Am 3. Mai forderte Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Menschenrechte in den Palästinensergebieten, die strafrechtliche Verfolgung hochrangiger Politiker der Europäischen Union (EU) wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen Israels.
In mehreren Interviews und Berichten warf Albanese insbesondere der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas vor, sich der Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig gemacht zu haben. Albanese klagte die EU-Spitzenpolitikerinnen der Beihilfe zu schweren Verstößen gegen das Völkerrecht an, da sie Israel bedingungslos unterstützten. „Die Tatsache, dass die beiden höchsten Vertreterinnen der EU ihre Beziehungen zu Israel wie gewohnt fortsetzen, ist mehr als bedauerlich“, erklärte Albanese. „Immunität ist nicht mit Straffreiheit gleichzusetzen.“ Über sie müsse gerichtet werden, ehe die Geschichte das tue.
In einem Interview mit The Intercept erklärte Albanese: „Ich bin nicht jemand, der sagt: ‚Die Geschichte wird über sie richten‘. Über sie muss schon vorher ein Urteil gefällt werden.“
Beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) ist bereits eine offizielle Beschwerde eingegangen, in der von der Leyen der Beihilfe zu Kriegsverbrechen beschuldigt wird. Albanese kritisierte auch Kallas ausdrücklich für Äußerungen, die diese während eines Besuchs in Tel Aviv im März gemacht hatte. Kallas spielte dabei das Leiden der Palästinenser herunter und beschönigte die mörderische Kampagne des faschistischen Regimes in Tel Aviv, indem sie die Situation in Gaza als „für beide Seiten schädlich“ bezeichnete.
Im März dieses Jahres verurteilte auch die Hilfsorganisation Amnesty International die EU dafür, dass sie sich geweigert hatte, Israels Bruch des Waffenstillstandsabkommens durch erneute Luftangriffe auf Gaza zu kritisieren. In einer Reaktion auf eine Erklärung des Europäischen Rates erklärte Eve Geddie, Leiterin des Brüsseler Amnesty-Büros für europäische Institutionen, dass die EU zu den Luftangriffen und zur Blockade aller humanitären Hilfslieferungen durch Israel geschwiegen habe. Tatsächlich forderte die EU in ihrer Erklärung lediglich die Hamas auf, alle Geiseln freizulassen, ohne die mehr als 4.000 Palästinenser zu erwähnen, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Israel inhaftiert sind. Amnesty International brachte die Reaktion der EU auf den Punkt als „einen weiteren beschämenden Versuch, Israels Völkermord und Kriegsverbrechen gegen die Palästinenser zu rechtfertigen“.
Wie die WSWS täglich berichtet, hat die israelische Regierung nun die letzte Phase ihres Plans zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens eingeleitet. Nach der Verhängung einer totalen Blockade aller Lebensmittel-, Wasser- und Stromlieferungen in den Gazastreifen am 2. März herrscht unter der Bevölkerung der nackte Hunger. Die Fälle von akuter Unterernährung haben um mehr als 80 Prozent zugenommen. Gleichzeitig setzt Israel seine täglichen Militärangriffe fort und bombardiert gezielt UN-Unterkünfte, Lebensmittelverteilungszentren und Krankenhäuser. So sind die Orte letzter Zuflucht für die verzweifelten und wehrlosen Männer, Frauen und Kinder zu Zielobjekten in Israels gnadenlosem Krieg geworden.
Weltweit werden prominente Persönlichkeiten, die sich gegen den Völkermord aussprechen, unerbittlich bedrängt und verfolgt. Francesca Albanese hat seit ihrem ersten Bericht im März 2024, in dem sie das israelische Vorgehen als Völkermord bezeichnete, Morddrohungen erhalten, und gegen sie wird systematisch intrigiert. Albanese, die an einem Bericht über die Rolle von Finanzhäusern, Technologiekonzernen und Hochschulen beim Völkermord arbeitet, wird von den USA, Israel und Europa gezielt unter Druck gesetzt. Viele fordern, dass ihre Amtszeit bei den Vereinten Nationen nicht verlängert werde. Während ihres Besuchs in Deutschland im Februar 2025 erlebte sie abrupte Absagen ihrer geplanten Vorträge, polizeiliche Schikanen und Verhaftungsdrohungen. Damals erklärte Albanese: „Ich habe nie so wie hier das Gefühl gehabt, keine Luft zu bekommen.“
Ursula von der Leyen ist Mitglied der CDU, der Partei des kürzlich gewählten neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz. Dieser spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Ermöglichung der Kriegsverbrechen Israels. Als CDU-Vorsitzender sprach sich Merz im Oktober 2024 dafür aus, dass die deutsche Regierung die Waffenlieferungen an Israel wieder aufnehme. Merz hat auch öffentlich vorgeschlagen, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, sollten sie an Protesten gegen Israel teilnehmen.
Im Februar 2025, einen Tag nach der Bundestagswahl, kündigte der designierte Kanzler Merz seine Absicht an, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Deutschland einzuladen – einen Kriegsverbrecher, den der Internationale Strafgerichtshof (ICC) wegen Völkermordes angeklagt hat.
Nach seinem Amtsantritt am 6. Mai führte der Kanzler Merz sein erstes Telefonat mit einem ausländischen Staatschef mit Netanjahu. Vor kurzem wiederholte Merz das Mantra der deutschen Staatsraison und betonte ausgerechnet 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sein Bekenntnis zur Existenz und Sicherheit Israels als Kernprinzip des deutschen Staates.
Merz ermächtigte den deutschen Außenminister Johann Wadephul, am Sonntag nach Israel zu reisen. Und der israelische Präsident Isaac Herzog wird auf Einladung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Montag Berlin besuchen. Steinmeier wird voraussichtlich kurz darauf zu einem Gegenbesuch nach Jerusalem starten.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Unterstützung für den israelischen Staat nicht auf die CDU beschränkt ist. Merz regiert in einer Koalition mit der SPD, die unter ihrem ehemaligen Kanzler Olaf Scholz zusammen mit ihren früheren Koalitionspartnern, den Grünen und der FDP, dem Regime in Tel Aviv ebenfalls bedingungslose Unterstützung und Waffenlieferungen gewährte.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Nicht zu vergessen: auch die deutsche Oppositionspartei im Bundestag, die Linkspartei, ist ein integraler Bündnispartner bei der Unterstützung Israels. Am selben Tag, an dem Merz seinen unterwürfigen Anruf bei Netanjahu tätigte, veröffentlichte Die Linke eine Erklärung des Parteivorstands mit dem Titel „Das Existenzrecht des Staates Israel ist für uns nicht verhandelbar“. Nur durch die Unterstützung der Linkspartei konnte Merz Anfang letzter Woche eine zweite Abstimmung im Bundestag durchsetzen, um seine Wahl zum Kanzler sicherzustellen.
Die Heuchelei der deutschen und israelischen Eliten ist atemberaubend. Wenn Herzog Berlin besucht, wird Steinmeier ihn voraussichtlich zur Gedenkstätte Gleis 17 am Berliner Bahnhof Grunewald begleiten – einem der Orte, von denen aus während des Holocaust Tausende Juden in Konzentrationslager deportiert wurden. In der vergangenen Woche fanden in Deutschland mehrere Zeremonien zum 8. Mai statt, die das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung der KZs feierten, in denen die Nationalsozialisten ihren Völkermord an den europäischen Juden verübt hatten. Im Verlauf dieser Veranstaltungen herrschte über den aktuellen Völkermord und die von der israelischen Regierung praktizierte Endlösung ohrenbetäubendes Schweigen.
An der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 hatten sich die anwesenden Nazi-Führer darauf geeinigt, die genauen Pläne zur Vernichtung der Juden in Europa nicht öffentlich zu machen. Das offizielle Protokoll der Sitzung, das Wannsee-Protokoll, wurde von Adolf Eichmann in Absprache mit SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich verfasst, der die Konferenz einberufen und geleitet hatte. Am Ende der Konferenz betonte Heydrich, dass das Protokoll nicht wörtlich sein dürfe. Die Vernichtung der Juden in Europa wurde im Protokoll euphemistisch als „Evakuierung der Juden nach dem Osten“ bezeichnet. Bei seinem Prozess in Jerusalem im Jahr 1961 berichtete Eichmann: „Wie soll ich es sagen – bestimmte allzu deutliche Äußerungen und Jargon-Ausdrücke musste ich in Behördensprache umschreiben.“
Über anderthalb Jahre nach der Wannsee-Konferenz, am 4. Oktober 1943, wandte sich Heinrich Himmler in Posen an hochrangige SS-Offiziere und erklärte: „Ich möchte hier auch ganz offen über ein wirklich schwerwiegendes Kapitel sprechen. Unter uns soll es ausnahmsweise ganz offen gesagt werden, aber wir werden trotzdem nie öffentlich darüber sprechen. (...) Ich beziehe mich hier auf die Evakuierung der Juden, die Vernichtung des jüdischen Volkes. (…) Das ist ein ungeschriebenes und nie zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“
Während die Nazis versuchten, ihre Verbrechen zu verschleiern, ist der Völkermord, den die israelische Regierung begeht, für alle sichtbar. Trotz der systematischen Verfolgung und Eliminierung von Hunderten von Journalisten sind Details über die entsetzliche Lage der in Gaza eingeschlossenen Menschen, die zusammengetrieben und in Konzentrationslager gesteckt werden, in den sozialen Medien frei verfügbar.
Tatsächlich gehören neben von der Leyen und Kaja Kallas auch die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten EU-Mitgliedsländer, der britische Premierminister Keir Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron und der neue deutsche Kanzler Friedrich Merz, auf die Anklagebank. Ihnen muss der Prozess wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen gemacht werden.