Wegen eines Rohrbruchs ist es in der Nacht auf Mittwoch vergangener Woche in großen Teilen Berlins zu massiven Einschränkungen in der Wasserversorgung gekommen. Dieser Vorfall wirft erneut ein Schlaglicht auf die marode Infrastruktur in der Hauptstadt und die Auswirkungen, welche die jahrzehntelange Kürzungspolitik aller Landesregierungen hinterlassen hat.
Wie die Berliner Wasserbetriebe bestätigten, hatte der gesamte Nordosten von Berlin kein Wasser. Gegen Mitternacht platze eine Leitung am Platz der Vereinten Nationen im Bezirk Friedrichshain. Dies führte zu einem erheblichen Druckabfall in der östlichen Stadthälfte. Betroffen waren die Bezirke Mitte, Friedrichshain, Lichtenberg, Prenzlauer Berg, Pankow, Weißensee, Hellersdorf, Kaulsdorf und Marzahn. Erst in den frühen Morgenstunden war die Wasserversorgung größtenteils wieder hergestellt.
Auch die umliegenden Straßen waren für den Verkehr wegen Überflutung für Stunden gesperrt. Nach Angaben der Polizei muss eine Hauptverkehrsstraße mehrere Monate lang voll gesperrt bleiben, bis die Reparaturarbeiten abgeschlossen sind.
Ursache für den Bruch des Wasserrohres mit einem Durchmesser von 80 cm ist nach Angaben der Wasserbetriebe offensichtlich das Alter der Leitung, die in diesem Fall 101 Jahre beträgt.
Ein derartiger Vorfall ist keinesfalls selten. Erst am Silvesterabend war eine der Hauptleitungen für Trinkwasser, die vom Wasserwerk Tegel in die Innenstadt führt, im Bezirk Wedding gebrochen. Große Wassermengen überfluteten die Straße, und infolge dessen waren hunderttausende Haushalte in mehreren Bezirken für Stunden ohne Wasser.
Nach Angaben der Wasserbetriebe gibt es im Jahr durchschnittlich rund 500 Wasserrohrbrüche in der Hauptstadt. Dabei wird mit einer steigenden Anzahl in den nächsten Jahren zu rechnen sein, wenn immer mehr Leitungen ein kritisches Alter erreichen und keine ausreichende Sanierung stattfindet. Die Haupt- und Versorgungsleitungen des rund 19.000 Kilometer langen Netzes sind den Wasserbetrieben zufolge im Schnitt fast 60 Jahre alt.
Dies sind nur die jüngsten Vorfälle, die deutlich machen, wie marode die öffentliche Infrastruktur in der Hauptstadt ist. So müssen beispielsweise 120 der rund 800 Berliner Brücken in den kommenden zehn Jahren neu gebaut werden, weil ihre Stabilität nicht mehr als sicher eingeschätzt wird. Bei rund 70 dieser Brücken wurde der sogenannte Hennigsdorfer Spannstahl verwendet. Mit diesem wurde auch die Dresdner Carolabrücke gebaut, die im vergangenen September unvermittelt einstürzte.
Bei Straßen und Schienen für den öffentlichen Nahverkehr sieht es ähnlich schlecht aus. Ganz zu schweigen von Schulen und öffentlichen Gebäuden, die teilweise regelrecht dem Verfall überlassen werden.
Die Reinhardswald-Grundschule im Bezirk Kreuzberg verfällt seit Jahrzehnten. Hier müssen Schüler und Lehrer hinter bröckelnden Wänden und mit lückenhaftem Brandschutz und sogar unter Asbestbelastung unterrichten. Mittlerweile ist der Zustand derart bedenklich, dass die Schule laut einem Gutachten nur noch bis Anfang 2028 betrieben werden darf.
Nach bisherigen Plänen der Senatsverwaltung soll die Schule dann in das Gebäude der nahegelegene Aziz-Nesin-Grundschule umziehen. Dieses wäre aber auch nur für kurze Zeit nutzbar, da dort ebenfalls erhebliche bauliche Mängel vorliegen.
Mindestens 108 Milliarden Euro würden in den kommenden zehn Jahren für die Sanierung und Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur von Berlin benötigt, wie aus einer Studie der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, der Investitionsbank Berlin (IBB) und des Ostdeutschen Bankenverbandes hervorgeht, die kürzlich in Berlin vorgestellt wurde. Diese Summe sei nötig, um Straßen, Schienen, Brücken, Schulen, Universitäten, Wasser- und Wärmenetze und vieles mehr auf den aktuellen Stand zu bringen, heißt es darin.
Demnach seien 48 Milliarden Euro für öffentliche Gebäude nötig, 17 Milliarden Euro für den Nahverkehr, 13 Milliarden Euro für Universitäten, Schulen und Kitas sowie 11 Milliarden Euro für landeseigene Wasser-, Energie- und Wärmenetze.
Dieser Verfall der öffentlichen Infrastruktur ist das Ergebnis der jahrzehntelangen Sparpolitik, die von allen etablierten Parteien verfolgt wurde.
Von 2002 bis 2011 setzten SPD und PDS, die Vorgängerin der Linken, einen radikalen Sparkurs durch, dem tausende Stellen im öffentlichen Dienst zum Opfer fielen. Öffentliche Einrichtungen, die nicht geschlossen wurden, wurden die Mittel drastisch gekürzt.
Dies setzte sich unter der folgenden SPD-CDU-Regierung ebenso fort, wie ab 2016 unter dem Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei. Noch Anfang 2022 beschloss die damalige Landesregierung einen Doppelhaushalt für 2022 und 2023, mit dem der Etat von mehr als 40 Milliarden Euro auf 35,7 Milliarden gesenkt wurde. Gespart wird dabei vor allem am Schulsystem.
Vor dem Hintergrund der größten Aufrüstung Deutschlands seit dem Nationalsozialismus treibt die jetzige Landesregierung von CDU und SPD die Kürzungen im Haushalt auf die Spitze.
Alleine in den Bereichen Umwelt und Verkehr werden mindestens 660 Millionen Euro eingespart. Dies betrifft auch dringend notwendige Bauvorhaben im gesamten Stadtgebiet. Insgesamt hat das Kürzungspaket ein Volumen von 3 Milliarden Euro für dieses Jahr.
Nachdem die ersten Kürzungen bereits Auswirkungen zeigen, legt der Senat immer weiter nach. So wurden ab April weitere 39 Millionen Euro für Bildung, Jugend und Familie gekürzt. Diese Streichung kommt zu den bereits im Dezember beschlossenen 370 Millionen Euro im Bildungsbereich hinzu.
Die Kürzungen wollen die Koalitionsparteien nun dazu nutzen, öffentliche Aufgaben in großem Stil an Unternehmen abzugeben. Stefan Brandt, Vorstandsmitglied der landeseigenen Investitionsbank IBB, appellierte an die Landesregierung, Gelder bei privaten Investoren einzusammeln und öffentlich abzusichern.
Im Koalitionsvertrag wird bereits erwähnt, dass die Landesregierung verschiedene Projekt in so genannter Public-private-Partnership (PPP) umsetzen will. Dies bedeutet, dass öffentliche Aufgaben privaten Unternehmen übergeben werden und diese sich ohne jedes unternehmerische Risiko den Gewinn abschöpfen können. Bei Mehrkosten oder einem möglichen Scheitern des Projekts übernimmt die öffentliche Hand die Kosten.
Sämtliche Parteien unterstützen diese Auslagerung öffentlicher Aufgaben vorbehaltlos. Gerade in Berlin haben SPD und Linke schon zahlreiche derartige Projekte umgesetzt. Zuletzt hatte 2023 der rot-rot-grüne Senat beschlossen, den Bau einer Kinderklinik an der Charité als PPP umzusetzen.
Im März hatte die CDU im Rahmen einer Anhörung zum Thema Infrastruktur und Brückensicherheit Vertreter des privaten Bauunternehmens Max Bögl in den Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses eingeladen, um eine Präsentation zum Bau von „Modulbrücken“ zu halten.
Während immer mehr Gelder in Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen gesteckt werden, werden die grundlegenden Bedürfnisse der breiten Mehrheit der Bevölkerung vollkommen ignoriert. Sichere Infrastruktur, ausreichend Wohnraum, hochwertige Bildung und Gesundheitsfürsorge gelten als nicht finanzierbar.
Sämtliche Parteien unterstützen aus diesem Grund die Aufrüstung nach Innen, um jede Opposition gegen diese Politik zu unterdrücken. Nicht zufällig ist das Budget für Polizei und Sicherheitsbehörden das einzige im Berliner Landeshaushalt, das nicht gekürzt, sondern aufgestockt wurde.