Die Wahl von Kardinal Robert Prevost zum Papst Leo XIV. ist eine kalkulierte politische Entscheidung der katholischen Kirche, und es ist keine von theologischen Fragen bestimmte Wahl. Prevost wurde als die Persönlichkeit ausgewählt, die am ehesten in der Lage ist, inmitten einer beispiellosen globalen Krise neues Vertrauen in den Kapitalismus zu erzeugen.
Trumps zweite Amtszeit ist von Drohungen mit neokolonialer Eroberung und globalem Krieg im Ausland und Massendeportationen und faschistischer Reaktion im Inland bestimmt. Vor diesem Hintergrund positioniert sich die katholische Kirche als „moralisches“ Gegengewicht zur nackten oligarchischen Herrschaft, die jetzt das Zentrum des globalen Kapitalismus beherrscht.
Mit offiziell 1,4 Milliarden Gläubigen weltweit - fast die Hälfte davon in Amerika und 20 Prozent in den schnell wachsenden afrikanischen Ländern - sind die katholischen Kirchen nach wie vor ein wichtiges Bollwerk des kapitalistischen Status quo. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Eindämmung des Klassenkampfes und helfen, die Radikalisierung der Arbeiterklasse in einem Großteil der Welt zu unterdrücken.
Trotz tiefer Spaltungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche hat Prevost Berichten zufolge breite Unterstützung von Kardinälen aus ganz Lateinamerika, den USA, Europa, Asien und Afrika erhalten. Seine Mehrsprachigkeit - Spanisch, Italienisch, Französisch, Portugiesisch und Englisch - sowie seine doppelte US-amerikanisch-peruanische Staatsbürgerschaft und seine Führungsrolle in beiden Ländern wurden als ideale Qualitäten angesehen. Sie zahlen ein auf die Bemühungen der Kirche, in die Weltpolitik einzugreifen, indem sie die Unzufriedenheit der Bevölkerung sowohl in den fortgeschrittenen als auch in den unterdrückten Ländern kanalisiert.
Trumps Lob in den sozialen Medien für Prevost – „Eine große Ehre für unser Land“ – verschleiert die zugrunde liegenden Spannungen. Prevost hat öffentlich Trumps Massendeportationen und die Leugnung des Klimawandels kritisiert und sich auch gegen die Versuche von US-Vizepräsident JD Vance gewandt, die Verfolgung von Zugewanderten mit einer mittelalterlich geprägten Form der katholischen Lehre zu rechtfertigen. Zuvor hatte Prevost Trumps „Bad Hombres“-Rhetorik als rassistisch verurteilt. Prevosts Verteidigung der Rechte von Migranten - die bei den meisten Arbeitern auf der ganzen Welt auf Resonanz stößt – könnte Washingtons Möchtegern-Führer beschädigen.
Die Wahl von Prevost spiegelt auch die Sorge der Kirche über die zunehmenden nationalistischen Spaltungen und Konflikte innerhalb des von den USA geführten imperialistischen Blocks wider. Wie der Theologe Miguel Perez der Huffington Post sagte, hat Prevost „immer von Brücken und Dialog gesprochen, von der Überwindung von Konfrontationen, in einem Kontext, in dem der Multilateralismus beschädigt wird, insbesondere durch Führungspersönlichkeiten wie Trump“.
Unter den europäischen Mächten, sofern sie bei der Auswahl von Prevost konsultiert wurden, besteht zweifellos die Hoffnung, dass der Papst ein Verbündeter in ihrem Konflikt mit der Trump-Regierung sein könnte.
Elise Ellen, Vatikan-Analystin bei CNN, beschrieb den neuen Papst als „ruhigen und ausgewogenen“ Zentristen, der „ausgleichend“ wirke und eine „außergewöhnliche Führungspersönlichkeit“ darstelle. Sie brachte damit zum Ausdruck, dass der neue Papst in Teilen der amerikanischen Führungsschicht generell positiv betrachtet wird. Trumps ehemaliger Chefberater, der Faschist Steven Bannon, bezeichnete die Wahl hingegen als „unfassbar“, da Prevost sich zuvor kritisch über die Trump-Regierung geäußert hatte.
Eine weitere politische Überlegung, die hinter Prevosts Wahl steht, ist das Bemühen, den wachsenden sozialen Unmut breiter Bevölkerungsschichten in der ganzen Welt irgendwie einzudämmen.
In seinem Eröffnungsgebet, das er auf Spanisch und Italienisch sprach, warnte Prevost vor einem „dritten Weltkrieg“, wobei er die Ukraine und die Spannungen zwischen Indien und Pakistan anführte. Er forderte für den Gazastreifen einen „Waffenstillstand“ und „echten Frieden“. In einem Appell an die Arbeiter und die Armen, die aufgrund von Digitalisierung und ökologischem Kollaps ihren Arbeitsplatz verlieren, ging er direkt auf die durch KI verursachte Ungleichheit und Klimakatastrophen ein.
Der von Prevost gewählte Name beruft sich auf das Erbe von Papst Leo XIII. Mit seiner Enzyklika Rerum Novarum von 1891 versuchte Leo XIII., dem Einfluss des Marxismus während der Industrialisierung um die Jahrhundertwende entgegenzuwirken. Das Dokument befürwortete Gewerkschaften und gerechte Löhne, verurteilte aber gleichzeitig Sozialismus und Revolution. Es heißt darin: „So wenig das Kapital ohne die Arbeit, so wenig kann die Arbeit ohne das Kapital bestehen. Eintracht ist überall die unerläßliche Vorbedingung von Schönheit und Ordnung; ein fortgesetzter Kampf dagegen erzeugt Verwilderung und Verwirrung.“
Durch die Darstellung des Klassenkonflikts als moralische Frage, die durch einen von der Kirche vermittelten Dialog gelöst werden kann, versuchte das Rerum Novarum, die Arbeiter vom Klassenkampf und vom Marxismus abzulenken, der die inneren Widersprüche des Weltkapitalismus, die zu extremer Ungleichheit und anderen sozialen Übeln führen, wissenschaftlich aufzeigt. „Die Anhäufung von Reichtum an einem Pol ist zugleich die Anhäufung von Elend, von Qualen der Arbeit, von Sklaverei, von Unwissenheit, von Brutalität, von geistiger Entwürdigung, am entgegengesetzten Pol“, erklärte Marx im Kapital.
Das Pontifikat von Prevost ist eine bewusste Wiederbelebung der Strategie seines Vorgängers gleichen Namens. Prevost lobt den „Einsatz für soziale Gerechtigkeit“, der vom Rerum Novarum ausgeht. Gleichzeitig hält er die Unantastbarkeit des Privateigentums hoch - eine Haltung, die in der ausdrücklichen Ablehnung des Sozialismus durch den Katechismus bzw. die offizielle Lehre der Kirche verankert ist.
Auch wenn er sich als Reformer ausgibt, wurde Prevost gewählt, um das Bündnis der Kirche mit dem Kapital besser aufrechtzuerhalten und zu pflegen sowie die eigenen Grundbesitz- und Finanzinteressen der Kirche zu schützen. Folglich beschränken sich so genannte „progressive“ Vertreter wie Prevost stets auf leere Phrasen und ohnmächtige moralische Appelle an eine unersättliche kapitalistische Klasse, so etwa seine umständlichen Forderungen nach einer KI-Ethik, die sich auf die „Menschenwürde“ konzentriert, und nach „Einbeziehung“ und „Zuhören“ in Bezug auf Jugendlichen und Randgruppen.
Die Erhebung von Persönlichkeiten wie Prevost und seinem verstorbenen Mentor und direkten Vorgänger im Amt Papst Franziskus (Jorge Mario Bergoglio) sind nur die jüngsten Beispiele für die historische Rolle der Kirche als „loyale Opposition“: Sie kritisiert Krieg und soziale Verschlechterung und hält gleichzeitig die kapitalistische Ordnung aufrecht, aus der diese Übel unweigerlich hervorgehen.
Im Europa des 19. Jahrhunderts förderte die Kirche beispielsweise „christliche Arbeitervereinigungen“, die mit den sozialistischen Gewerkschaften konkurrierten und die angestrebte Eintracht zwischen Arbeitern und Arbeitgebern betonten. Das deutsche Kolpingwerk und die italienische ACLI nutzten dieses Modell, um die Einheit der Arbeiterklasse zu zerstören.
Während lateinamerikanische Befreiungstheologen der 1960er Jahre wie Gustavo Gutiérrez den Klassenkampf befürworteten, unterdrückte der Vatikan radikale Elemente. Als „Papst des Schmutzigen Krieges“ prangerte Bergoglio selbst die „ideologische Kolonisierung“ der Kirche an und unterstützte innerhalb der Kirche das „Verschwindenlassen“ von radikalen Gegnern der argentinischen Diktatur.
Die Enzykliken nach dem Rerum Novarum, darunter Quadragesimo Anno (1931) und Centesimus Annus (1991), verfeinerten die reformistische Rhetorik des „dritten Weges“ der Kirche, die sowohl den Sozialismus als auch den uneingeschränkten Kapitalismus anprangert und gleichzeitig das Privateigentum verteidigt.
Trotz seines Lebenslaufs, zu dem auch die Kritik an den „Ungerechtigkeiten“ unter dem verstorbenen peruanischen Diktator Alberto Fujimori gehört, geriet Prevosts Image als „Progressiver“ schnell in die Kritik. Dies beruht zunächst auf Berichten, wonach er sich geweigert hatte, die Vertuschung von sexuellem Missbrauch durch Geistliche in Peru und Chicago anzugehen.
Zuletzt berichteten 2022 drei Frauen aus Peru dem damaligen Bischof Prevost, dass zwei Priester seiner Diözese sie als Minderjährige im Jahr 2004 sexuell missbraucht hätten. Die Frauen führen heute an, Prevost habe es versäumt, eine gründliche Untersuchung einzuleiten, die Zivilbehörden nicht angemessen informiert und den beschuldigten Priestern keine Beschränkungen auferlegt.
KI-gesteuerte Arbeitsplatzverluste, Klimakatastrophen, Völkermord und imperialistische Kriege sind Teil eines Systems, das dem Profit Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen einräumt. Prevosts pazifistische Appelle und moralische Verurteilung von Ungleichheit und faschistischer Reaktion zielen darauf ab, die tiefen Wurzeln dieser sozialen Probleme im Kapitalismus zu verschleiern.
Doch selbst die dürftigen Reformen, die in einer früheren Epoche durch religiöse oder bürgerliche Institutionen vermittelt wurden, um dem revolutionären Bewusstsein entgegenzuwirken, werden heute von den herrschenden Eliten, die mit einem viel fortgeschritteneren Stadium der Krise des globalen Kapitalismus konfrontiert sind, rundweg abgelehnt.
Die Kirche selbst ist als Institution von mittelalterlichem Obskurantismus durchdrungen. Sie kann auf das Lauffeuer der Digitaltechnologien, welche die Arbeiter in jedem Winkel der Welt erreichen, nur reagieren, indem sie sich verzweifelt an den Frack der kapitalistischen Oligarchie klammert und all ihre reaktionären Dienste anbietet.
Die sich heute abzeichnende Welle von Streiks und Protesten - von den peruanischen Bergarbeitern bis zu den US-Automobilarbeitern - signalisiert das Aufkommen einer explosiven Welle im globalen Klassenkampf, die keine päpstliche Enzyklika eindämmen kann. Ein „echter Frieden“ und der Erhalt eines vernünftigen Lebensstandards sowie der Schutz des Lebens von Arbeitern überall erfordern den revolutionären Sturz des kapitalistischen Profitsystems unter der Führung der weltweiten trotzkistischen Bewegung - dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale.