Der Parteitag der Linkspartei in Chemnitz zeigte sehr deutlich die Rolle der Partei als Friedhof jeder sozialen Bewegung von unten. Während Resolutionen und Reden nicht mit radikalen Phrasen sparten, um radikalisierte Jugendliche und Arbeiter anzusprechen, blieben sie bewusst schwammig, um die rechte Realpolitik der Partei abzudecken und die weitere Zusammenarbeit mit den Regierungen in Bund und Ländern zu ermöglichen.
Als im Februar Hunderttausende spontan auf die Straße strömten, um gegen die Zusammenarbeit des jetzigen Kanzlers Friedrich Merz mit der faschistischen AfD zu protestieren, konnte die Linkspartei davon profitieren. Weil sie sich als einzige Partei nicht an der Hetze gegen Geflüchtete beteiligt hatte und zumindest nominell gegen Aufrüstung und Krieg aufgetreten war, bekam sie nicht nur über vier Millionen Stimmen, sondern gewann auch zehntausende neue, meist junge Mitglieder.
Doch die Linkspartei mobilisierte diese Opposition gegen Faschismus und Krieg nicht, sondern erstickte sie. Als sich am Wahlabend abzeichnete, dass Merz zusammen mit der SPD die rechteste Regierung seit Hitler bilden würde, rief sie nicht zu Massendemonstrationen auf, sondern kündigte an, über eine Zusammenarbeit mit ihr verhandeln zu wollen. Schließlich stimmte die Partei im Bundesrat sogar dem Eine-Billion-Euro-Aufrüstungsprogramm der neuen Regierung zu und ermöglichte dann im Bundestag die schnelle Wahl von Merz zum Bundeskanzler.
Dieser Kurs wurde auf dem Parteitag fortgeschrieben. Schon im Vorfeld des Parteitags hatte es keine neuen Wahlen der Delegierten gegeben, so dass die große Mehrheit der Mitglieder, die erst in den letzten Monaten eingetreten waren, gar nicht repräsentiert war. Die Zusammenkunft der alten Delegierten war dann von vorne bis hinten choreografiert, so dass es zu keiner ernsthaften Diskussion über irgendein drängendes Thema kommen konnte.
Der Parteitag wurde immer wieder durch Musikacts unterbrochen, nach den Hauptreden wurde Disconebel versprüht und der Saal mehrmals in rotes Flackerlicht getaucht. Das Spektakel erinnerte mehr an eine Dorfdisco der 90er Jahre als an eine ernsthafte politische Veranstaltung unter Bedingungen der akuten Kriegsentwicklung, des Völkermords in Gaza und historischer Angriffe auf Löhne und Arbeitsplätze.
Das war eine bewusste Entscheidung. Die Party-Atmosphäre sollte es Parteivorstand und Präsidium erlauben, jede kontroverse Auseinandersetzung über diese Themen zu verhindern und Resolutionen durchzusetzen, die die Fortsetzung ihrer rechten Politik ermöglichen und gleichzeitig links klingen.
Dazu wurde mantramäßig die „Einigkeit“ der Partei beschworen und die Notwendigkeit betont, sich auf bestimmte Themen zu fokussieren. Die Kriegsvorbereitungen gegen die Atommacht Russland, der israelische Völkermord an den Palästinensern und die wachsenden Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten gehörten nicht dazu. Keiner der Hauptbeiträge von Partei- und Fraktionsspitze ging auch nur mit einem Wort auf diese zentralen Entwicklungen ein. Auch im Leitantrag sucht man Begriffe wie Russland, Ukraine, Gaza oder Weltkrieg vergeblich.
Stattdessen ist lediglich von Aufrüstung die Rede, der man sich entgegenstelle. Diese Aufrüstung wird nicht mit den deutschen Kriegsvorbereitungen gegen Russland oder den globalen Ambitionen des deutschen Imperialismus zusammengebracht. Die Linke behauptet sogar, die Regierung betreibe „Aufrüstung um der Aufrüstung willen“, als ob Merz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nicht offen erklärt hätten, dass sie innerhalb von drei bis fünf Jahren fähig sein wollen, einen Krieg gegen Russland zu gewinnen.
Während der Leitantrag jede konkrete politische Entwicklung umschifft, strotzt er nur so von linken Phrasen, die aber in keiner Hinsicht konkret oder bindend sind. So bezeichnet sich die Linke immer wieder als „organisierende Klassenpartei“ oder „sozialistische Mitgliederpartei“, die sich in der „Arbeiter*innenklasse“ verwurzeln müsse etc.
Nichts davon hindert die Parteiführung daran, die Kriegspolitik der Bundesregierung zu unterstützen, Merz schnelle Wahl zum Kanzler zu ermöglichen oder in den Ländern Abschiebungen und Sozialangriffe zu unterstützen. Diese Phrasen dienen nur dazu, junge Menschen, die nach einer sozialistischen Alternative suchen, an diese im Kern durch und durch rechte Partei zu binden und echten Widerstand damit im Keim zu ersticken.
Besonders deutlich wird dieser Eiertanz in den Resolutionen, die zu bestimmten Themen eingebracht wurden und meist zuvor vom Parteivorstand aus mehreren Einzelanträgen formelmäßig zusammengeführt worden waren.
Der Antrag „Ohne Wenn und Aber: Sage Nein zu Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit!“ richtet sich in scharfen Worten gegen die Kriegskredite der Bundesregierung, denen die Linkspartei im Bundesrat selbst zugestimmt hat. Anders als beim letzten Parteitag in Halle wendet sich die Partei nun auch explizit „gegen Waffenlieferungen in die Ukraine“. Schließlich heißt es sogar: „Die Linke steht in der Tradition der beiden Antimilitarist*innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.“
Die beiden großen Revolutionäre dürften sich im Grabe umdrehen. Sie waren gerade bekannt dafür, Ross und Reiter zu nennen, die Machenschaften des deutschen Militarismus schonungslos aufzudecken und die Arbeiterklasse gegen die Wurzel der Kriegspolitik zu mobilisieren: den Kapitalismus.
Im Beschluss der Linkspartei fehlt hingegen jeder Hinweis auf die Nato-Provokation gegen Russland, die Rolle der Bundesregierung beim Schüren des Kriegs und die Großmachtambitionen der deutschen herrschenden Klasse. Alles wird ganz allgemein in einen „Machtkampf der Großmächte um geopolitische Interessen, Rohstoffe und Absatzmärkte“ aufgelöst. Deutschland wird nicht als eine solche Großmacht benannt, sondern es wird ganz im Gegenteil gefordert, das Land müsse eine „eigenständige Entspannungspolitik in Europa“ betreiben.
Damit schürt die Linkspartei nicht einfach die Illusion, dass unter kapitalistischen Bedingungen eine friedliche Welt möglich sei und die herrschende Klasse dazu gebracht werden könne, eine „Entspannungspolitik“ zu verfolgen. Die Partei verwendet diese Phrasen vielmehr, um sich selbst in die Kriegspolitik zu integrieren.
Nur drei Tage nach dem Parteitag begrüßte der Parteivorsitzende Jan van Aken in der Talksendung Maischberger überschwänglich die Kiew-Reise von Bundeskanzler Merz. „Es war richtig, dass er gleich als erste Aktion gemeinsam mit Tusk, Starmer und Macron nach Kiew gefahren ist,“ so van Aken. „Das war genau der richtige Move. Wir sagen seit drei Jahren, man muss eigentlich mehr für Verhandlungen tun, und die haben endlich wieder das Heft des Handelns in die Hand genommen.“ Die vier Politiker hätten die schmutzigen Deals von US-Präsident Donald Trump mit Putin unterlaufen, freute sich van Aken.
Nachdem sie die schnelle Wahl des Bundeskanzlers unterstützt hat, feiert die Linkspartei jetzt seine Bemühungen, Trump auszustechen und die Ukraine unter europäische Kontrolle zu bringen. Merz Treffen in Kiew dient nicht dem Frieden, sondern der Eskalation des Kriegs gegen Russland, dem der Bundeskanzler sogar Taurus-Marschflugkörper überlassen will, um tief in russischem Kernland anzugreifen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Beschluss die Zustimmung der Partei zu den Kriegskrediten im Bundesrat zwar als „falsch“ bezeichnet, ein anderer Antrag, der den Rücktritt der zuständigen Minister und Senatoren fordert, aber ohne Mehrheit blieb. Besser kann man gar nicht auf den Punkt bringen, dass es sich bei den radikalen Phrasen nur um Feigenblätter für die rechte Politik der Partei handelt.
Das gleiche gilt für die Resolution „Vertreibung und Hungersnot in Gaza stoppen – Völkerrecht verwirklichen!“. Darin wird die Vollstreckung des internationalen Haftbefehls gegen den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und ein „(vollständiger) Rückzug der israelischen Armee aus Gaza“ gefordert. Eine „erneute militärische Besatzung und die Umsiedlung der gesamten Bevölkerung“ müsse durch internationalen Druck verhindert werden.
Dass das nicht mehr als Lippenbekenntnisse sind, macht die Partei klar, wenn sie gleichzeitig den Beschluss vom Halleschen Parteitag bekräftigt, der das Selbstverteidigungsrecht Israels beschworen hat. Auch im aktuellen Antrag bezeichnet die Partei den bewaffneten Widerstand von Palästinensern gegen ihre jahrzehntelange Unterdrückung als „Terror“ und fordert einen beidseitigen Waffenstillstand. Nach wie vor weigert sich die Linkspartei, den Völkermord beim Namen zu nennen.
Bekräftigt wurde auch noch einmal, dass alle, die dem israelischen Apartheitsregime das Existenzrecht absprechen und für einen gemeinsamen, säkularen Staat mit gleichen Rechten für alle eintreten, keine Bündnispartner der Linken sein können. Angesichts dieser klaren Identifizierung mit dem Unterdrückungsregime unterscheidet sich die Kritik an den Gräueltaten der israelischen Regierung durch die Linkspartei nicht von den folgenlosen Mahnungen der Bundesregierung, wenn sie den nächsten Waffendeal unterzeichnet.
Insgesamt konnten der Klamauk und die linken Phrasen des Parteitags den rechten Charakter der Partei nicht verdecken. Die Landesvorsitzende der Linkspartei Sachsen erklärte schon in der Eröffnungsrede, dass die Linke als „verantwortungsvolle Opposition“ agieren müsse, wie sie das in Sachsen mit der Tolerierung der CDU-SPD-Regierung bereits vormache. „Was wir jetzt nicht brauchen, ist dieses alberne Spiel Eene-Meene-Mu, ich bin viel linker als du“, rief sie unter dem Applaus der Delegierten.
Der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, nutzte seine Rede, um für ein Bündnis mit der reaktionären katholischen Kirche zu werben, weil Papst Leo X. in seiner Antrittsrede das Gleiche gesagt habe, „was die Linke in Deutschland sagt“.
Das bringt den Charakter des Parteitags auf den Punkt. Wie der Vatikan steht die Linkspartei rechts und drischt nur dann linke Phrasen, wenn es darum geht, eine Bewegung von unten zu ersticken und sie von einer wirklich sozialistischen Perspektive abzuschneiden.
Wer ernsthaft gegen Krieg und Faschismus kämpfen will, kann das nicht in dieser verkommenen Partei machen. Es braucht eine wirklich sozialistische Perspektive, die der Kriegspolitik und dem wachsenden Nationalismus die internationale Einheit der Arbeiter im Kampf gegen den Kapitalismus entgegensetzt. Diese Perspektive verkörpern die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien der Vierten Internationale. Registriert Euch jetzt, um mit uns in Kontakt zu treten und diese Fragen zu diskutieren.