Die WSWS veröffentlicht hier das Video und den Text der Rede, die Tomas Castanheira, ein führendes Mitglied der Grupo Socialista pela Igualdade do Brasil (Socialist Equality Group, Brasilien), auf der Online-Kundgebung zum 1. Mai 2025 gehalten hat.
Der 1. Mai ist der Tag, an dem wir die internationale Einheit der Arbeiterklasse feiern. Nie zuvor waren die Arbeiter so international vernetzt wie heute, nie zuvor arbeiteten sie so eng in der großen Werkstatt der globalisierten Produktion zusammen. Und gleichzeitig war es noch nie so dringend notwendig, diese internationale Einheit politisch auszudrücken.
Trumps Rückkehr ins Weiße Haus markiert eine Neuausrichtung der Außenpolitik des US-Imperialismus auf das Ziel, die westliche Hemisphäre zu beherrschen, was als notwendiger Schritt in der Offensive gegen China betrachtet wird.
In einer Ansprache vor dem US-Kongress im Februar erklärte der Kommandeur des SOUTHCOM, Admiral Alvin Holsey:
Die Region [Lateinamerika und Karibik] steht an erster Stelle in einem entscheidenden Wettbewerb um die Zukunft unserer Welt. China greift die Interessen der USA aus allen Richtungen und in allen Bereichen an. (...) Wenn wir nicht hier und jetzt angemessen reagieren, wird die Region unter den Einfluss der wichtigsten autoritären Rivalen Amerikas geraten. Das würde die Hinwendung der USA zum Indopazifik direkt gefährden.
Washington „muss Präsenz mit Präsenz begegnen“, schloss Holsey. Diese unverhüllte Doktrin gewaltsamer Einschüchterung kam in den jüngsten Maßnahmen gegen den Panamakanal deutlich zum Ausdruck.
Trump führte sich wie ein Gangster an der Spitze der mächtigsten Armee der Welt auf und drohte mit einer Invasion des souveränen Landes, um Panama zu zwingen, seine Abkommen mit China zu brechen, und um bedeutende militärische Zugeständnisse herauszuholen.
Zur Empörung von Millionen Arbeitern in der Region kommt diese unverhohlene neokoloniale Politik noch zur Demütigung lateinamerikanischer Einwanderer in den Vereinigten Staaten hinzu.
Arbeiter und ihre Familien, die auf der Suche nach einem besseren Leben die Grenze überquert haben, werden jetzt gejagt und in Handschellen per Flugzeug deportiert, ohne Nahrung und Wasser, misshandelt von Wachpersonal, das an die Gestapo erinnert. So sieht die im kollektiven Bewusstsein Lateinamerikas verankerte „amerikanische Erfahrung“ heute aus.
Der Angriff auf Einwanderer ist die Speerspitze der Bemühungen der kapitalistischen US–Oligarchie, in den Vereinigten Staaten eine Diktatur zu errichten. In dieser Hinsicht und auch sonst ist das Schicksal der Arbeiterklasse in Lateinamerika direkt mit demjenigen der Arbeiter in den Vereinigten Staaten verbunden.
Die Vereinbarungen zwischen Trump und seinem faschistischen Verbündeten Nayib Bukele rufen düstere Bilder der Zukunft und der Vergangenheit hervor. Diese Politiker haben beschlossen, den Gefängniskomplex in El Salvador massiv auszubauen und Tausende von Gefangenen, ob in den USA oder anderswo geboren, dorthin zu schicken.
Der Aufbau eines transnationalen Komplexes der Unterdrückung, Inhaftierung und Folter knüpft direkt an die Erfahrungen der Operation Condor an, die vor genau 50 Jahren, im Jahr 1975, ins Leben gerufen wurde.
Condor war der Höhepunkt der mörderischen Zusammenarbeit zwischen dem US-Imperialismus und den faschistischen Militärdiktaturen, die sich mit Unterstützung der CIA in Lateinamerika festsetzten.
Dieses Netzwerk des konterrevolutionären Terrors verwandelte den Kontinent in ein „Labyrinth des Grauens“, wie es die argentinische Autorin Stella Calloni formulierte. „Ein politischer Exilant konnte ohne richterliche Genehmigung entführt, als Geisel genommen und über die Grenze gebracht werden. Man ließ ihn foltern und verschwinden.“
Die amerikanische Oligarchie versucht, im 21. Jahrhundert die Monroe-Doktrin wiederzubeleben: Sie setzt auf rohe Gewalt. Das kann man ohne weiteres als Wahnsinn bezeichne, aber der Wahnsinn hat Methode. Diese Pläne wurzeln in der unlösbaren Krise des imperialistischen Systems.
Diese Krise lässt keinen Raum für ein neues Gleichgewicht, in dem eine andere Macht Washington und den US-Dollar ablösen könnte. Sie lässt auch keinen Raum für eine friedliche multipolare Ordnung. Der Ausbruch von imperialistischem Krieg ist dafür der deutlichste Ausdruck.
Nichts wäre für die lateinamerikanische Arbeiterklasse fataler, als sich von der nationalistischen Agitation der herrschenden Klasse ihres jeweiligen Landes einnehmen zu lassen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Der Ausbruch imperialistischer Aggressionen vereint nicht – von außen – die verschiedenen Gesellschaftsklassen in den lateinamerikanischen Ländern. Im Gegenteil verschärft er ihre tiefen sozialen Gegensätze.
In Brasilien reagierte die Lula–Regierung auf Trumps Zölle mit der Parole „Brasilien für die Brasilianer“. Diese Kampagne zielt darauf ab, die verbreitete Ablehnung der Angriffe Washingtons dafür zu nutzen, die Arbeiter der bankrotten nationalen Bourgeoisie unterzuordnen, damit sie den immer schärferen Angriffen auf ihren Lebensstandard keinen Widerstand entgegensetzen.
Seit mehreren Jahren befindet sich Lateinamerika im Dauerzustand sozialer und politischer Unruhen. Massenstreiks und Proteste, die ein für alle Mal soziale Gleichheit fordern, erschüttern jedes Land dieser Region.
Die herrschende Klasse hat darauf mit einem allgemeinen Rechtsruck reagiert: Sie hat diejenigen rehabilitiert, die das Erbe der Militärdiktaturen der 1970er Jahre repräsentieren. Dies sind: Javier Milei in Argentinien, Jair Bolsonaro in Brasilien, Daniel Noboa in Ecuador – die faschistischen Stars der CPAC-Konferenz. Inspiriert von der Regierung der größten kapitalistischen Macht der Welt wittern sie Morgenluft.
Und was haben die Regierungen und Parteien der „Pink Tide“ („Rosa Welle“), der großen Hoffnung der Pseudolinken der Welt, anzubieten? Eine Kapitulation nach der anderen vor den Faschisten. Im Namen der Wiederherstellung der verlorenen nationalen Einheit und des ruinierten bürgerlichen politischen Systems setzen sie kapitalistische Sparmaßnahmen durch und führen eine Politik der Unterdrückung, der Masseninhaftierung und der Stärkung des Militärs.
Die Arbeiterklasse und die Jugend sind bereit zu kämpfen, sowohl um den kapitalistischen Schockmaßnahmen entgegenzutreten, als auch um ein für alle Mal mit dem anhaltenden Erbe der Militärdiktaturen und des Imperialismus abzurechnen.
Aber dafür braucht es eine entscheidende politische Wende.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) und die Grupo Socialista pela Igualdade do Brasil (GSI, Sozialistische Gleichheitsgruppe), rufen die Arbeiter in Brasilien und ganz Lateinamerika dazu auf, mit den bankrotten bürgerlichen Establishments der einzelnen Länder zu brechen und sich mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern in den Vereinigten Staaten und weltweit zu vereinen, um gegen Kapitalismus, Krieg und Faschismus zu kämpfen.
Vorwärts zum Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), den Organen der Arbeiterdemokratie des 21. Jahrhunderts!