Vergangenen Dienstag verabschiedete das Studierendenparlament (StuPa) der Berliner Humboldt-Universität einen Antrag der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), der die Abschiebungen politischer Aktivisten in Deutschland und international verurteilt. Die Verabschiedung des Antrags ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Abschiebungen und die Wendung der herrschenden Klasse hin zu autoritären Herrschaftsformen.
Der Antrag lautet:
Das Studierendenparlament verurteilt die geplante Abschiebung von Shane O’Brien, Roberta Murray, Kasia Wlaszczyk und Cooper Longbottom. Die vier Aktivist*innen sollen abgeschoben werden, weil sie sich an pro-palästinensischen Protesten beteiligt haben. Keine*r der vier wurde je für eine Straftat verurteilt, und ein Gerichtsurteil des Berliner Verwaltungsgerichts hat bereits deutlich gemacht, dass das Vorgehen gegen sie jeglicher ernsthaften rechtlichen Grundlage entbehrt.
Der Angriff auf die vier Aktivist*innen ist ein Angriff auf alle kritischen Studierenden. Es wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, mit dem die demokratischen Rechte aller Studierenden angegriffen werden und versucht wird, die Methoden Trumps auch in Deutschland einzuführen.
Die geplante Abschiebung der vier reiht sich ein in massive Angriffe auf studentische Anti-Genozid-Aktivist*innen weltweit: In den USA werden Studierende, wie Mohsen Mahdawi, Mahmoud Khalil und Rümeysa Öztürk rechtswidrig verhaftet und sollen wegen ihrer politischen Ansichten abgeschoben werden. Andere Studierende, wie Momodou Taal, sind gezwungen, das Land zu verlassen, um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen.
Im Vereinigten Königreich wurde jüngst eine Studentin der SOAS-Universität aufgrund ihres palästinensischen Aktivismus nach dem Terrorismusgesetz angeklagt, ein weiterer wurde verhaftet. Ihnen drohen bis zu 14 Jahre Haft. Viele weitere wurden wegen ihres Aktivismus untersucht, suspendiert und des Landes verwiesen – laut der Menschenrechtsorganisation Liberty weit über 100.
Das Studierendenparlament erklärt sich auch solidarisch mit den von Repressionen betroffenen Studierenden im Vereinigten Königreich, in den USA und weltweit.
Tamino Wilck betonte beim Vorstellen des Antrags seine Bedeutung:
Alle vier werden allein für ihre politischen Positionen und ihren Aktivismus verurteilt. Mit der Zeit wird immer offensichtlicher, auf was für einer rechtlich reaktionären Grundlage die Abschiebungen basieren. Im Fall von Shane O’Brien wurde der Sofortvollzug der Abschiebung gerichtlich gestoppt, weil das Gericht anerkennen musste, dass grundlegende Prinzipien rechtsstaatlicher Verfahren nicht eingehalten wurden...
Die geplante Abschiebung der Vier ist der Versuch, die Methoden Trumps auch in Deutschland einzuführen. In den USA gehört es unter Trump jetzt zur Tagesordnung, dass Studierende und andere politische Aktivisten verhaftet und in Abschiebelager verschleppt werden, ohne dass sie für Straftaten verurteilt werden. Nur wegen ihrer politischen Haltung und ihrem Aktivismus werden sie verschleppt. Wenn in Deutschland die Berlin4 abgeschoben werden können, dann schafft das einen gefährlichen Präzedenzfall, mit dem diese Methoden auch in Deutschland eingeführt werden sollen.
Der Antrag wurde mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen. Lediglich die Studierendenverbände der SPD (Jusos) und FDP (LHG) stimmten dagegen, während die Liste CDU (RCDS) der Abstimmung fern blieb. Das überrascht nicht: Ihre Mutterparteien sind Komplizen beim Völkermord in Gaza. Sowohl die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP als auch die neue Regierung unter CDU-Kanzler Friedrich Merz unterstützen und finanzieren die Verbrechen des israelischen Regimes.
Auf der StuPa-Sitzung eine Woche zuvor hatten die Jusos bereits einen Antrag gestellt, der eine pro-palästinensische Besetzung an der HU als „antisemitisch“ diffamierte. Als sie merkten, dass diese Resolution nicht durchkommen würde, erzwangen sie durch die Prüfung der Beschlussfähigkeit den Abbruch der Sitzung und zogen ihren eigenen Antrag für die folgende Sitzung zurück.
Die Verabschiedung der IYSSE-Resolution kommt in einem kritischen Moment. Ursprünglich war den vier Aktivisten eine Frist gestellt worden, bis zum 21. April das Land zu verlassen. Etwa eine Woche vor diesem Termin stoppte das Berliner Verwaltungsgericht bei einem der vier Aktivisten den Sofortvollzug der Abschiebung, vergangene Woche auch bei einem zweiten.
Das Gericht entschied so, weil es „durchgreifende Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit“ der geplanten Abschiebungen gibt. Die Gefahr der Abschiebungen ist damit jedoch in keinster Weise gebannt. Während der Sofortvollzug gestoppt wurde, wird jetzt über die Abschiebungen im Hauptsacheverfahren entschieden.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Es wäre falsch und gefährlich, sich auf die Gerichte zu verlassen und jetzt eine abwartende Stellung einzunehmen. Hinter den Abschiebungen stehen politische Fragen – der Versuch, die Opposition gegen Krieg, Völkermord und Aufrüstung gewaltsam zu brechen. Ob die Abschiebungen durchgeführt werden können oder nicht, hängt davon ab, ob Widerstand dagegen organisiert wird.
Die IYSSE hielten bereits Ende April mit anderen Studierendengruppen eine Kundgebung zur Verteidigung der #Berlin4 vor der Humboldt-Universität ab. Katja Rippert erklärte dort im Namen der IYSSE:
Wie können die Abschiebungen verhindert werden? Nicht durch Druck auf die Regierungen und Unileitungen oder Appelle an die kapitalistischen Parteien! Das ist eine Sackgasse, denn sie verfolgen in den Kriegen objektive wirtschaftliche und geopolitische Interessen.
Wir sagen: Studierende müssen sich auf die Arbeiterklasse orientieren, die einzige revolutionäre Kraft in der Gesellschaft. Der Kampf gegen Völkermord und Krieg wird nicht hier auf dem Campus entschieden, sondern in den Betrieben, an den Häfen und an anderen Arbeitsplätzen weltweit.
Die IYSSE kämpfen dafür, unter Arbeitern und Studierenden eine Massenbewegung gegen die Abschiebungen und die Hinwendung zu Krieg und Diktatur aufzubauen. Das ist jetzt die entscheidende Aufgabe. Nehmt Kontakt zu uns auf und schließt euch diesem Kampf an!