„Wir müssen eine Sprache sprechen!“ – Streikende Ford-Arbeiter unterstützen internationalen Kampf

Die Ford-Arbeiter in Köln sind bereit, den Kampf für ihre Arbeitsplätze aufzunehmen. Das hat der 24-Stundenstreik vom letzten Mittwoch klar gezeigt. In beiden Kölner Ford-Werken, in Niehl und in Merkenich, kam alles – Produktion, Entwicklung, Verwaltung – zum Stillstand. Schon in der Abstimmung von Anfang Mai hatte es mit 93,5 % Zustimmung ein überwältigendes Votum für einen unbefristeten Streik gegeben.

24-Stundenstreik bei Ford in Köln, 14. Mai 2025 [Photo: WSWS]

Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) war mit einem WSWS-Team in Köln vor Ort und sprach mit streikenden Ford-Arbeitern über ihre Hoffnungen und Befürchtungen. Viele sind schon jahrzehntelang, während ihres ganzen Berufslebens, bei Ford beschäftigt.

Die Internationalen Arbeiterallianz warnt davor, dass die Betriebsräte und Funktionäre der IG Metall den Kampf ausverkaufen, wie sie das schon bei Ford-Saarlouis getan haben. Die IG Metall ist nicht bereit, die Arbeitsplätze prinzipiell zu verteidigen. Sie steht schon seit März in Verhandlungen mit dem Management über einen Sozialtarifvertrag. In dem Warnstreik am Mittwoch hat die Gewerkschaft ihre Forderung darauf konzentriert, hohe Abfindungen für diejenigen zu fordern, die das Werk „freiwillig“ verlassen. Einst gab es bei Ford 20.000 Kolleginnen und Kollegen, heute sind es noch 11.500, bis Ende 2027 sollen weitere 2.900 gehen, und in Gefahr ist das ganze Kölner Ford-Werk

„Sozialtarifverträge verhindern weder Werkschließungen noch Arbeitsplatzabbau“, wie es im WSWS-Artikel zum Streik heißt, „sondern dienen dazu, diese reibungslos abzuwickeln.“ Die Internationale Arbeiterallianz (IWA-RFC) ruft dazu auf, Aktionskomitees zu bilden, die den Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne unabhängig von der IG Metall aufnehmen und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in den USA, in Spanien, Rumänien, Indien und anderswo führen. Die IWA-RFC hat schon Online-Meetings mit internationalen Kollegen organisiert, wie zum Beispiel im Juli 2022 mit Ford-Arbeitern aus Deutschland, Indien und den USA.

Viele Ford-Arbeiter, mit denen wir am Mittwoch sprechen konnten, sagten klar: „Ich will keine Abfindung, ich will meinen Arbeitsplatz behalten.“ Im Gespräch mit der WSWS erklärten Stinos Dinas und Cüneyt Sentürk, welche Hoffnungen und Sorgen sie bewegen, und dass sie bereit wären, sich an einem international koordinierten Arbeitskampf der Ford-Arbeiter zu beteiligen.

Stinos Dinas [Photo: WSWS]

WSWS: Was denkst du, wäre in der aktuellen Auseinandersetzung notwendig?

Stinos Dinas: Also notwendig wäre ein viel kämpferischer Streik. Wir müssten einen richtigen Arbeitskampf führen. Ich habe schon gesehen, dass das Management im Werk ist. Ich frage mich, warum die reingelassen werden? Warum schließen wir die nicht komplett aus? Offenbar wird die Sache von der IG Metall nicht ganz so kämpferisch geführt.

WSWS: Was denkst du zu den Verhandlungen über den Sozialplan?

SD: Auch wenn die meisten eine Zukunft bei Ford sicher vorziehen würden, wären wohl einige auch mit einer hohen Abfindung zufrieden und würden woanders einen Job anfangen. Was jetzt gefordert wird, ist ja auch eine hohe Summe [200.000 Euro und mehr]. Damit will man die Belegschaft ruhigstellen.

Wir sollten aber lieber für eine Zukunft kämpfen, anstatt für eine hohe Abfindung. Eine Abfindung ist keine sichere Zukunft. Das ist zu kurz gedacht, denn im Endeffekt arbeiten alle großen Industrien genauso. Da wird die gute Arbeit in Billiglohnländer verlagert. Fakt ist, auf diese Art gibt es keine Perspektive für die Zukunft.

WSWS: Wir denken, dass es entscheidend ist, dass die Beschäftigten hier sich mit den Arbeitern anderer Automobilwerke zusammenschließen, vor allem mit den Arbeitern in den USA, auch in Spanien und Rumänien und anderswo. Was denkst du dazu?

SD: Das wäre toll. Ganz klar. Also ich denke genau das. Wir sind ja überhaupt in der Situation hier, dass die Industrie abwandert, weil es in anderen Ländern noch viel schlechtere Bedingungen gibt.

WSWS: Wir werden das Interview auch in englischer Sprache publizieren, es wird dann auch von amerikanischen Autoarbeitern gelesen werden. Was möchtest du ihnen sagen?

SD: Wehrt euch gegen den Faschismus, das ist das allererste. Ich weiß nicht, wie die Bedingungen in den USA sind, was für Arbeitskämpfe die gerade führen.

WSWS: Der Vorsitzende der amerikanischen Autogewerkschaft, Shawn Fain, der in den Präsidentschaftswahlen Kamala Harris und die Demokraten unterstützt hatte, hat sich vor kurzem auf die Seite von Donald Trump gestellt! Insbesondere was Trumps Zollpolitik betrifft, behauptet er, die sei im Interesse amerikanischer Arbeiter. Die Haltung der IG Metall hier ist sehr ähnlich.

SD: Ja, hier sind davon auch Werke in Spanien und im Saarland betroffen, die gegeneinander ausgespielt wurden. Früher hat man uns immer gegen Rumänien ausgespielt. Ständig wurde uns gesagt, in Rumänien werde günstiger produziert. Zeitweise haben wir auch den gleichen Motor wie in Rumänien gebaut. Da hat man uns gedroht: Da können wir auch den Motorbau komplett verlagern.

WSWS: Was denkst du dazu, internationale Aktionskomitees aufzubauen, um gemeinsam zu kämpfen, sich nicht spalten zu lassen?

SD: Richtig und wichtig. Ich meine nur, ich sehe derzeit nicht das Potenzial dazu. Ich bin eher linksgerichtet, aber viele Kollegen eher nicht. Deswegen weiß ich, wie schwer man es in der Belegschaft hat, so etwas aufzubauen. Aber das ist auf jeden Fall notwendig. Mein Ideal von einer Welt ist der Kommunismus. Und deswegen ist es wichtig solche Komitees aufzubauen, denn wir könnten alles kontrollieren.

WSWS: Ja, die Arbeiter halten die gesamte Gesellschaft am Laufen. Vor kurzem wurde bekanntgegeben, dass es hier in Köln ein Entwicklungsprojekt für neue Panzer, ausgestattet mit 100 Milliarden Euro, geben soll. Diskutiert ihr das unter euch?

SD: Nun, es gab die Gerüchte, dass Rheinmetall hier in die Hallen soll. Aber das wurde wieder dementiert. Was wahr ist, weiß ich nicht – ob das Ganze ein Gerücht ist oder ein reales Schreckgespenst. Es gibt Kollegen, die sich schon die Frage stellen, ob sie direkt zu Rheinmetall übergehen können, sollten die hier etwas übernehmen. Ich sage den Kollegen dann immer direkt: Dann könnt ihr auch gleich selber Kinder ermorden, wie es aktuell in Gaza zum Beispiel passiert. Ich finde, das ist genau dasselbe. In der Rüstungsproduktion machst du dich an einem Krieg mitschuldig. Es ist in jedem Fall die Beteiligung an etwas Schrecklichem. Ich will das nicht, auch nicht für gutes Geld.

Cüneyt Sentürk [Photo: WSWS]

Cüneyt Sentürk arbeitet seit 40 Jahren bei Ford. Angesichts der aktuellen politischen und ökonomischen Entwicklung macht er sich große Sorgen.

Cüneyt Sentürk: Was passiert auf der Welt? Was passiert in Europa? Was passiert in Deutschland? Wenn man sieht, was in den letzten vier Jahren auch wirtschaftlich passiert ist, dann wird man schon nachdenklich. Ich lebe hier in Deutschland; groß geworden bin ich in der Türkei.

Deutschland war immer eine Supermacht was Industrie und Wirtschaft betrifft. Jetzt werden überall Werke geschlossen, vor allem (wenn auch nicht nur) in der Autoindustrie. Das war bisher die große Säule von Deutschland. Und wenn die wackelt, dann wackelt auch alles andere und man merkt es überall, sei es beim Metzger, beim Schneider oder beim kleinen Bäcker an der Ecke: Überall droht die Insolvenz. Wie kommen wir aus diesem Loch heraus? Das ist die Frage.

Ich bin schon lange bei Ford, 40 Jahre, und ich habe auch einige schlechte Zeiten erlebt. Aber so wie das momentan ist, das gab es noch nicht. Das hört sich an, als wenn sich Ford aus Deutschland, aus Europa zurückziehen will.

Das ist echt schade, denn wir sind hier über Generationen hinweg eine große Gemeinschaft. Ich habe selbst zwei schulpflichtige Kinder. Die wollen demnächst eine Ausbildung oder ein duales Studium beginnen, am besten hier bei Ford. Ich könnte dann den Stab an sie weitergeben, denn in ein paar Jahren höre ich auf. Es ist dann so wie bei mir und meinem Vater, der hat hier auch 30 Jahre lang gearbeitet, die ganzen 1970er Jahre hindurch. Ich habe dann Mitte der 80er Jahre hier angefangen.

Das tut mir echt in der Seele weh, dass das hier langsam in den Abgrund stürzt, dass das hier in diese Richtung gesteuert wird. Die Menschen leiden darunter. Sie haben immer weniger Geld, alles wird teurer. Sie müssen jetzt immer den Groschen zweimal umdrehen. Du gehst mit einem Einkaufswagen in einen Supermarkt, kaufst für mehr als 100 Euro ein und du kannst noch den Boden vom Einkaufswagen sehen. Es ist einfach schlimm.

Es ist der Kapitalismus. Ja, man muss zusammenhalten. Ich hoffe, es kommt eine bessere Politik, so dass die Wirtschaft wieder aufgebaut wird. Das ist auch die Hoffnung kommender Generationen.

WSWS: War dein Vater auch an dem großen Streik 1973 beteiligt?

CS: Ja, natürlich, er hat 1969 bei Ford angefangen und war dann natürlich dabei. Davon habe ich noch alte Schwarz-Weiß-Fotos. Ich hoffe, dass der große Streik jetzt nicht kommt, dass es eine Einigung gibt. Aber Einigung hin oder her, wir wollen hier, dass die Wirtschaft wieder auflebt. Wir müssen wieder mehr produzieren, die Menschen müssen mehr Kaufkraft haben, das ist der einfache Wunsch von allen. Deshalb der Streik.

WSWS: Wir denken, dass der Streik mit dem Ziel geführt werden muss, die Arbeitsplätze zu verteidigen und nicht, um einen Sozialtarifvertrag zu ermöglichen.

CS: Genau, das ist es. Wir haben hier jahrelang gute Autos gebaut und dann sind wir hier mit zwei Elektrofahrzeugen einfach zum Abschluss gekommen. Die E-Autos, die die Leute wollen, können sie sich nicht leisten. Wer kann sich schon ein Auto für 50.000 Euro leisten, bei dieser wirtschaftlichen Lage? Aber selbst die, die sich die Autos leisten können, kaufen sie nicht. Deshalb gibt es hier diese Angst, Existenzangst.

Es ist ja nicht nur bei den Autos so. Man kann sich auch keine Wohnung mehr leisten. Ich guck jetzt gerade für die Tochter, die studieren will. Aber 1.200 € für eine 50 Quadratmeter Wohnung hier in Köln – wie sollen wir das machen? Ich muss aber die Tochter unterstützen, und bald kommt der Sohnemann und fragt seinerseits nach Unterstützung. Wie soll ich da bei Ford aufhören?!

WSWS: Wir schlagen vor, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, unabhängig von den IG-Metall-Betriebsräten und -Funktionären. Diese Komitees werden die Beschäftigten nicht nur der Werke hier in Köln, sondern in ganz Deutschland, vor allem aber auch in anderen Ländern, im Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne gemeinsam organisieren, in den USA, in Rumänien, Spanien. Was denkst du dazu?

CS: Ja, das ist es, was man machen muss: Gemeinsam sind wir stark. Es reicht nicht, wenn Deutschland alleine kämpft. Wir müssen alle zusammenhalten. Also ich bin auf jeden Fall dabei. Wir müssen eine Sprache sprechen.

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Wir rufen alle Ford-Arbeiter auf, sich mit dem Ford-Aktionskomitee in Verbindung zu setzen, um einen Kampf zur Verteidigung des Kölner Stammwerks vorzubereiten. Ein zweites Saarlouis darf nicht zugelassen werden. Schreibt uns eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 oder registriert Euch im Formular am Ende dieses Artikels.

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