US-Zollkrieg gegen China: angespannter 90-tägiger Waffenstillstand

Der Hafen von Shanghai im Mai 2013 [Photo by Bruno Corpet / undefined]

Die USA und China haben sich auf eine gegenseitige Senkung der Zölle für einen Zeitraum von 90 Tagen geeinigt. In dieser Zeit sollen Verhandlungen über die von US-Präsident Trump so bezeichneten „strukturellen Fragen“ in Bezug auf die größte und zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt stattfinden.

Die Märkte reagierten mit starken Kursanstiegen auf die Rücknahme der Zölle, die auf chinesische Waren in Höhe von 145 Prozent erhoben worden waren. Faktisch stellten sie ein Embargo dar. Trump warnte jedoch, er werde die Zölle wieder einführen, falls innerhalb von 90 Tagen keine Einigung erzielt werde, allerdings nicht in der bisherigen Höhe.

Er machte außerdem deutlich, dass die Zölle auf einzelne Waren wie Stahl, Aluminium und Autos beibehalten werden und dass er bald Zölle auf pharmazeutische Produkte ankündigen wird.

Das Abkommen sieht eine Senkung der US-Zölle auf chinesische Waren auf 30 Prozent vor. Es ist das Ergebnis von stundenlangen Verhandlungen am Wochenende in Genf zwischen dem US-Team unter der Leitung von Finanzminister Scott Bessent und dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer sowie dem chinesischen Team unter der Leitung von Vizepremier He Lifeng.

Der Betrag setzt sich zusammen aus dem zehnprozentigen US-Zoll auf alle Importe und dem 20-prozentigen Zoll, der angeblich verhängt wurde, um China aufzufordern, Maßnahmen gegen den Zustrom der Droge Fentanyl in die USA zu ergreifen. Zusammen mit den schon früher verhängten Zöllen beträgt der effektive Satz nun schätzungsweise 40 Prozent.

China hat erklärt, es werde seine Zölle auf US-Importe von 125 auf zehn Prozent senken. Daneben hat es zugestimmt, einige der Beschränkungen für den Export von kritischen Mineralien in die USA zu lockern, die als Reaktion auf Trumps Zölle eingeführt wurden.

Beide Seiten gaben Erklärungen ab, in denen sie die Einigung begrüßten.

US-Finanzminister Bessent, der die 145-prozentigen Zölle zuvor als „Embargo“ und „untragbar“ bezeichnet hatte, erklärte: „Wir wollen einen ausgewogeneren Handel, und ich glaube, beide Seiten sind entschlossen, dies zu erreichen. Keine der beiden Seiten will eine Entkopplung.“

In der Erklärung des chinesischen Handelsministeriums heißt es: „Wir glauben, dass fortgesetzte Konsultationen dabei helfen werden, Probleme zu lösen, die für beide Seiten im Bereich Wirtschaft und Handel von Bedeutung sind.“

Beide Seiten stellten das Abkommen als Sieg dar. Trump erklärte, er habe einen „vollständigen Neuanfang“ mit China organisiert. China äußerte sich nicht offiziell, aber der ehemalige Herausgeber der Global Times, Hu Xijin, bezeichnete das Abkommen in den sozialen Medien als „großen Sieg für China“.

Laut Einschätzung von internationalen Wirtschaftsexperten sahen sich die USA gezwungen, von ihrem Frontalangriff Abstand zu nehmen.

Alicia Garcia-Herrero, die Chefvolkswirtin für Asien bei der französischen Investmentbank Natixis, erklärte gegenüber der Financial Times: „Die USA haben zuerst geblinzelt. Sie dachten, sie könnten die Zölle fast unbegrenzt erhöhen, ohne Schaden zu nehmen, aber das hat sich als falsch herausgestellt.“

In einem Leitartikel der FT über die „angespannte Entspannung“ hieß es, es gebe keine Garantie dafür, dass die dreimonatige Waffenruhe zu einem „dauerhaften Waffenstillstand“ führen würde. Zudem deute nichts darauf hin, dass die Verhandlungen zu einer Verringerung des US-Handelsdefizits mit China führen würden.

Weiter hieß es, es käme die Meinung auf, Trumps Rückzieher würde die Höhe der US-Zölle auf das Niveau verringern, das er im Wahlkampf angekündigt hatte –10 bis 20 Prozent für die meisten Länder und 60 Prozent für China.

„Angesichts der Drehungen und Wendungen der letzten Wochen kann man es den Märkten nicht verübeln, wenn sie das für ein gutes Ergebnis halten. Doch vor der Amtseinführung des Präsidenten war dies das Worst-Case-Szenario der meisten Analysten.“

Laut der FT fand während der IWF-Tagung im April ein geheimes Treffen zwischen Bessent und dem chinesischen Finanzminister Lan Fo'an im Keller der IWF-Zentrale in Washington statt, um über den Zusammenbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu diskutierten.

Als Trump am 2. April, den er als „Tag der Befreiung“ bezeichnete, massive Zollerhöhungen ankündigte, reagierte die Wall Street mit einem umfassenden Ausverkauf. Noch wichtiger war jedoch, dass es auch zu einem Ausverkauf am Markt für US-Staatsanleihen kam, der Wert des US-Dollars abstürzte und der Goldpreis auf ein Rekordhoch anstieg.

Diese Entwicklungen lösten in US-Finanzkreisen die Alarmglocken aus, weil sie im deutlichen Widerspruch zu dem standen, was üblicherweise unter so genannten normalen Bedingungen passiert.

Statt sich US-Vermögenswerten zuzuwenden, weil das Finanzkapital einen „sicheren Hafen“ sucht, gab es stattdessen ein Ausstieg aus dem Dollar. „Sell America“ wurde das vorherrschende Thema auf den Finanzmärkten, was die langfristige Überlebensfähigkeit des Dollars als globale Reservewährung in Frage stellte.

Als Reaktion auf die Einigung stiegen die Kurse an der Wall Street – der S&P 500 am Montag um 3,3 Prozent. Dennoch ist keines dieser Probleme verschwunden.

Das Wall Street Journal, das Teile der amerikanischen herrschenden Klasse repräsentiert, welche die Zölle ablehnen, schrieb in einem Leitartikel: „Selten wurde eine Wirtschaftspolitik so gründlich und so schnell zurückgewiesen wie die Zölle, die Präsident Trump am Tag der Befreiung angekündigt hatte – und zwar von Mr. Trump selbst.“

Er wies darauf hin, dass die Wirtschaft nach den wochenlangen Marktturbulenzen mit höheren Kosten und größerer Unsicherheit behaftet sei. Obwohl Verhandlungen „angeblich mit Dutzenden von Ländern im Gange“ seien, gebe es bisher „kaum Anzeichen für die substanziellen Handelsabkommen, die Mr. Trump verspricht“.

Allerdings deutete der Leitartikel kein Nachlassen in dem beginnenden Krieg gegen China an. Er sprach sich vielmehr dafür aus, andere, militärische Methoden intensiver zu entwickeln, um die Vormachtstellung der USA zu erhalten.

Er stellte fest, dass Trumps Vorgehen seinen Chancen geschadet hat, eine Einheitsfront von Ländern gegen Peking aufzustellen. Indem er Verbündete mit Zöllen bedrohe, habe er „das Vertrauen in Amerikas wirtschaftliche und politische Zuverlässigkeit beschädigt“.

Zudem hätten konkrete Erfahrungen gezeigt, dass Washington „in einer Krise, wie etwa einer chinesischen Blockade oder einer Invasion Taiwans, nur schwer Wirtschaftssanktionen verhängen kann“.

„Wenn das Zoll-Fiasko zu einem Hoffnungsstreifen geführt hat, dann ist es die rechtzeitige Mahnung an den Kongress, sich wieder ernsthaft um militärische Abschreckung zu kümmern.“

Diese Kommentare verweisen auf die grundlegenden objektiven Probleme in diesem Konflikt. Für die USA ist die Unterdrückung des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas eine existenzielle Frage, wenn sie ihre globale Vorherrschaft aufrechterhalten wollen.

Doch wenn sich dieses Ziel angesichts des integrierten Charakters der Weltwirtschaft nicht mit wirtschaftlichen und finanziellen Mitteln erreichen lässt – und das ist aufgrund des enormen Schadens, der der US-Wirtschaft selbst zugefügt wurde, eindeutig nicht möglich – dann müssen zunehmend andere, brachiale Methoden eingesetzt werden.

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