Perspektive

„Die letzten Schritte“: Israel beginnt Trumps „Endlösung“ in Gaza

Palästinensische Kinder warten auf gespendete Lebensmittel in einer Gemeinschaftsküche in Chan Yunis im südlichen Gazastreifen, 9. Mai 2025 [AP Photo/Abdel Kareem Hana]

Im Februar erklärte US-Präsident Donald Trump, dass „die USA den Gazastreifen übernehmen“, die verbleibenden Gebäude „einebnen“ und die palästinensische Bevölkerung in „andere Länder“ umsiedeln würden. Damals taten sowohl amerikanische als auch internationale Medien Trumps Plan als abwegig und ohne Aussicht auf Realisierung ab.

Die israelische Regierung hingegen nahm Trumps Plan ernst. Premierminister Benjamin Netanjahu lobte Trumps „kühne Vision“ für einen ethnisch gesäuberten Gazastreifen. „Wir arbeiten daran“, sagte Trump während eines Treffens in Washington im vergangenen Monat.

Am Montag kündigte Netanjahus Regime den Beginn der Endphase der ethnischen Säuberung in Gaza an. Der Plan sieht eine vollständige militärische Besetzung des gesamten Gazastreifens und die Masseninternierung der Bevölkerung in Konzentrationslagern unter bewaffneter Bewachung vor, um sie dann auf Gewaltmärsche durch die Wüste zu schicken oder über den Seeweg zu deportieren.

Diese Konzentrationslager werden von privaten US-Sicherheitsfirmen besetzt, während die israelischen Verteidigungskräfte die Verteilung der Hungerrationen überwachen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters von dieser Woche zufolge diskutieren die Vereinigten Staaten und Israel über die Bildung einer „Übergangsregierung“, die von einem US-Vertreter geleitet wird und den Gazastreifen verwalten soll.

In Anlehnung an die „Endlösung“, den Nazi-Begriff für den Völkermord an den europäischen Juden, erklärte Netanjahu: „Es ist an der Zeit, die letzten Schritte einzuleiten.“ Am nächsten Tag erläuterte der Finanzminister Bezalel Smotrich die Bedeutung des Plans der israelischen Regierung:

Innerhalb eines Jahres ... wird der Gazastreifen völlig zerstört sein, die Zivilisten werden in den Süden in eine humanitäre Zone geschickt ... und von dort aus werden sie in großer Zahl in Drittländer abwandern.

Die gewaltsame Vertreibung soll über das massenhafte Aushungern der Palästinenser umgesetzt werden. Wie der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, klarstellte, „sollten weder Strom noch andere Hilfen zugelassen werden – weder vom [israelischen Militär] noch von der Zivilgesellschaft“.

Am 2. März verhängte Israel eine totale Blockade, damit keine Lebensmittel, Wasser oder Elektrizität in den Gazastreifen gelangen. Daraufhin mussten die meisten Gemeinschaftsküchen aufgrund mangelnder Versorgung schließen. Die akute Unterernährung ist um mehr als 80 Prozent gestiegen. Es kursieren erschütternde Bilder von ausgemergelten, hungernden Kindern – die Opfer einer Hungersnot, die ausschließlich von Menschen verursacht wurde.

Lima Bastami, Leiterin der Rechtsabteilung des Euro-Med Human Rights Monitor, erklärte:

Das Aushungerns der Bevölkerung im Gazastreifen ist ein Verbrechen, das ohne jede Zurückhaltung und am helllichten Tag verübt wird. Es bedarf keiner Untersuchungsausschüsse oder Gerichtsurteile, um das zu beweisen. Es genügt festzustellen, dass Israel seit mehr als zwei Monaten alle Grenzübergänge in den verwüsteten Streifen geschlossen und die Einfuhr von Lebensmitteln, Medikamenten und Gütern vollständig untersagt hat. Diese wohlbekannte Tatsache wird von israelischen Vertretern offen zugegeben, ohne Angst davor, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der Gazastreifen ist voller unwiderlegbarer Beweise für die Schrecken des Verbrechens: die abgemagerten Körper von Menschen und Kindern, Zehntausende, die täglich vor den Suppenküchen Schlange stehen, und die steigende Zahl der Todesopfer durch Hunger, Unterernährung und damit verbundene Krankheiten.

Das absichtliche Aushungern einer Bevölkerung von zwei Millionen Menschen wird nicht nur von der Trump-Regierung, sondern auch von der Demokratischen Partei voll unterstützt. Im April stimmten die Demokraten im Senat mit überwältigender Mehrheit gegen jegliche Beschränkungen für US-Waffenlieferungen an Israel.

Bernie Sanders, der oft als Kritiker der Netanjahu-Regierung dargestellt wird, hat wiederholt erklärt, dass „Israel das Recht hat, sich zu verteidigen“. Er hat geleugnet, dass in Gaza ein Völkermord stattfindet. Im Februar antwortete er auf eine Frage: „Welcher Völkermord? Mit diesem Wort muss man vorsichtig sein.“

In der vergangenen Woche jährte sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und die Kapitulation von Nazi-Deutschland. Als die Rote Armee vorrückte und die Konzentrationslager in Osteuropa befreite, fand sie erdrückende Beweise für die im Geheimen durchgeführte Massenvernichtung von sechs Millionen europäischen Juden.

Bei der Eröffnung des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses gegen die Nazis erklärte der amerikanische Hauptankläger Robert Jackson: „Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, daß die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würde sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben“.

Die unbestreitbare Realität ist, dass heute wieder ähnliche Verbrechen begangen werden – diesmal vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Im Gegensatz zu den Nazis, die versuchten, das Ausmaß ihrer Gräueltaten zu verbergen, handelt Israel offen und unter den Augen der Welt. Und dennoch ist keine der Institutionen des so genannten „Völkerrechts“ – die Generalversammlung der Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof – in der Lage gewesen, das Verbrechen zu stoppen, trotz aller Abstimmungen und Urteile gegen Israel.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die imperialistischen Mächte auf den Vorwurf von Kriegsverbrechen berufen, um militärische Interventionen in der ganzen Welt zu rechtfertigen – von der Bombardierung Jugoslawiens bis zum Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine. Heute unterstützen die USA ganz offen einen Völkermord und eine Kampagne der ethnischen Säuberung in einem Ausmaß, das alles übertrifft, was sie anderen vorgeworfen haben. Sie verfolgen eine kriminelle Politik, die völlig ungestraft bleibt.

Die Tatsache, dass die USA und Israel eine offene Politik der ethnischen Säuberung und des Aushungerns betreiben entlarvt die Behauptung, dass die Proteste gegen den Völkermord in Gaza „antisemitisch“ seien. Diese ungeheuerliche Lüge wurde benutzt, um Demonstranten zu kriminalisieren und zu verhaften. Inhaber von Studienvisa ließ man in Einwanderungsgefängnissen verschwinden oder aus dem Land jagen.

Der Völkermord im Gazastreifen dauert nun schon seit eineinhalb Jahren an. In dieser Zeit haben Millionen Menschen gegen die Verbrechen der Netanjahu-Regierung und ihrer imperialistischen Unterstützer protestiert. Diese Proteste haben trotz der aufrichtigen Bestrebungen ihrer Teilnehmer nicht zu einem Politikwechsel geführt.

Es müssen bestimmte Lehren gezogen werden. Der Völkermord in Gaza ist kein zufälliges Ereignis, das durch falsche politische Entscheidungen verursacht wurde. Die imperialistischen Mächte verüben vorsätzliches Aushungern, ethnische Säuberung und Massenmord im Rahmen eines globalen Kriegs.

Als Teil ihrer Kriegsvorbereitungen gegen China wollen die USA einen „neuen Nahen Ostens“ unter imperialistischer Vorherrschaft schaffen, um den Begriff zu verwenden, den Netanjahu von der ehemaligen Außenministerin Condoleezza Rice übernommen hat.

Der Genozid in Gaza ist nicht nur ein Präzedenzfall in der Außenpolitik, sondern auch in der Innenpolitik. Die Trump-Administration und Regierungen weltweit betrachten Netanjahus Politik des Massenmords, Gefangenschaft, Folter und ungezügelter Brutalität als Vorbild für ihr eigenes Handeln im Inland.

Eine neue Strategie ist notwendig. In den letzten Monaten haben Millionen Menschen an Massenprotesten gegen die Angriffe der Trump-Regierung auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse teilgenommen. Es gibt enormen Widerstand gegen die Massenentlassungen von mehr als 100.000 Bundesbediensteten, den Angriff auf die Renten und das öffentliche Bildungswesen sowie den globalen Handelskrieg, der Arbeitsplätze und Existenzen im ganzen Land zu vernichten droht.

Die Verteidigung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Arbeiterklasse muss mit dem Kampf gegen imperialistische Kriege und Barbarei verbunden werden. Das erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse, die den Kampf gegen den Völkermord in Gaza mit der Verteidigung ihrer sozialen Rechte vereint.

Wie die Autorin der World Socialist Web Site, Jean Shaoul, auf der diesjährigen internationalen Kundgebung zum 1. Mai erklärte:

Millionen Menschen sind für die Verteidigung der Palästinenser schon auf die Straße gegangen. Aber moralische Appelle an irgendeine imperialistische Macht oder kapitalistische Regierung können nichts bringen. Notwendig ist eine Hinwendung zur Arbeiterklasse, zu den Methoden und der Politik des Klassenkampfs.

Der Völkermord in Gaza kann nur beendet werden, wenn die internationale Arbeiterklasse einen politischen Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus führt.

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