Am Mittwoch gab der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seine erste Regierungserklärung ab. Sie war eine offene Kriegserklärung an die Bevölkerung. Merz’ Ausführungen machen unmissverständlich klar, dass seine Koalition mit der SPD die rechteste Bundesregierung seit dem Sturz des Dritten Reichs vor 80 Jahren ist.
Merz‘ Regierung treibt die militärische Aufrüstung massiv voran, um Deutschland – in den Worten von Verteidigungsminister Pistorius – wieder „kriegstüchtig“ zu machen. Im Inneren übernimmt sie die Flüchtlingspolitik der faschistischen AfD, plant einen historischen sozialen Kahlschlag und errichtet einen autoritären Polizeistaat, um diese Politik gegen die breite Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.
Bezeichnenderweise begann Merz seine Rede mit einem Lob auf die Kriegs- und Aufrüstungspolitik seines Vorgängers Olaf Scholz (SPD). Die von ihm geführte Ampelkoalition habe „Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt“, ihre Reaktion auf den Krieg in der Ukraine sei „wegweisend“ und „historisch“.
Merz stellte klar, dass seine Regierung die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ vertiefen wird. Im Zentrum steht die Eskalation des Krieges gegen Russland, die Aufrüstung der Bundeswehr und die Militarisierung Europas unter deutscher Führung – mit dem Ziel, weltweit die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen des deutschen Imperialismus durchzusetzen.
Zur Rechtfertigung des Kriegskurses bediente sich Merz übler antirussischer Kriegspropaganda im Stil der Nazis. Russland habe „mit allen Regeln gebrochen“, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa galten. Russische Truppen würden „wüten“, „täglich Frauen und Kinder, Zivilisten und Soldaten“ töten.
Der Ausgang des Krieges, so Merz, entscheide „nicht nur über das Schicksal der Ukraine“, sondern darüber, „ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa und der Welt – oder Tyrannei, militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren“.
Der russische Einmarsch in die Ukraine ist reaktionär, aber es sind die imperialistischen Mächte, die diesen Krieg provoziert und eskaliert haben. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie hat die NATO Russland militärisch eingekreist. Nun treiben vor allem die führenden EU-Staaten – allen voran Deutschland – die Eskalation immer weiter voran, um ihre räuberischen Interessen durchzusetzen.
Es geht nicht um Frieden oder internationales Recht, sondern um den Aufbau einer neuen imperialistischen Kriegsordnung. Ziel ist es, die Ukraine vollständig zu kontrollieren, Russland auf den Status einer Halbkolonie herabzudrücken und die Herrschaft über die rohstoffreiche und geostrategisch zentrale eurasische Landmasse zu errichten.
Die Ambitionen des deutschen Imperialismus reichen weit über Osteuropa hinaus. Merz erklärte, man sehe in Chinas Politik „Elemente systemischer Rivalität“ und betrachte „die gewachsene Nähe zwischen Peking und Moskau mit Sorge“. Die „Indo-Pazifik-Region“ sei „von großer Bedeutung“, insbesondere mit Blick auf „freie Seeschifffahrt und sichere Handelsrouten“. Man werde sich dort künftig „stark engagieren“.
Wie in der Vergangenheit geht die deutsche Weltmachtpolitik mit Völkermord einher. In seiner Rede erklärte Merz die „Sicherheit und Existenz Israels“ zur „deutschen Staatsräson“ und bekannte sich zur Unterstützung des Genozids an den Palästinensern. „Wir stehen unverbrüchlich an der Seite Israels“, versicherte er, während das Netanjahu-Regime die systematische Vernichtung und Vertreibung der Bevölkerung Gazas vorantreibt.
Um diese imperialistischen Ziele zu verwirklichen, rüstet Deutschland massiv auf. Die im März von Union und SPD beschlossenen Kriegskredite – unterstützt von Grünen und Linkspartei – sind nur mit den Aufrüstungsprogrammen vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vergleichbar. Eine Änderung des Grundgesetzes erlaubt es nun, sämtliche Militärausgaben über ein Prozent des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen – die Kriegsausgaben können unbegrenzt steigen.
Merz verkündete, man werde „die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas“ machen. Selbst wenn man die türkische Armee mit 355.000 aktiven Soldaten und 379.000 Reservisten außen vor lässt, würde dies eine Aufstockung der Bundeswehr von derzeit 181.000 auf mindestens 300.000 Mann bedeuten. So groß soll nach derzeitiger Planung die polnische Armee in zehn Jahren sein. Ohne Wiedereinführung des Zwangs zum Wehrdienst ist dies nicht möglich.
Am Donnerstag erklärte Außenminister Johann Wadephul (CDU) beim NATO-Treffen in der Türkei, er teile Trumps Einschätzung, dass Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung nötig seien – das entspräche 225 Milliarden Euro jährlich. Der aktuelle Verteidigungshaushalt liegt bei knapp 53 Milliarden Euro.
Merz machte kein Geheimnis aus dem Zweck dieser Aufrüstung: Europa solle unter deutscher Führung zu einer globalen Macht geformt werden, die sich an der imperialistischen Neuaufteilung der Welt beteiligt.
Als Bundesregierung werde man „unsere Energie darauf richten, Europa einen großen Schritt voranzubringen in einer Zeit, in der wir als Kontinent unsere Stellung in der Welt neu vermessen und verteidigen müssen“, sagte er. Europa blicke „heute auf Deutschland“ und „die neue Bundesregierung“ nehme „diese Verantwortung an“. Man werde einen „Nationalen Sicherheitsrat“ schaffen, um in Krisen „schnell handlungsfähig“ zu sein.
Mit anderen Worten: kriegsfähig. Merz machte deutlich, dass ganze Generationen junger Menschen wieder als Kanonenfutter für den deutschen Imperialismus verheizt werden sollen. „Freiheit“ – also imperialistische Interessen – müsse auch mit dem Leben verteidigt werden. Man müsse die „Einsatzbereitschaft“ der Bundeswehr verbessern und werde deshalb „zunächst einen neuen, attraktiven freiwilligen Wehrdienst schaffen“. Es gebe „viele junge Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen für Deutschland, seine Wehrhaftigkeit und Sicherheit“, behauptete Merz.
In Wahrheit ist die Ablehnung von Militarismus und Krieg gerade unter jungen Menschen enorm. Deshalb bereitet die Regierung längst Maßnahmen zur Zwangsrekrutierung vor. Verteidigungsminister Pistorius erklärte im Bundestag unmissverständlich: „Die Betonung liegt auf ‚zunächst‘, falls wir nicht hinreichend Freiwillige gewinnen können.“ Der Dienst werde „sinnstiftend“ sein und zur Schaffung einer „einsatzbereiten Reserve“ beitragen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Finanziert werden soll die Großmachtpolitik durch massive Angriffe auf die Arbeiterklasse. „Deutschlands Sicherheit und Gestaltungskraft“ hänge „von wirtschaftlicher Stärke“ ab, so Merz. Man werde „alles daransetzen, Deutschlands Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen“. Konkrete Maßnahmen nannte er nur wenige – darunter die Abschaffung des Bürgergelds und „Anreize“ für längere Arbeitszeiten –, doch die Marschrichtung ist klar: Als Vorbild dienen die USA, wo das Trump-Regime im Interesse der Finanzoligarchie Sozialausgaben kürzt und alle verbliebenen Errungenschaften zerstört.
Die Durchsetzung dieser Politik erfordert – wie in der Vergangenheit – den Aufbau eines autoritären Staats. Merz pries Polizei und Sicherheitsbehörden, kündigte deren Ausbau an und richtete sich mit repressiver Rhetorik gegen alle Gegner des Gaza-Genozids. Was sich „auf den deutschen Straßen und in der deutschen Öffentlichkeit bis hinein in den Raum der Kunst und der Wissenschaft“ zeige, sei „beschämend“, polterte er. Gemeint ist die mehrheitliche Ablehnung des Massenmords in Gaza, die Merz als „Antisemitismus“ diffamiert.
Dass Merz so aggressiv auftritt, ist nicht nur der bedingungslosen Unterstützung durch die Grünen als aggressivste Kriegstreiber geschuldet, sondern vor allem auch der Rolle der Linkspartei. Sie stimmte im Bundesrat für die Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro und verhalf Merz anschließend im Bundestag zur schnellen Kanzlerwahl. Nun beschränkt sie sich auf leere Phrasen, um den Kurs der Regierung zu verschleiern und abzusichern und die enorme Opposition dagegen zu unterdrücken.
Die Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinnek, verlor in ihrer Rede im Bundestag bezeichnenderweise kein einziges Wort zur Aufrüstung oder Kriegspolitik, mit der sie in Wirklichkeit inhaltlich übereinstimmt. Stattdessen appellierte sie an Merz, in der Sozialpolitik mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten – in der diese seit Jahren den gleichen Klassenstandpunkt vertritt wie der Banker-Kanzler selbst. Ihre Rede schloss sie mit der so flapsigen wie dummen Ankündigung: „Wir werden hier in den nächsten vier Jahren richtig viel Spaß miteinander haben.“
Die Unterstützung aller etablierten Parteien – einschließlich der Linkspartei – sowie der Gewerkschaften für die Merz-Regierung macht deutlich: Der Kampf gegen Krieg, Aufrüstung und sozialen Kahlschlag erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) rief deshalb bereits in ihrer ersten Stellungnahme zur Regierungsbildung „zum Aufbau von Aktionskomitees in Betrieben und Nachbarschaften auf, die den Kampf gegen Massenentlassungen und Lohnkürzungen selbst in die Hand nehmen und mit dem Kampf gegen Krieg verbinden“.
Und sie erklärte:
Wir setzen dem wachsenden Nationalismus, dem Handelskrieg und der Aufrüstung die internationale Einheit der Arbeiter entgegen. Der Krieg kann nur gestoppt und die sozialen und demokratischen Rechte können nur verteidigt werden, wenn der Kapitalismus selbst abgeschafft und durch eine sozialistische Gesellschaft abgelöst wird, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen im Zentrum stehen. Die großen Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.