Die Mitgliedschaft der SPD hat sich mit deutlicher Mehrheit für eine Koalitionsregierung mit den Unionsparteien CDU und CSU ausgesprochen. Damit steht der Wahl des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zum deutschen Bundeskanzler am 6. Mai nichts mehr im Wege.
Wie SPD-Generalsekretär Matthias Miersch am Mittwoch mitteilte, beteiligten sich 56 Prozent der 358.000 Mitglieder an der Abstimmung. Das sind deutlich weniger als bei entsprechenden Mitgliedervoten 2013 und 2018, als jeweils 78 Prozent ihre Stimme abgaben. Von den Teilnehmern stimmten 84,6 Prozent dem Koalitionsvertrag zu.
Die Regierungsbeteiligung unter Merz kennzeichnet eine neue Stufe des Niedergangs der SPD, deren Geschichte vor mehr als 150 Jahren unter dem Banner des Marxismus begann. Die Merz-Regierung ist ohne Zweifel die rechteste und arbeiterfeindlichste in der Geschichte der Bundesrepublik. Ihr wichtigstes Ziel besteht darin, alle Fesseln abzuwerfen, die dem deutschen Militarismus aufgrund seiner Verbrechen im Zweiten Weltkrieg angelegt wurden. Zu diesem Zweck hat der Bundestag am 18. März Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro verabschiedet.
Die Rückkehr zum Militarismus geht mit der Übernahme des Programms der AfD bei der inneren Aufrüstung sowie bei der Flüchtlings- und Kulturpolitik einher. Einige Regierungsmitglieder, wie Innenminister Alexander Dobrindt und Kulturstaatssekretär Wolfram Weimer, stehen am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums. Kanzler Merz selbst ist ein Mann der Finanzoligarchie. Er hat vier Jahre lang den deutschen Ableger von Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, geleitet.
Die SPD ist in der neuen Regierung für Aufrüstung und Sozialabbau zuständig. Sie wird das Verteidigungs-, das Finanz- und das Arbeitsministerium führen. Die Namen der künftigen SPD-Minister werden zwar erst am kommenden Montag bekanntgegeben, es steht aber bereits fest, dass Parteichef Lars Klingbeil neuer Vizekanzler und Finanzminister wird. In dieser Funktion wird er dafür verantwortlich sein, die explodierenden Rüstungsausgaben und die Folgen des internationalen Handelskriegs auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen.
Im Koalitionsvertrag werden nur wenige konkrete Sozialkürzungen konkret genannt. Sie treffen vor allem die Ärmsten der Gesellschaft, die sich schon jetzt immer weniger leisten können und deren Zahl stark anwächst: Bürgergeldempfänger und Flüchtlinge. Der Anteil der Armen an der Bevölkerung ist laut Paritätischem Gesamtverband bereits 2024 von 14,4 auf 15,5 Prozent oder 13 Millionen Menschen gestiegen.
Alle anderen Sozialausgaben stehen entweder unter Finanzierungsvorbehalt oder es werden spezielle Kommissionen gebildet, um Kürzungen auszuarbeiten. Das heißt, sie werden dem Rotstift zum Oper fallen, wenn sich die wirtschaftliche Lage, wie bereits abzusehen, weiter verschlechtert.
Der langjährige SPD-Funktionär Ralf Stegner, der sich aus unerfindlichen Gründen als „Linker“ bezeichnet, rechtsfertigte die Zustimmung zur Merz-Regierung damit, dass man sonst das Feld den Rechtsextremisten von der AfD überlassen würde. Das sei absolut inakzeptabel.
Tatsächlich ist es die militaristische und arbeiterfeindliche Politik der SPD, die den Rechtsextremen den Weg bahnt, und zwar in doppelter Weise: Zum einen fördern die Sozialdemokraten die AfD, indem sie ihre Flüchtlingshetze und ihre Law-and-Order-Politik übernehmen; zum anderen ermöglichen sie es den Rechtsextremen durch ihren Schulterschluss mit Merz, Dobrindt und Co., sich als einzige Opposition gegen die verhassten politischen Eliten aufzuspielen.
Seit 1998 war die SPD mit einer Pause von vier Jahren an sämtlichen Bundesregierungen beteiligt. Zweimal – von 1998 bis 2005 und von 2021 bis 2025 – stellte sie den Bundeskanzler. Von 2005 bis 2009 und von 2013 bis 2021 diente sie der CDU unter Kanzlerin Angela Merkel als Juniorpartner. In diesen 26 Jahren fiel das Wahlergebnis der SPD von 40,9 auf 16,4 Prozent. Das der AfD, die 2013 gegründet wurde, stieg auf 20,8 Prozent. In den jüngsten Umfragen ist die AfD mit 25 Prozent sogar stärkste Partei.
In derselben Zeit sind die Vermögen und Einkommen der Superreichen explodiert. Im Herbst 2024 lebten 249 Milliardäre und 3000 Superreiche mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar in Deutschland. Eine winzige Minderheit von etwa 0,6 Prozent der Bevölkerung besitzt 45 Prozent des Gesamtvermögens. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Armen stark gewachsen. Berücksichtigt man die Belastung durch hohe Mieten, ist mittlerweile mehr als jeder fünfte Einwohner Deutschlands von Armut betroffen.
Die wachsende soziale Kluft ist ein direktes Ergebnis der Politik der SPD – ihrer Hartz-Reformen, ihrer zahlreichen Renten-, Gesundheits- und sonstigen Sozialreformen und der Milliardensummen, mit denen sie Banken vor ihrem selbstverschuldeten Bankrott „rettete“. Der Begriff „Reform“, der einst soziale Verbesserung bedeutete, ist in der Sprache der SPD zum Inbegriff für Sozialabbau geworden.
Die SPD vertritt – wie alle anderen Parteien im Bundestag – die Interessen des Kapitals und des deutschen Imperialismus. Nichts verbindet die einstige Arbeiterpartei mehr mit den Interessen der breiten Bevölkerung. Ihre schrumpfende Mitgliedschaft – 1973 hatte sie noch über eine Million Mitglieder – besteht vorwiegend aus Amtsträgern, Beamten, Parteifunktionären und Gewerkschaftsbürokraten, die das Parteibuch für ihre persönliche Karriere brauchen.
Zu den wenigen Stimmen, die öffentlich zur Ablehnung des Koalitionsvertrags aufriefen, gehört die des Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer. Diese Form des harmlosen jugendlichen Protests gehört in der SPD zur Karriereplanung.
Bereits Türmers Vorvorgänger Kevin Kühnert hatte 2018 eine „No-Groko-Kampagne“ gegen die Fortsetzung der Koalition mit der CDU/CSU angeführt und damit bundesweite Bekanntheit erlangt. Der Spiegel veröffentlichte sein Bild auf der Titelseite, der NDR widmete ihm eine sechsteilige Serie und die F.A.Z. bescheinigte ihm ein „unheimliches Talent“. Zwei Jahre danach wurde Kühnert zum stellvertretenden Parteivorsitzenden und später zum Generalsekretär der SPD gewählt. Nun hielt er der GroKo und später der Ampel-Koalition den Rücken frei.
Inzwischen predigt Kühnert, der kurz vor dem Ende der Ampel-Regierung überraschend von seinen Ämtern zurücktrat, allgemeine politische Versöhnung. Der Zeit vertraute er kürzlich an, er habe sich vor einigen Jahren in einen Mann mit FDP-Parteibuch verliebt und gelernt, dass man sich darum bemühen müsse, unterschiedliche Meinungen auszuhalten. „Es braucht das ständige Bewusstsein, dass der politische Gegner auch recht haben könnte,“ zitiert ihn die Zeit. Millionen, die unter der aggressiven Finanzpolitik von FDP-Finanzminister Christian Lindner litten, werden dies anders sehen.
Auch Türmer erklärte nach Bekanntgabe des Mitgliedervotums, die Jusos akzeptierten das Ja „selbstverständlich“. Die Mitglieder hätten sich „in einer demokratisch extrem schwierigen Ausgangslage“ entschieden. Es sei nun wichtig, in der Koalition „das Soziale nach vorne“ zu stellen. Das heißt, die Jusos werden Merz und seine rechte Regierung loyal unterstützen.
Auch die Gewerkschaften und die Linkspartei spielen eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der SPD und der Merz-Regierung.
Die Gewerkschaften, deren Spitzenfunktionäre vielfach SPD-Mitglieder sind, setzen seit Jahren Sozialabbau, Reallohnsenkungen und Massenentlassungen durch und unterdrücken den Widerstand dagegen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fiel während der Bundestagswahl dem Tarifkampf von fast 3 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen in den Rücken, um zu verhindern, dass es zu einer breiteren Mobilisierung kommt.
Die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner bezeichnete es als „Desaster“, wenn die Regierungsbildung scheitern würde. Der Koalitionsvertrag enthalte „viele gute Elemente“, die „jetzt tatsächlich auch umgesetzt werden“ müssten, sagte sie dem Spiegel. Die IGM sehe zwar auch „kritische Punkte im Koalitionsvertrag, aber keine Alternative dazu“.
Die Linkspartei übt zwar hin und wieder Kritik am rechten Kurs der SPD. Doch wenn es auf sie ankommt, kann sich die SPD auf ihre Unterstützung verlassen. In Berlin, Thüringen, Brandenburg und anderen Bundesländern habe ihre Minister den übelsten Sozialabbau und die brutale Abschiebung von Flüchtlingen organisiert. Selbst dem Eine-Billion-Aufrüstungspaket hat Die Linke im Bundesrat zugestimmt, obwohl es auf ihre Stimme gar nicht ankam.
Breite Schichten von Arbeitern und Jugendlichen werden unweigerlich mit der Merz-Regierung und ihrer Politik des Militarismus, der Staatsaufrüstung und des Sozialabbaus in Konflikt geraten. Um den Kampf zu führen und zu gewinnen, müssen sie sich vom lähmenden Einfluss der SPD, der Linken und der Gewerkschaften lösen.
Sie brauchen eine eigene Partei, die die Opposition gegen Militarismus und Sozialabbau mit dem Kampf gegen ihre Ursache, den Kapitalismus, verbindet, die dem Nationalismus der Herrschenden die internationale Einheit der Arbeiterklasse entgegenstellt und die für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft kämpft, in der menschliche Bedürfnisse Vorrang vor Profiten haben.
Diese Partei bauen die Sozialistische Gleichheitspartei und das Internationale Komitee der Vierten Internationale auf.