Indien und Pakistan, die rivalisierenden Atommächte Südasiens, stehen am Rande eines totalen Krieges. Ein solcher Konflikt wäre nicht nur für die 2 Milliarden Menschen in der Region, sondern für die ganze Welt katastrophal. Ein indisch-pakistanischer Krieg könnte schnell zu einer nuklearen Vernichtung eskalieren und andere Großmächte, insbesondere die Vereinigten Staaten und China, auf den Plan rufen.
Der pakistanische Verteidigungsminister Khwaja Asif hat wiederholt gewarnt, dass Pakistan – dessen Bevölkerung ein Sechstel und dessen Wirtschaft ein Zehntel der Größe Indiens beträgt – gezwungen sein könnte, sein Atomwaffenarsenal einzusetzen. Am vergangenen Mittwoch, nach Indiens groß angelegtem Raketenangriff, an dem über 75 Kampfflugzeuge – darunter auch moderne Rafale-Jets – beteiligt waren, erklärte Asif, wenn Indien „der Region einen totalen Krieg aufzwingt... dann kann jederzeit ein Atomkrieg ausbrechen“.
Erst am Samstag – nach vier Tagen intensiver grenzüberschreitender Raketenangriffe und Artilleriebeschuss in der umstrittenen Region Kaschmir, aber nicht nur dort – einigten sich Neu-Delhi und Islamabad auf einen Waffenstillstand. Ob die Waffenruhe, die US-Präsident Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social bekannt gab, Bestand haben wird, ist sehr fraglich.
Fast sofort beschuldigten sich beide Seiten gegenseitig, den Waffenstillstand zu verletzen, wobei jede Seite behauptete, ihm nachzukommen.
Indien beharrt darauf, dass alle Maßnahmen, die es ergriffen hat, nachdem es Pakistan für den Terroranschlag vom 22. April im indisch besetzten Kaschmir verantwortlich gemacht hat, in Kraft bleiben werden. Dazu gehört auch die Aussetzung von Indiens Teilnahme am Indus-Wasservertrag. Islamabad hat den Schritt als „Kriegshandlung“ verurteilt und vor einer Bedrohung der pakistanischen Landwirtschaft, Lebensmittelversorgung und des Stromnetzes gewarnt.
Sicher ist, dass die Welt dem ersten totalen Krieg zwischen atomar bewaffneten Staaten gefährlich nahe gekommen ist.
Diese Entwicklungen müssen als Teil eines umfassenderen Zusammenbruchs der globalen zwischenstaatlichen Beziehungen verstanden werden. Die internationale Geopolitik wird zunehmend beherrscht von eskalierenden Handelskonflikten, einem enormen globalen Rüstungswettlauf – angeführt von den Vereinigten Staaten und anderen imperialistischen Mächten –, dem Ausbruch regionaler Kriege, dem vom Imperialismus unterstützten Völkermord in Gaza und der „Normalisierung“ eines nuklearen Bellizismus.
Indien und Pakistan standen wiederholt vor Kriegskrisen – insbesondere in den Jahren 2016 und 2019, als Washington Neu-Delhis Bestrebungen unterstützte, „die Spielregeln zu ändern“, indem es illegale grenzüberschreitende Angriffe gegen Pakistan führte. Die militärischen Zusammenstöße der vergangenen Woche stellen jedoch die intensivsten seit Jahrzehnten dar. Sie beinhalteten groß angelegte Kampfjet-Duelle, Angriffe auf Luftverteidigungssysteme, sowie erstmals Drohnen- und grenzüberschreitende Raketenangriffe.
Indien und Pakistan haben absichtlich die roten Linien der jeweils anderen Seite überschritten. Indiens Angriff vom 6. und 7. Mai traf mehrere Ziele tief im pakistanischen Kernland Punjab. Als die Kämpfe eskalierten, nahmen beide Seiten Militärbasen ins Visier, darunter nach Angaben Islamabads ein Versuch Indiens, den Luftwaffenstützpunkt in der Nähe des pakistanischen Militärhauptquartiers in Rawalpindi anzugreifen. Berichten zufolge könnten eine oder beide Seiten ballistische Raketen eingesetzt haben, die taktische Atomsprengköpfe tragen können.
Beide Länder verfügen über taktische und strategische Atomwaffen, die in der Lage sind, die wichtigsten Bevölkerungszentren des jeweils anderen Landes auszulöschen. Als wäre das nicht schon beängstigend genug, ergab eine Studie aus dem Jahr 2008, dass selbst ein begrenzter Schlagabtausch mit „nur“ 100 Bomben von der Größe Hiroshimas – insgesamt 1,5 Megatonnen – einen katastrophalen globalen „nuklearen Winter“ auslösen könnte.
Wie Richard Rhodes in der 2012 erschienenen Ausgabe von The Making of the Atomic Bomb erklärte, würde ein nuklearer Schlagabtausch zwischen Indien und Pakistan
unweigerlich auf Städte mit brennbaren Materialien abzielen und [Feuerstürme auslösen, die] riesige Mengen schwarzen Rauchs in die obere Atmosphäre blasen würden, der sich rund um die Welt ausbreiten und die Erde lange genug und ausreichend abkühlen würde, um einen weltweiten Zusammenbruch der Landwirtschaft zu verursachen.
Schätzungsweise 20 Millionen Menschen würden sofort an den Folgen der Explosionen, des Feuers und der Strahlung sterben, gefolgt von bis zu einer Milliarde Menschen, die an der folgenden Hungersnot sterben würden.
Arbeiter sollten die Bemühungen des faschistischen US-Präsidenten Trump und seiner Lakaien, sich mit verspäteten Aufrufen zur Deeskalation des indisch-pakistanischen Konflikts zynisch als Verfechter des Friedens darzustellen, mit Verachtung strafen.
Nicht nur unterstützt die Trump-Regierung Israels Bestrebungen, den Völkermord im Gazastreifen durch erneute militärische Angriffe und gezieltes Aushungern zu vollenden, sie droht auch dem Iran mit „Auslöschung“, eskaliert die Konfrontation mit China und arbeitet auf einen Verteidigungshaushalt von einer Billion Dollar hin. Die Rolle des US-Imperialismus ist in Südasien – wie überall sonst – brandgefährlich.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat Washington der Einbindung Indiens in seine militärisch-strategische Offensive gegen das aufstrebende China hohe Priorität eingeräumt. Zu diesem Zweck haben sowohl demokratische als auch republikanische Regierungen Neu-Delhi großen strategischen Handlungsspielraum zugestanden und gleichzeitig die Beziehungen zu Pakistan drastisch verschlechtert.
Die „globale strategische Partnerschaft“ zwischen Indien und den USA hat die von der hinduistischen Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung in ihrer konfrontativen Haltung gegenüber Pakistan bestärkt und gleichzeitig Islamabad dazu gedrängt, seine Allianz mit Peking zu vertiefen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit beim chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor, der China eine Alternative zu den Bemühungen der USA bieten soll, die für Chinas Wirtschaft lebenswichtigen Knotenpunkte im Indischen und Pazifischen Ozean zu blockieren.
Der indisch-pakistanische Konflikt ist folglich zunehmend mit den Bemühungen des US-Imperialismus verbunden, den Aufstieg Chinas zu verhindern, was die Brisanz beider Konflikte noch erhöht. Ein schrankenloser Krieg zwischen Indien und Pakistan würde die geopolitische Ordnung Eurasiens auf den Kopf stellen, die USA und China einbeziehen und einen regionalen Konflikt in einen globalen Flächenbrand verwandeln.
Es zeugt von der Skrupellosigkeit der imperialistischen herrschenden Klassen – die mit der sich verschärfenden Krise des Weltkapitalismus und dem Wiederaufleben des globalen Klassenkampfes konfrontiert sind –, dass Washington die südasiatische Kriegskrise ignoriert hat, bis Indien und Pakistan in einen rasch eskalierenden Zyklus von gegenseitigen Militärschlägen verwickelt waren, der auf eine Katastrophe zusteuert.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In seinen kürzlich veröffentlichten Memoiren schrieb Mike Pompeo, Außenminister in Trumps erster Amtszeit, der damalige indische Außenminister habe ihm 2019 mitgeteilt, Neu-Delhi gehe von einem pakistanischen Einsatz von Atomwaffen aus und bereite sein eigenes Arsenal dahingehend vor.
Pompeo schrieb:
Ich glaube nicht, dass die Welt wirklich weiß, wie nahe die indisch-pakistanische Rivalität im Februar 2019 an einem nuklearen Flächenbrand vorbeigeschrammt ist.
Noch am vergangenen Donnerstag erklärte US-Vizepräsident J. D. Vance unbekümmert, dass die Trump-Regierung sich nicht um den eskalierenden Krieg in Südasien kümmere, weil der Konflikt „uns im Grunde genommen nichts angeht“. Vance besuchte Neu-Delhi im vergangenen Monat, um das indisch-amerikanische Militärbündnis gegen China zu vertiefen.
Unter der Biden-Regierung nahmen die Konturen eines von den USA angezettelten globalen Krieges Gestalt an: Die Nato schürte Krieg gegen Russland, USA und Israel drängten auf die Erzwingung einer „Endlösung“ der „Palästina-Frage“ sowie eine Neuaufteilung des Nahen Ostens, und die USA verschärften ihren Kriegskurs gegen China.
Nun hat Trump, die Verkörperung von Oligarchie, Diktatur und imperialistischer Gewalt, den Zusammenbruch der zwischenstaatlichen Beziehungen durch seinen globalen Handelskrieg und seine immer länger werdende Liste von Annexionszielen – von Kanada und Grönland bis hin zum Panamakanal und Gaza – beschleunigt.
Doch alle imperialistischen und schwächeren kapitalistischen Mächte folgen demselben Pfad, verstrickt in einen skrupellosen Kampf um die Kontrolle über Märkte, Ressourcen und strategische Gebiete. Dieses Streben wird von denselben grundlegenden Widersprüchen gespeist, die zu den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts geführt haben.
Wie David North, Vorsitzender der internationalen Redaktion der WSWS, in seiner Rede zur internationalen Online-Kundgebung zum 1. Mai erläuterte:
Die wesentlichen Ursachen für den Abstieg in die politische Barbarei und einen katastrophalen Weltkrieg sind die gleichen wirtschaftlichen und sozialen Widersprüche des kapitalistischen Systems, die im letzten Jahrhundert zu Krieg und Faschismus führten. Diese miteinander verbundenen Widersprüche sind erstens die Unvereinbarkeit der Weltwirtschaft mit dem kapitalistischen Nationalstaatensystem und zweitens der zerstörerische Charakter des kapitalistischen Privateigentums an den Produktivkräften, kontrolliert von geldgierigen Oligarchen, im Widerspruch zur gesellschaftlichen Produktion, die die Arbeit von Milliarden Menschen umfasst, der internationalen Arbeiterklasse.
Um die Katastrophe abzuwenden, besteht die entscheidende Aufgabe darin, eine globale Antikriegsbewegung aufzubauen, die den Kampf für die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den sich verschärfenden Angriff auf ihre demokratischen und sozialen Rechte mit dem Kampf gegen den Krieg verbindet – und gegen das kapitalistische System, das ihn produziert.