Sieben Monate nachdem sie in Sri Lanka an die Macht gekommen ist, sieht sich die regierende Janatha Vimukthi Peramuna/National People’s Power (JVP/NPP) von Präsident Anura Kumara Dissanayake mit wachsender Opposition der Bevölkerung konfrontiert.
Bei den Kommunalwahlen am 6. Mai rangierte die JVP/NPP zwar an erster Stelle vor den traditionellen bürgerlichen Parteien, verlor aber im Vergleich zu den Parlamentswahlen vor sechs Monaten im November mehr als 2,3 Millionen Stimmen. Das entspricht einem Rückgang von 18,3 Prozent. Die Zahl der Gesamtstimmen für die JVP/NPP lag außerdem mehr als eine Million Stimmen unter der von Dissanayake bei den Präsidentschaftswahlen im September letzten Jahres.
Die JVP/NPP verlor landesweit Stimmen, obwohl sie große Summen für ihren Wahlkampf ausgegeben hat, u.a. um Tausende zu ihren Kundgebungen zu transportieren und so ihren starken Rückhalt zu demonstrieren. Bei diesen Veranstaltungen machte Dissanayake klar, dass kommunale Regierungen, die von Oppositionsparteien gewonnen werden, ihre finanziellen Zuwendungen von der Zentralregierung verlieren würden.
Die JVP/NPP war bisher noch nie an der Macht. Sie gewann die Wahlen im vergangenen Jahr, indem sie die weit verbreitete Entfremdung von den traditionellen etablierten Parteien ausnutzte – darunter von der United National Party (UNP), der Samagi Jana Balawegaya (SJB), der Sri Lanka Freedom Party (SLFP), der Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) und den tamilischen und muslimischen bürgerlichen Parteien.
Die Kommunalwahlen waren mehrfach verschoben worden – zum ersten Mal im März 2022 von Präsident Gotabaya Rajapaksa mitten in einer zunehmenden Wirtschaftskrise, welche die Regierung einen Monat später dazu zwang, sich gegenüber den ausländischen Gläubigern für zahlungsunfähig zu erklären. Angesichts der hochschnellenden Preise und der Knappheit an Nahrungsmitteln, Treibstoff und Medikamenten sowie der langen täglichen Stromausfälle kam es zu Streiks und Protesten von Millionen Arbeitern, die Rajapaksa zur Flucht aus dem Land und zum Rücktritt zwangen.
Sein Nachfolger, der rechte Ranil Wickremesinghe, wurde im Juli 2022 auf undemokratische Weise vom Parlament eingesetzt, nachdem die Oppositionsparteien, einschließlich der JVP/NPP, unterstützt von den Gewerkschaften und pseudolinken Kräften wie der Frontline Socialist Party, die Massenbewegung zum Erliegen gebracht hatten. Sie behaupteten, die Wirtschaftskrise könne auf parlamentarischem Wege durch eine bürgerliche Übergangsregierung gelöst werden.
Wickremesinghe unterzeichnete ein Abkommen mit dem IWF und begann als Gegenleistung für einen Rettungskredit von drei Milliarden Dollar mit der Umsetzung brutaler Sparmaßnahmen – Steuererhöhungen für die arbeitende Bevölkerung, Kürzungen bei Preissubventionen und lebenswichtigen Dienstleistungen sowie die Umstrukturierung der staatseigenen Unternehmen, um deren Privatisierung vorzubereiten. Da er keinen nennenswerten politischen Rückhalt hatte, verschob er die Kommunalwahlen erneut.
Dissanayake und die JVV/NPP kamen auf der Welle der Opposition gegen die traditionellen Parteien und Wickremesinghes Sparmaßnahmen an die Macht. Sie versprachen, das IWF-Darlehen neu auszuhandeln und die soziale Krise der arbeitenden Bevölkerung zu lindern. Doch nach der Machtübernahme hat die JVP/NPP alle Wahlversprechen gebrochen und begonnen, die Forderungen des IWF buchstabengetreu umzusetzen. Als es zu Streiks und Protesten der Arbeiter und Jugendlichen kam, reagierte sie darauf mit polizeistaatlicher Unterdrückung.
Zweifellos wird sich die JVP/NPP damit rühmen, dass sie bei den Kommunalwahlen 4.503.930 Millionen Stimmen oder 43,26 Prozent der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen erhalten hat. Das ist zwar viel mehr als bei den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2018, als die JVP 693.875 Stimmen erhielt, aber, wie bereits erwähnt, ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr.
Die JVP/NPP gewann in 265 der 339 Kommunalverwaltungen die meisten Stimmen, erhielt aber nur in 166 eine absolute Mehrheit. Daher wird sie in den übrigen 99 mit den Oppositionsparteien oder Unabhängigen verhandeln müssen, um eine Verwaltung zu bilden.
Die breite Ablehnung der Regierung und des gesamten politischen Establishments zeigte sich im enormen Anstieg der Wahlenthaltungen. Die Wahlbeteiligung fiel dramatisch von 80 Prozent der Wahlberechtigten im Jahr 2018 auf nur knapp über 60 Prozent letzte Woche. Millionen Wähler, darunter viele, die letztes Jahr die JVP/NPP gewählt haben, gaben einfach keine Stimme ab.
Die Stimmenanteile für die wichtigsten Oppositionsparteien stiegen zwar im Vergleich zu den Parlamentswahlen im letzten Jahr, aber nicht erheblich. Die SJB verbesserte letzte Woche ihr Ergebnis von 1.968.716 Stimmen (17,66 Prozent) auf 2.258.480 Stimmen (21,69 Prozent) – ihr zweithöchstes nationales Ergbnis. Die SLPP erhielt 9,17 Prozent und die UNP 4,69 Prozent – keine der beiden Parteien wurde in einer Kommune stärkste Kraft.
Der Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Dissanayake-Regierung zeigte sich am deutlichsten in den zentralen Hochlanddistrikten, wo Hunderttausende von Plantagenarbeitern eine der am stärksten unterdrückten Bevölkerungsgruppen darstellen. Die JVP/NPP hatte bei den Parlamentswahlen in den Distrikten Nuwara Eliya und Badulla noch große Unterstützung gewonnen, weil sie leere Versprechen abgab, das weit verbreitete soziale Elend zu bekämpfen.
Letzte Woche lag die JVP/NPP in Nuwara Eliya in allen bis auf zwei der 13 Gemeinderäte vorn, hatte aber in keinem eine Mehrheit. In Badulla wurde sie in 17 von 18 Kommunen stärkste Kraft, erhielt aber nur in zwei davon eine Mehrheit. Im Haupthale Urban Council wurde bezeichnenderweise eine so genannte unabhängige Gruppe stärkste Kraft.
Im vom Krieg gezeichneten Norden und Osten der Insel, wo Tamilen und Muslime die Mehrheit bilden, waren die Ergebnisse ähnlich. Die beträchtlichen Stimmgewinne der JVP/NPP bei den Parlamentswahlen im letzten Jahr schwanden weitgehend. Sie wurde in nur fünf der 33 Kommunen in der Nordprovinz und in 15 der 39 Kommunen in der Ostprovinz stärkste Kraft.
Letztes Jahr hatte die JVP/NPP, eine von singhalesischem Chauvinismus geprägte Partei, versprochen, die Nation zu einen und die vielen drängenden Probleme zu lösen, die auf den langen und erst im Jahr 2009 beendeten kommunalistischen Krieg zurückgehen. Dazu gehörten die Freilassung tamilischer politischer Gefangener und die Rückgabe von Land, das während des Kriegs vom Militär besetzt worden war, an seine tamilischen Eigentümer. Dissanayake ließ diese wie alle anderen populistischen Versprechen schnell fallen.
Die tamilische kapitalistische Partei Illankai Tamil Arasu Katchi (ITAK) erhielt landesweit 2,96 Prozent der Stimmen, wurde aber in 35 Kommunen im Norden und Osten stärkste Kraft, indem sie reaktionären tamilischen Nationalismus schürte. Keine der tamilischen bürgerlichen Parteien vertritt die Interessen der tamilischen arbeitenden Bevölkerung, sondern drängt nur auf mehr Privilegien für die tamilische Elite. ITAK und alle anderen Oppositionsparteien haben das Sparprogramm des IWF uneingeschränkt unterstützt.
Die Führung der JVP/NPP, die mit einem Erdrutschsieg gerechnet hatte, spielte ihre Verluste herunter und erklärte, sie hätte ein Mandat erhalten. JVP-Generalsekretär Tilvin Silva behauptete schon vor der Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse, die Partei habe einen „klaren“ und „starken Sieg“ errungen, und ihr Wahlerfolg bedeute, dass die Regierung „das Land weiter aufbauen“ werde.
Das bedeutet, dass die JVP/NPP-Regierung den Privatisierungskurs des IWF und den massiven Stellenabbau im öffentlichen Dienst verschärfen, weitere Einsparungen bei lebenswichtigen Dienstleistungen wie dem Gesundheits- und Bildungswesen durchführen, und Preise und Steuern erhöhen wird. Angesichts einer eskalierenden weltweiten Wirtschaftskrise und geopolitischen Konflikten hat Dissanayake für die zunehmenden Probleme des sri-lankischen Kapitalismus, einschließlich der Bedrohung durch die massiven US-Zölle, keine andere Lösung, als den arbeitenden Menschen weitere enorme Lasten aufzubürden.
Arbeiter können ihre Interessen nicht verteidigen, indem sie nicht wählen oder aus Protest gegen die Regierung für eine der oppositionellen kapitalistischen Parteien stimmen. Innerhalb des kapitalistischen Systems und des Nationalstaats gibt es keine Lösung für die soziale Katastrophe, mit der die Arbeiterklasse konfrontiert ist.
Die Socialist Equality Party hat trotz zahlreicher Hindernisse für ihren Wahlkampf als einzige Partei für die historischen Interessen der Arbeiterklasse gegen die JVP/NPP-Regierung und alle kapitalistischen Oppositionsparteien, pseudolinken Gruppen und deren Gewerkschaften gekämpft.
Wir erklärten in unserem Wahlprogramm:
Die SEP tritt bei den Wahlen für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter an, um die arme Landbevölkerung im Kampf gegen das Austeritätsprogramm der Regierung um sich zu sammeln. Wir rufen die Arbeiterklasse auf, mit allen kapitalistischen Parteien zu brechen und ihre enorme Stärke in einem betrieblichen und politischen Kampf einzusetzen. Das Ziel muss eine Arbeiter- und Bauernregierung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms sein.
Wir verteilten Zehntausende von Flugblättern auf Singhalesisch und Tamilisch und erklärten den Arbeitern, Jugendlichen und der armen Landbevölkerung, wie wichtig der Aufbau einer revolutionären Partei als Teil der internationalen Bewegung der Arbeiterklasse ist. Wir rufen alle, die uns gewählt und unseren Wahlkampf unterstützt haben, dazu auf, der SEP beizutreten und sie als revolutionäre Führung der Arbeiterklasse in den bevorstehenden Kämpfen aufzubauen.
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