Perspektive

Donald Trumps Krieg gegen die Verfassung und die demokratischen Rechte

Donald Trump im Gespräch mit der Moderatorin Kristen Welker in der NBC-Nachrichtensendung "Meet the Press", 4. Mai 2025 [Photo by NBC News - Meet the Press]

In einem außergewöhnlichen Interview, das am Sonntag in der NBC-Sendung Meet the Press ausgestrahlt wurde, verkündete Donald Trump wiederholt, dass er als Präsident der Vereinigten Staaten nicht an die Verfassung gebunden sei.

Auf die Frage „Müssen Sie als Präsident nicht die Verfassung der Vereinigten Staaten aufrechterhalten?“ antwortete Trump: „Ich weiß nicht.“ Und auf die Nachfrage der Moderatorin Kristen Welker, ob „alle Menschen“ in den Vereinigten Staaten nach der Verfassung Anspruch auf ein ordentliches Verfahren hätten, antwortete Trump erneut: „Ich weiß es nicht. Ich bin kein Anwalt.“

In diesem Austausch erklärt Trump mit wenigen Worten eine Präsidialdiktatur. Die Vereinigten Staaten werden von einem politischen Verbrecher geführt, der die Verfassung - und damit jedes demokratische Recht - als gegeben oder weggenommen betrachtet, wie es ihm beliebt.

Welche Rechte sind in der amerikanischen Verfassung verankert? Dazu gehören die Bill of Rights, auch bekannt als die ersten 10 Zusatzartikel der Verfassung. Darin ist der Schutz der individuellen Freiheit vor staatlicher Macht festgeschrieben. Dazu gehören die Rede- und Versammlungsfreiheit, die Gewissensfreiheit, das Recht des Einzelnen, die in einem Strafverfahren gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu erfahren, das Recht auf ein zügiges öffentliches Verfahren vor einer Jury aus Gleichgestellten, das Recht, in der eigenen Wohnung vor polizeilichen Durchsuchungen und Verhaftungen sicher zu sein, und die Freiheit von Folter.

Die Verfassung enthält auch die großen Bürgerkriegszusätze, welche die Sklaverei verbieten (13. Zusatzartikel), den Schutz vor den Regierungen der Bundesstaaten durch ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren und das Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft gewährleisten (14. Zusatzartikel) und das Wahlrecht schützen (15. Zusatzartikel).

Indem er erklärt, er sei nicht an die Verfassung gebunden, sagt Trump, dass das amerikanische Volk keines der Rechte hat, die es glaubt, in einem 250 Jahre währenden Kampf über Generationen hinweg errungen zu haben, und dass er glaubt, er könne nach Belieben Folter anordnen, politische Gegner verbannen und sogar die Abschaffung der Sklaverei rückgängig machen.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Klausel über ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren, die den Ausgangspunkt für die von Welker gestellten Fragen bildet, ist im fünften Verfassungszusatz enthalten. Sie schränkt die polizeilichen Befugnisse der Regierung scharf ein und besagt: „Niemandem darf ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren das Leben, die Freiheit oder das Eigentum entzogen werden.“ Der Wortlaut unterscheidet nicht zwischen den grundlegenden Rechten von Staatsbürgern und Nicht-Staatsbürgern auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.

Aber eine so sorgfältig durchdachte Wortwahl von Madison und den anderen Schöpfern der Verfassung bedeutet für Trump nichts. Er plant aktiv die Abschiebung in Konzentrationslager in El Salvador, und zwar nicht nur von nicht-eingebürgerten Einwanderern, denen auch nach dem fünften Verfassungszusatz ausdrücklich ein ordentliches Verfahren zusteht. Zudem plant er, die „Homegrowns“, wie er US-Bürger zu nennen pflegt, kurzerhand abzuschieben. Tatsächlich hat Trump bereits Bürger abgeschoben, darunter auch kleine Kinder, von denen eines an Krebs im fortgeschrittenem Stadium leidet.

Im Gegensatz zu Trumps Äußerungen steht es außer Frage, dass der Präsident an die Verfassung gebunden ist. Artikel II besagt im Klartext, dass das Amt selbst auf einem solchen Versprechen beruht. Trump selbst hat erst am 20. Januar bei seiner Amtseinführung auf Artikel II geschworen. Er gelobte mit der Hand auf der Bibel:

Ich schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten treu ausführen und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften bewahren, schützen und verteidigen werde.

Seit dem 20. April 1789, als George Washington für seine erste Amtszeit vereidigt wurde, hat jeder amerikanische Präsident denselben Eid geleistet. In Trumps Augen ist das eine Farce. Wie er bereits 2019 erklärte: „Ich habe einen Artikel II, der mir das Recht gibt, als Präsident zu tun, was ich will.“

Die Amerikanische Revolution, aus der die Verfassung hervorging, hat genau das gegenteilige Prinzip eingeführt. Sie begründete das Konzept, dass die Menschen mit „unveräußerlichen“ Rechten geboren werden, die ihnen von Monarchen oder ihren Richtern weder gegeben noch genommen werden können. In der Tat ist es nur zur Verteidigung solcher Rechte, dass „Regierungen unter den Menschen eingesetzt werden“, so Jefferson, „und ihre gerechte Macht von der Zustimmung der Regierten ableiten“. Nach Trumps Auffassung werden Rechte nach dem Willen des Herrschers vergeben oder entzogen, ganz im Sinne des absolutistischen Königs Ludwig XIV. von Frankreich, dem Trump voll und ganz zustimmen würde: „L'État, c'est moi!“ (Der Staat bin ich!)

In einer Monarchie liegt die souveräne Macht letztlich bei der Krone, die mit der göttlichen Sanktion der Kirche ausgestattet ist. Doch die Amerikanische und die Französische Revolution beendeten die Herrschaft der Könige - die erste, indem sie die Unterordnung der Kolonien unter Georg III. auflöste; die zweite, indem sie König Ludwigs Kopf vom Körper trennte.

Die Diktatur, die Trump aufbaut, ist nicht nur eine Gefahr für das amerikanische Volk. Als Oberbefehlshaber des US-Militärs verfügt der Präsident über unbeschränkte Befugnisse in Bezug auf Krieg und Atomwaffen. Die ganze Welt ist durch den Aufstieg des amerikanischen Führers bedroht.

Trumps Äußerungen bei Meet the Press sind nicht seine ersten diktatorischen Äußerungen. Am 25. Februar postete er in den sozialen Medien: „Wer sein Land rettet, verstößt gegen kein Gesetz“, in Anlehnung an seine historischen Vorbilder: Hitler (Führerprinzip: „Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz“), Mussolini („Alles innerhalb des Staates, nichts außerhalb des Staates, nichts gegen den Staat“), Pinochet („Die Streitkräfte haben aus patriotischen Beweggründen eingegriffen, um das Land von dem extremen Chaos zu befreien“) und Franco („Retter Spaniens“).

Die amerikanische Republik, die sich ihrem 250. Jahrestag nähert, wird Schritt für Schritt vernichtet von einer faschistischen Kabale, die nach einem ausgearbeiteten Plan handelt. Die Warnleuchten blinken rot:

  • Trumps Interview am Sonntag fällt mit seiner Ankündigung zusammen, dass er erwägt, seinen langjährigen faschistischen Berater Stephen Miller zum nationalen Sicherheitsberater zu ernennen. In einem kürzlich erschienenen rechtsgerichteten Podcast bezeichnete Miller Richter als „radikale Linke“ und warnte, dass Trump sogar den ultrarechts besetzten Obersten Gerichtshof umgehen könnte, wenn dieser nicht die Regierungspolitik unterstütze. „Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, auf die ich hier nicht eingehen werde, was die Befugnisse des Präsidenten angeht“, sagte Miller.
  • Trump und seine Berater haben deutlich gemacht, dass sie Gerichtsentscheidungen nur dann befolgen werden, wenn es ihnen passt - eine ausdrückliche Absage an die Unabhängigkeit der Justiz.
  • Trump hat auch die legislative Gewalt der Exekutive untergeordnet, indem in den ersten 100 Tagen eine Rekordzahl von 142 Präsidialerlassen von ihm erging. Mit diesen Anordnungen wurden weitreichende soziale Einschnitte vorgenommen und grundlegende demokratische Rechte ausgehöhlt.
  • Beamte der Einwanderungs- und Homeland-Security-Behörde fungieren jetzt als persönliche Stoßtrupps des Weißen Hauses, die es auf Einwanderer und rechtmäßige Einwohner abgesehen haben. Als sich die Richterin Hannah Dugan aus Wisconsin der Behörde widersetzte, um einen Einwanderer zu verteidigen, ordnete Trumps FBI-Direktor Kash Patel ihre Verhaftung an.
  • Maskierte Beamte der Einwanderungsbehörde entführen am helllichten Tag Personen mit legalem Aufenthaltsstatus und verweigern ihnen ein ordnungsgemäßes Verfahren oder den Kontakt zu Anwälten und Familienangehörigen. In einem Memo des Außenministeriums forderte US-Außenminister Marco Rubio die Abschiebung von Mahmoud Khalil, der eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt, wegen seiner „vergangenen, aktuellen oder erwarteten Überzeugungen“ - insbesondere, weil er sich kritisch zum Völkermord in Gaza geäußert hat. (Hervorhebung hinzugefügt.)

Nicht weniger bedeutsam als die Erklärungen Trumps ist das Ausbleiben einer ernsthaften Reaktion der Demokratischen Partei. Sie fürchtet sich weit mehr vor den revolutionären Implikationen, wenn sie der Arbeiterklasse die Wahrheit sagt, als vor dem Schlimmsten, was der Möchtegern-Diktator Donald Trump tun könnte. Trump ist sich der Komplizenschaft der „Oppositionspartei“ bewusst und setzt auf sie. Tatsächlich sind die Demokraten an einer weitreichenden Verschwörung gegen die Rechte des Volkes beteiligt. Versuche, an eine solche politische Formation zu appellieren, sind mehr als nutzlos.

Eine angemessene Erklärung der Demokratischen Partei in Reaktion auf Trumps Ankündigung vom Sonntag, dass er nicht an die Verfassung gebunden ist, wäre: „Dies sind die Aussagen eines politischen Verbrechers. Jetzt muss es um seine sofortige Amtsenthebung gehen.“ Kein führender Vertreter der Demokratischen Partei hat jedoch den Rücktritt Trumps gefordert. Kein einziger forderte ein Amtsenthebungsverfahren, geschweige denn eine Strafanzeige. Um es ganz offen zu sagen: Wenn die offene Erklärung des Präsidenten, dass er nicht an die Verfassung gebunden ist, nicht als „schweres Verbrechen und Vergehen“ gilt, dann gilt gar nichts.

Stattdessen war die allgemeine Reaktion in den Medien und bei den führenden Demokraten von Gleichgültigkeit geprägt. Der Vorsitzende der Demokraten im Senat, Charles Schumer, hatte nur Folgendes zu sagen:

Man kann sich kaum etwas Unamerikanischeres vorstellen, als wenn Donald Trump, der amtierende Präsident, sagt, er wisse nicht, ob er an die Verfassung gebunden ist.

Wer jedoch glaubt, dass der Oberste Gerichtshof handeln wird, um die Republik zu retten, missachtet seine gesamte jüngste Geschichte. Es sei erinnert an die Anordnung des Obersten Gerichts, die Stimmenauszählung im Fall Bush gegen Gore im Jahr 2000 zu stoppen, wodurch die Wahl an Bush ging. Dies markierte den Beginn einer Reihe von Entscheidungen, die der Demokratie schadeten und letztlich den Weg für den Diktator Trump ebneten. Zuletzt sanktionierte der Gerichtshof Exekutivgewalt im letzten Sommer die atemberaubende Ausweitung der im Fall Trump gegen die Vereinigten Staaten mit dem Urteil, dass der Präsident über unbegrenzte Machtbefugnisse hat, wenn er „in offizieller Funktion“ handelt, was er letztlich selbst festlegen kann.

Donald Trump ist das Ergebnis eines langen Prozesses der politischen Degeneration. Innerhalb der herrschenden Klasse als Ganzes gibt es keine nennenswerte Stütze für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte. Wie der WSWS-Chefredakteur David North an diesem Wochenende auf der Internationalen May Day Online Kundgebung sagte:

Objektiv betrachtet bedeutet der Angriff der Trump-Regierung auf die Demokratie eine gewaltsame Neuausrichtung der politischen Herrschaftsformen entsprechend den in der Gesellschaft bestehenden Klassenverhältnissen. Das Weiße Haus schwimmt in der stinkenden Jauche des Betrugs. Trump, der plumpe Geschäftemacher und Meister des Betrugs, ist nichts anderes als die Personifizierung einer kriminellen Oligarchie.

Marxisten haben die amerikanische Verfassung nie durch eine rosarote Brille betrachtet. Sie war ein Produkt ihrer Zeit und konnte als solches nur einen widersprüchlichen Charakter haben. Die aus der Aufklärung hervorgegangene Verfassung verankerte republikanische und demokratische Grundsätze, insbesondere in der großen Bill of Rights und den Bürgerkriegszusätzen. Diese haben die Sache der universellen menschlichen Befreiung erheblich vorangebracht. Aber die Verfassung schuf auch den Rahmen, in dem die amerikanische Kapitalistenklasse nicht nur regieren und sich über einen Kontinent und dann über die ganze Welt ausbreiten konnte - mit all den blutigen Verbrechen, die das mit sich brachte. Die reale Klassenherrschaft verbarg sich durch die Verfassung hinter dem Deckmantel der Legalität.

Die amerikanische herrschende Klasse, angeführt von Trump, ist dabei, den Rahmen, in dem sie ein Vierteljahrtausend lang regiert hat, in Brand zu setzen. Dies hat weitreichende revolutionäre Auswirkungen. Die amerikanische Arbeiterklasse ist im Gegensatz zu den Kapitalisten nach wie vor demokratisch gesinnt. Jetzt, da ihr der Klassenkampf vom Weißen Haus aufgezwungen wird und sie in Opposition geht, stellt die Arbeiterklasse fest, dass sie, um sich zu verteidigen, gezwungen sein wird, auch die großen demokratischen Traditionen und Errungenschaften der ersten beiden amerikanischen Revolutionen von 1775-1789 und 1861-1865 zu verteidigen.

Mehr noch: Trump zeigt, dass die Verteidigung der demokratischen Rechte untrennbar verbunden ist mit dem Sturz der Oligarchie und des kapitalistischen Systems, das er vertritt. Und die Verteidigung der demokratischen Rechte ist verbunden mit der Entwicklung einer Bewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus, die Enteignung der herrschenden Klasse und die Errichtung einer demokratischen Kontrolle des Wirtschaftslebens.

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