24-Stunden-Streik bei Ford in Köln

Wir rufen alle Ford-Arbeiter auf, sich mit dem Ford-Aktionskomitee in Verbindung zu setzen, um einen Kampf zur Verteidigung des Kölner Stammwerks vorzubereiten. Ein zweites Saarlouis darf nicht zugelassen werden. Schreibt uns eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 oder registriert Euch im Formular am Ende dieses Artikels.

Gestern Morgen endete der 24-stündige Streik bei Ford in Köln, zu dem die IG Metall aufgerufen hatte. Die Gewerkschaft und der von ihr geleitete Betriebsrat wollen den Ausstand für ihre Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag nutzen. Die Beschäftigten zeigten dagegen, dass sie bereit sind, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen.

24-Stundenstreik bei Ford in Köln, 14. Mai 2025 [Photo: WSWS]

Letzte Woche hatten sich über 95 Prozent der IG-Metallmitglieder – neun von zehn der 11.500 Beschäftigten – für einen unbefristeten Vollstreik ausgesprochen.

Das Management möchte bis Ende 2027 erneut 2900Arbeitsplätze streichen, obwohl der Abbau aus der letzten Vereinbarung mit der IG Metall noch nicht beendet ist. 2023 war im Rahmen des Restrukturierungsplans „Ford Future“ der Abbau von 2300 Stellen bis Ende dieses Jahres vereinbart worden. Jetzt soll fast jede vierte Stelle vor allem in den Bereichen gestrichen werden, die nicht zwingend für die Produktion von Elektroautos gebraucht werden.

Doch aktuell laufen in Köln so wenige Autos vom Band, dass die Produktion theoretisch von zwei Schichten auf eine gesenkt werden könnte. Das hätte den Verlust von „800 bis 1000 weiteren Stellen“ zur Folge, sagt Betriebsratschef Benjamin Gruschka.

Gruschka warnt davor, dass das gesamte Werk vor dem Aus steht. Denn nachdem der US-Mutterkonzern die sogenannte Patronatserklärung aufgekündigt hat und nicht mehr für seine europäischen Töchter bürgt, droht die Insolvenz der Ford-Werke GmbH und damit das Ende einer hundertjährigen Tradition. Der deutsche Ford-Ableger war 1925 in Berlin gegründet worden und hatte 1931 die Produktion in Köln aufgenommen.

Betroffen wären neben dem Stammwerk in Köln-Niehl auch das Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich, das Werk im spanischen Almussafes sowie das Werk Saarlouis. Dort wird die Produktion des Focus im November eingestellt, übrig bleibt ein Restbetrieb mit 1000 Arbeitsplätzen.

Auch das Werk in Almussafes, das im ruinösen Bieterwettbewerb gegen Saarlouis „gewonnen“ hat, besitzt wie Köln keine Zusage für ein kommendes Modell. In Spanien arbeiten weniger als 3000 Beschäftigte, vor dem Bieterwettbewerb mit Saarlouis waren es noch über 6000.

Die IG Metall und ihr Betriebsrat hatten sofort nach der Kündigung der Patronatserklärung gefordert, nicht nur für 2.900, sondern für alle 11.500 Beschäftigten einen Sozialtarifvertrag zu vereinbaren, also schon jetzt das Vorgehen bei einer möglichen Werksschließung abzustimmen. Die IG Metall hat so klar gemacht, dass sie nicht für den Erhalt des Werks kämpft, sondern mit dem Management über dessen geregelte Schließung verhandelt.

Weil Ford sich aber weigerte, den Forderungen der IG Metall nachzukommen, setzte diese die Gespräche nach zwölf Terminen aus. Am Dienstag, einen Tag vor Beginn des Streiks, soll Ford ein neues Angebot vorgelegt haben. Die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen Kerstin Klein, erklärte: „Den Tagesstreik werden wir dennoch wie geplant durchführen, denn das Druckmittel des Arbeitskampfes werden wir nicht aufgeben, solange kein Gesamtpaket auf dem Tisch liegt.“

Während also IGM- und Betriebsrats-Funktionäre auf Schritt und Tritt betonen, dass sie kein Interesse an einem Arbeitskampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze haben, sondern die geregelte Abwicklung des Werks anstreben („Gesamtpaket“), haben Arbeiter WSWS-Reportern erklärt, dass sie bereit sind, für den Erhalt des Werks und der Arbeitsplätze zu kämpfen. Aber weil sie wissen, dass dies mit dem aktuellen Betriebsrat und der IG Metall unmöglich ist, warten nicht wenige, vor allem ältere Arbeiter, eigentlich nur noch auf die Abfindung.

Diese Haltung ist das direkte Ergebnis des Abbaus von Arbeitsplätzen und Löhnen, der seit vielen Jahren mit Unterstützung des Gewerkschafts- und Betriebsratsapparat stattfindet und nun im Zuge der Entwicklung hin zu Handelskrieg und Krieg forciert wird. Das beweist nicht, dass die Lage der Ford-Beschäftigten ausweglos ist, sondern dass man den Kampf zum Erhalt des Werks, der Löhne und Gehälter nur gegen den IGM- und Betriebsratsapparat führen kann.

Ford-Streik in Köln, August 1973. Streikende demonstrieren über die Werksbrücke [Photo: WSWS]

Es ist in dieser Hinsicht lehrreich, auf die Geschichte des Werks zu schauen, die vielen Arbeitern durch ihre Väter präsent ist, wie auch unsere Interviews verdeutlichen. Die meisten Medien haben den 24-Stunden-Streik vom Mittwoch als ersten Streik in der fast 100-jährigen Geschichte von Ford in Köln bezeichnet. Auch die IG Metall sieht das so. Aber das ist falsch.

Es stimmt zwar, dass die Gewerkschaft, abgesehen von einigen Warnstreiks, noch nie offiziell zum Streik aufgerufen hat. Aber im August 1973 gab es einen legendären Streik der meist türkischen Ford-Arbeiter.

Wie weltweit war die Militanz der Arbeiterklasse Ende der 1960er Jahre auch in Deutschland gewachsen. An den Septemberstreiks 1969 hatten sich mindestens 140.000 Arbeiter beteiligt, vor allem im Ruhrgebiet und im Saarland. Das Jahr 1973 war eines der letzten Jahre mit zahlreichen Arbeitskämpfen. 275.000 Arbeiter aus mindestens 335 Betrieben beteiligten meist an so genannten „wilden Streiks“. Sie hießen so, weil sich die Gewerkschaften weigerten, sie zu unterstützen.

Unmittelbarer Auslöser des Streiks bei Ford war die Entlassung von 574 Arbeitern aus der Türkei, die verspätet von ihrem Jahresurlaub zurückgekommen waren. Aufgrund der schwierigen Straßenverhältnisse ließ sich damals eine Autoreise aus der Türkei nur schwer kalkulieren. Zuvor war es ihnen deshalb erlaubt gewesen, den längeren Urlaub über Zusatzschichten auszugleichen.

Die Kollegen weigerten sich, die Arbeit der Entlassenen zu übernehmen, formierten Protestzüge über das Werksgelände und riefen zum Streik auf. Damals arbeiteten 31.500 Beschäftigte bei Ford, darunter 17.000 türkische zumeist als Hilfsarbeiter in der Endmontage.

Der Streik weitete sich aus, schnell beteiligten sich mehr als 20.000 Beschäftigte aller Nationen am Streik. Es wurde eine Streikleitung gewählt, die aus acht türkischen, zwei italienischen, zwei deutschen und einem jugoslawischen Arbeiter bestand. Sprecher und Gesicht des Streiks war der damals 30-jährige Baha Targün.

Die Streikenden stellten Forderungen auf, die über die Wiedereinstellung ihrer 300 Kollegen hinausgingen: eine D-Mark mehr Stundenlohn für alle, Senkung der Bandgeschwindigkeit, Erhöhung des Jahresurlaubs auf sechs Wochen, Abschaffung der unteren Lohngruppen, ein 13. Monatsgehalt, Lohnfortzahlung während der Streiktage und Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen gegenüber den Streikenden. Das Werk wurde besetzt, niemand kam ohne Genehmigung der Streikenden ins Werk.

Betriebsrat und IG Metall stellten sich gegen die kämpfenden Arbeiter. Sie beteiligten sich an der medialen Hetzkampagne gegen „Kommunisten“, „Agitatoren“, „Extremisten“ und „Ausländer“. Der Betriebsratsvorsitzende Ernst Lück hetzte in der Kölner Boulevardzeitung Express gegen „Radikale“.

In dem 47-köpfigen Ford-Betriebsrat befand sich nur ein Vertreter der türkischen Kollegen, Mehmet Özbagci, dem demonstrativ die Freistellung verweigert wurde. Da das Streikkomitee daher den Streik ohne Beteiligung des Betriebsrates und der IGM-Vertrauensleute leitete, versuchten diese sich die Forderungen zu eigen zu machen, um den Streik unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Als das ohne Erfolg blieb, wurde der Streik brutal niedergeknüppelt und zerschlagen. Nach sieben Tagen Streik zog eine zusammengezogene Schlägertruppe von 1000 Polizisten, rechtsextremen Schlägern, Mitgliedern des Managements und des Betriebsrates – darunter der Direktor der Kölner Ford-Werke und der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates – über das Werksgelände und schlugen mit brutaler Gewalt auf die Streikenden ein. Die Streikführer wurden gejagt und der Polizei überstellt. Mit Polizeigewalt wurden die Arbeiter wieder an die Fließbänder geführt. Fords Personaldirektor Horst Bergemann sprach anschließend von einem „vorbildlichen körperlichen Einsatz von Betriebsratsmitgliedern“.

Sechzig bis achtzig Arbeiter mussten ambulant, weitere 15 stationär im Krankenhaus behandelt werden. Das Landes-Innenministerium stellte Ford unter Beobachtung von Kriminalpolizei und Verfassungsschutz. 27 als „Rädelsführer“ Beschuldigte wurden verhaftet, weit über 100 Arbeitern wurde fristlos gekündigt, etwa 600 weitere kündigten unter dem Druck des Konzerns. Der Betriebsrat legte im Rahmen der viel gerühmten Mitbestimmung gegen keine einzige Entlassung Widerspruch ein. Streikführer Targün wurde später in die Türkei abgeschoben.

Wenn jetzt, 52 Jahre später, die IG Metall eine Handvoll der damals beteiligten Streikenden auf ihre Bühne holt, ist das zynisch. Der IG Metall-Apparat und sein Betriebsrat standen 1973 auf der Seite des Konzernmanagements, sie stehen auch heute dort.

Wie 1973 müssen sich auch heute die Ford-Beschäftigten unabhängig von den bürokratischen Apparaten organisieren, im Ford-Aktionskomitee, das diejenigen vereint, die den Interessen der Belegschaft verpflichtet sind und dafür kämpfen wollen.

Doch anders als 1973 muss der Kampf zur Verteidigung des Werks, der Arbeitsplätze und aller Errungenschaften ausgeweitet werden auf andere Werke, andere Branchen und Länder. Ford ist ein Konzern mit Hauptsitz in den USA und fast 50 Produktionsstätten in mehr als einem Dutzend Ländern. Anders als vor 52 Jahren ist die Kontaktaufnahme im Jahr 2025 mit Ford-Kollegen in Rumänien, Spanien, der Türkei und den USA in Sekundenschnelle möglich.

Nehmt Kontakt zum Ford-Aktionskomitee auf, das sich im Kampf gegen den Bieterwettbewerb zwischen Saarlouis und Almussafes gegründet hat. Schreibt uns eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 und füllt das folgende Formular aus, um jetzt aktiv zu werden.

Loading