Nahezu täglich mehren sich Meldungen über einen massiven Stellenabbau in der Autoindustrie. Die Zulieferindustrie wird durch Insolvenzen dezimiert. Große mittelständische Traditionsunternehmen schließen Werke oder verschwinden ganz. Tausende verlieren ihre Arbeitsplätze, das gesellschaftliche Leben ganzer Regionen ist betroffen.
Volkswagen und Mercedes melden im ersten Quartal Gewinneinbrüche bis zu 40 Prozent. Auch die anderen deutschen Hersteller verzeichnen deutliche Gewinnrückgänge: Audi 14,4 Prozent, BMW fast 26 Prozent und Porsche 40 Prozent.
Die großen Autokonzerne schreiben zwar nach wie vor schwarze Zahlen. Bei Mercedes lag der Quartalsgewinn bei 2,3 Milliarden Euro. Aber von den angestrebten zweistelligen Profitraten entfernen sie sich immer weiter. Deshalb planen sie ein Arbeitsplatzmassaker. Die Beschäftigten sollen dafür bluten, dass die Rendite wieder sprudelt. Wo dies wenig Aussicht auf Erfolg hat, steht das Überleben von Traditionsmarken wie Opel (Stellantis) und Ford auf dem Spiel.
Die Autokonzerne verweisen auf den erhöhten Konkurrenzdruck der chinesischen Autoproduzenten. In der Tat sind deren E-Modelle technisch aktueller, preiswerter und gerade in China bedeutend beliebter. Die bisherigen Marktführer VW, Toyota und Tesla mussten ihre Spitzenplätze in China an die heimischen Autohersteller abgeben.
Doch die wirklichen Gründe für den Frontalangriff auf Arbeitsplätze und -bedingungen liegen in der sich rasant verändernden politischen und ökonomischen Weltlage. Gerade die deutsche Autoindustrie ist stark exportorientiert, von globalisierten Lieferketten abhängig und daher von den drastischen Zöllen, die US-Präsident Donald Trump verhängt hat, besonders betroffen. „Die Anfang April in Kraft getretenen US-Zölle haben erste positive Geschäftsentwicklungen, insbesondere im europäischen Markt, quasi im Keim erstickt,“ sagt Ifo-Expertin Anita Wölfl.
Dabei haben sich bei den Gewinneinbrüchen im ersten Quartal die Folgen der hohen Zölle bisher nur zum geringen Teil bemerkbar gemacht. Doch sie werden gewaltig sein.
In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Überschrift „Deutschlands Autokonzerne taumeln durch die Weltpolitik“ heißt es, die von allen Seiten hereinbrechenden Probleme „verdichten sich für Deutschlands einstige Vorzeigebranche zu dem, was Führungskräfte gerne einen ‚perfekten Sturm‘ nennen“.
Die Vorstände von VW, Mercedes und BMW und das Finanzblatt FAZ sorgen sich nicht um das Schicksal der Autoarbeiter, sondern um ihre hochgesteckten Renditeziele. Daher fordert die FAZ einen radikaleren Kahlschlag. Es zeige „sich jetzt immer klarer, dass der Umbau der Branche noch ganz am Anfang steht. Die Aussichten sind unsicher, und die härtesten Einschnitte stehen den Unternehmen noch bevor.“
Diese harten Einschnitte kündigen sich bereits an. So hat Mercedes laut einem Bericht der Wirtschaftswoche in der ersten Mai-Woche im Rahmen des Sparprogramms „Next Level Performance“ zunächst 40.000 Beschäftigten im indirekten Bereich, also außerhalb der Produktion, per Mail Abfindungsangebote unterbreitet, um möglichst viele von ihnen aus dem Unternehmen zu drängen.
Die Wirtschaftswoche enthüllt, gestützt auf interne Dokumente, wie die Mitarbeiter unter Druck gesetzt werden. Hier zwei Zitate aus Mails an Mitarbeiter: „Ihr Job fällt weg, ihn wird es nicht mehr geben.“ Wolle jemand dennoch bleiben, werde ihm mitgeteilt, dass keine passende interne Stelle verfügbar sei. Oder noch direkter: „So ein Angebot kommt nie wieder. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie das annehmen wollen – wir haben schließlich keine Verwendung mehr für Sie.“
Mercedes beabsichtigt, bis 2027 5 Milliarden Euro einzusparen. Die Kahlschlagpläne von Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius (Jahresgehalt ca. 12,5 Millionen Euro) orientieren sich stark an denjenigen von VW, das Ende letzten Jahres mit der IG Metall die Vernichtung von bis zu 35.000 Arbeitsplätzen und die Senkung des Lohnniveaus um 20 Prozent vereinbart hat.
Der Betriebsratsvorsitzende Ergun Lümali, der in alle Pläne eingeweiht ist, hat im Wesentlichen seine Zustimmung signalisiert. Er ist der mächtige Mann der IG Metall bei Mercedes mit einflussreichen und gutdotierten Posten: Vorsitzender des Konzernbetriebsrats, des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats des Werks Sindelfingen, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Mercedes-Benz Group sowie Mitglied des dortigen Vermittlungsausschusses, Präsidialausschusses, Prüfungsausschusses und des Ausschusses für Rechtsangelegenheiten.
Auch bei Daimler Truck werden die Sparprogramme drastisch verschärft. Die Dimension des Stellenabbaus ist gewaltig, mittlerweile sollen 28.000 Jobs gestrichen werden. Damit würde mehr als jeder vierte der weltweit 103.000 Beschäftigten seinen Arbeitsplatz verlieren.
Diesmal heißt das Sparprogramm „Cost Down Europe“ und umfasst nahezu alle Unternehmensbereiche – von der Produktion, Verwaltung, Entwicklung bis zum Vertrieb. Selbst das größte Lkw-Montagewerk in Wörth ist davon betroffen, ebenso die Standorte Gaggenau, Kassel, Mannheim und Stuttgart. Insgesamt sollen mindestens eine Milliarde Euro eingespart werden, um die extrem hohen Profitmargen zu erreichen.
Die neue Vorstandschefin Karin Rådström (ihr Jahresgehalt wird auf 10 Millionen Euro geschätzt) und Aufsichtsratschef Joe Kaeser hatten bereits Ende 2024 ein Renditeziel über 12 Prozent für 2025 und danach über 15 Prozent versprochen. Laut Kaeser, dem ehemaligen Vorstandschef von Siemens (sein Jahresgehalt betrug zeitweise 14 Millionen Euro), ist das mit dem Ziel verbunden, „mittel- bis langfristig“ der größte Truck-Anbieter der Welt zu werden.
So wie sich der VW-Vorstand auf die Riege um Betriebsratschefin Daniela Cavallo stützt, kann sich Mercedes-Chef Källenius vollständig auf Lümali, die IG Metall und ihren von Mercedes gefütterten Funktionärsapparat verlassen. Källenius versichert bei jeder Gelegenheit, er werde den Kahlschlag „verantwortungsvoll und zusammen mit dem Betriebsrat“ durchsetzen.
Bei Volkswagen ruft die FAZ zum verschärften Klassenkampf von oben auf. Der im vergangenen Jahr vereinbarte Abbau von 35.000 Stellen sei nicht mehr als eine Absichtserklärung. „Sie muss jetzt mit Leben gefüllt werden.“ Scheitere das Management, wäre es der endgültige Beleg, „dass Deutschlands wichtigste Branche nicht in der Lage ist, sich für den globalen Wettbewerb zu rüsten“.
Laut unterschiedlichen Berichten, unter anderem in der Braunschweiger Zeitung vom 29. April, gibt es Pläne des Markenvorstandes, die Produktion im Osnabrücker Werk ganz einzustellen und das Werk zu schließen. Die Produktion des T-Roc Cabriolet soll nur noch bis Oktober 2027 laufen. Was aus dem Werk und den dort noch 2300 Beschäftigten wird, steht offen. Es gab jedoch mehrere Medienberichte, dass der Rüstungskonzern Rheinmetall starkes Interesse an dem Werk bekunde.
Die sogenannte „Transformation“ der Autoindustrie, die weltweit stattfindet, erweist sich als einziges Arbeitsplatzmassaker. Die Gewerkschaften – hier die IG Metall und in den USA die United Auto Workers (UAW) – stehen dabei vollständig auf der Seite der Konzerne.
In den USA befürwortet der Präsident der UAW, Shawn Fain, Trumps Zoll- und Handelskriegsraserei. Auf beiden Seiten des Atlantiks verteidigen die Gewerkschaften die nationalen Profitinteressen ihrer jeweiligen Konzerne und Regierungen und hetzen gegen China. Doch nicht die chinesischen E-Autos – oder gar die chinesischen Arbeiter, die noch bedeutend schlechter verdienen – sind das Übel, sondern der auf Profit basierende Kapitalismus.
Die Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung durch global operierende Konzerne, die erbittert um Marktanteile kämpfen, ist nicht Protektionismus im Dienste der „eigenen“ Kapitalisten, sondern die internationale Einheit der Arbeiter gegen den gemeinsamen Feind. Die Krise kann nur auf fortschrittliche Weise gelöst werden, wenn die Arbeiterklasse sich international zusammenschließt und den Kampf aufnimmt, die Konzerne zu enteignen und unter ihre demokratische Kontrolle zu bringen.
Um die Angriffe in der gesamten Autoindustrie zurückzuschlagen, ist es deshalb unumgänglich, mit der IG Metall und ihren Betriebsräten zu brechen und sich mit allen Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind zu kämpfen, zu Aktionskomitees zusammenschließen. Die Aktionskomitees müssen unabhängig von der IG Metall und nur der Basis verantwortlich sein, den Kampf selbst in die Hand nehmen und sich mit Aktionskomitees in anderen Werken, Unternehmen und Ländern vernetzen.
Dieser Kampf muss international geführt werden. Die Aktionskomitees müssen die Spaltung der Belegschaften nach Stamm- und Leihbeschäftigten, Standorten, Automarken und Ländern überwinden. In jedem Land sind Arbeiterinnen und Arbeiter den gleichen umfassenden Angriffen ausgesetzt. Der Angriff auf einen Teil der Belegschaft eines Weltkonzerns wie VW oder Mercedes ist ein Angriff auf die gesamte internationale Belegschaft. Deshalb müssen alle Aktionskomitees sich als Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), begreifen und weltweit eine gemeinsame Strategie verfolgen.
Kontaktiert uns, um in eurem Werk ein Aktionskomitee aufzubauen. Schreibt uns eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 und füllt das folgende Formular aus.