz. Und weder die Deutsche Bahn, noch die Eisenbahnergewerkschaften EVG und GDL kümmern sich darum. Die EVG hat in diesem Jahr noch kein einziges Mal Stellung zu einem konkreten Arbeitsunfall bei der Bahn genommen.
Das ist einer der Gründe, warum vor zwei Jahren das Aktionskomitee Bahn gegründet wurde. Unabhängig von Management und Gewerkschaften wendet es sich an die Beschäftigten, ganz gleich, ob mit Gewerkschaftsbuch oder ohne. Sein Ziel ist es, die massiven Angriffe auf Löhne, Stellen und Arbeitsbedingungen gemeinsam abzuwehren. Verbündete sind dabei nicht die Manager und Gewerkschaftsfunktionäre, von denen viele auf lukrativen Aufsichtsratsposten sitzen, sondern die Eisenbahner in ganz Europa und auf der ganzen Welt.
In den USA hat vor kurzem ein Aktionskomitee von Autoarbeitern als Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) damit begonnen, einen Arbeitsunfall unabhängig zu untersuchen. Es geht um einen tödlichen Arbeitsunfall bei Stellantis, bei dem Ronald Adams, ein 63-jähriger Mechaniker, beim Warten eines Roboters durch das plötzliche Anfahren eines Portalkrans zu Tode kam. Weder das Management und die Arbeitsschutzbehörde von Michigan (MIOSHA), noch die Autogewerkschaft UAW haben in fünf Wochen seit dem Unfall irgendwelche Fakten ans Licht gebracht, um die Familie und die Öffentlichkeit zu informieren.
Der Kommentar eines GM-Arbeiters aus dem Raum Detroit trifft den Kern des Problems: „Ein Arbeiter kommt ums Leben, und einen Tag später ist die Geschichte vergessen. Die Gewerkschaftsführung [ist] Teil des Problems.“
Die einzige Möglichkeit, bei jedem einzelnen Unfall die Ursache herauszufinden, um dies in Zukunft zu verhindern, besteht darin, dass Arbeiter die Untersuchung selbst in die Hand nehmen. Sie kennen den Arbeitsablauf mit allen Gefahren am besten. Das gilt auch für die Arbeitsunfälle bei der Deutschen Bahn. Wie ein anderer Arbeiter sagte: „Sicherheit ist die beste Möglichkeit zu überleben.“
Wie das Aktionskomitee Bahn aufgedeckt hat, gab es allein im letzten Jahr mindestens elf schwerste oder tödliche Arbeitsunfälle bei der Bahn. Im Jahr davor kam es zu mindestens zwölf (und vielleicht noch mehr) solchen Unfällen. Es gibt in Deutschland keine Behörde, die alle Bahnunfälle systematisch erfasst. Weder die Deutsche Bahn, noch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) oder die Bundesstelle für Eisenbahnunfall-Untersuchungen (BEU) fühlen sich dafür verantwortlich. Am Wenigsten interessiert es sie, wenn es sich um Beschäftigte eines Subunternehmens handelt.
Allein der jüngste Unfall im Bahn-Instandhaltungswerk Wittenberge, über den – wie üblich – kaum mehr als die kurze Polizeimeldung in den Medien erschien, wirft zahlreiche Fragen auf: Der Arbeiter war mit Sandstrahl-Arbeiten beschäftigt: Diese Tätigkeit ist mit erheblichen Gefahren verbunden.
Hatte der Mann die richtige Atemschutzausrüstung, um sich gegen Sand-, Quarz- und Feinstaubpartikel zu schützen? War sein Arbeitsbereich – offenbar in einer Halle – ausreichend belüftet; gab es eine Absaugvorrichtung? Was war die Ursache seines Sturzes? Litt er an Atemwegs-Vorerkrankungen? Oder ist er gestolpert und damit in den Hochdruckstrahl hineingeraten? Besonders wichtig: Was war der Grund, dass dieser Kollege offenbar bei so einer gefährlichen Tätigkeit ganz alleine war?
Eine unabhängige Untersuchung ist von entscheidender Bedeutung, um die Wahrheit herauszufinden. Sie wird Sicherheitsexperten beiziehen, Berichte und Stimmen der Beschäftigten ernst nehmen und ihre Arbeit unabhängig von Management und Gewerkschaften durchführen. Nur so können systemische Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften aufgedeckt und zukünftige Todesfälle verhindert werden.
Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ruft Eisenbahner und Lokführer und alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, an der Arbeit der Aktionskomitees teilzunehmen: Schickt uns Berichte über die Zustände in eurem Betrieb! Helft uns, die Ursachen von Arbeitsunfällen aufzudecken, um für bessere Bedingungen am Arbeitsplatz zu kämpfen! Dies ist Teil des Kampfs, die Grundlagen für eine wirkliche Arbeiterkontrolle herzustellen.
Schickt uns Informationen und schreibt uns, wenn ihr am Aufbau des Aktionskomitees Bahn teilnehmen könnt! Schreibt über Whatsapp,+49-163-337-8340 und registriert euch über das untenstehende Formular!