80 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht schwingt sich Deutschland wieder zur militärischen Großmacht auf. Schon vor der Verabschiedung der gigantischen Aufrüstungspläne der neuen Regierung gab die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2024 so viel Geld für Rüstung aus, wie nie zuvor, und steht nun auf Platz vier aller Länder der Welt. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Bericht des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI hervor.
Es vergeht kein Tag, an dem Politiker und Medien nicht darüber lamentieren, dass die Bundeswehr in einem desolaten Zustand und unfähig sei, das Land zu verteidigen. Tatsächlich geben auf der ganzen Welt nur die Atommächte USA (997 Mrd. Dollar), China (314 Mrd.) und Russland (149 Mrd.) mehr für Rüstung aus als Deutschland mit 88,5 Mrd. Dollar. Die BRD ist damit innerhalb eines Jahres von Platz sieben auf Platz vier der weltweiten Rüstungsausgaben aufgestiegen und erstmals seit der Wiedervereinigung an Frankreich (64,7 Mrd.) und Großbritannien (81,8 Mrd.) vorbeigezogen.
Deutschland hat seine Rüstungsausgaben damit gegenüber 2023 um 28 Prozent gesteigert – drei Mal so viel wie der globale Durchschnitt von 9,4 Prozent. Über die letzten zehn Jahre beträgt die Steigerung laut SIPRI sogar 89 Prozent. Ein erheblicher Anteil der Ausgabensteigerungen macht mit 7,7 Mrd. Dollar die Finanzierung des Ukraine-Kriegs aus, mit dem die Bundesregierung Russland militärisch unterwerfen will.
Auch die übrigen Rüstungsprojekte, die 2024 auf den Weg gebracht wurden und im Haushalt zu Buche schlagen, zeigen den aggressiven Charakter der deutschen Aufrüstung. Allein im Dezember letzten Jahres beschloss der Bundestag 37 Rüstungsprojekte im Gesamtwert von über 20 Mrd. Euro. Dazu zählen neue U-Boote, der Mehrfachraketenwerfer PULS sowie die Modernisierung der Mittelstreckenrakete Taurus, des Schützenpanzer Puma und des Eurofighters. Schon im Sommer wurde die Beschaffung zweier neuer Fregatten beschlossen.
Dass es dabei nicht um die Abwehr eines imaginierten russischen Angriffs geht, machen schon die nackten Zahlen deutlich. Laut SIPRI geben allein die west- und mitteleuropäischen Länder zusammen 472 Mrd. Dollar für ihr Militär aus. Russland kommt demgegenüber nur auf 149 Mrd. Dollar – weniger als ein Drittel davon. Die Nato insgesamt bestreitet 55 Prozent aller Rüstungsausgaben weltweit, Russland nur ein Zehntel davon.
All die Zahlen beziehen sich auf 2024 und berücksichtigen noch nicht das horrende Aufrüstungspaket, das die neue Regierungskoalition am 18. März durch den Bundestag gepeitscht hat. Es sieht 500 Mrd. Euro an Krediten dafür vor, die Infrastruktur kriegstüchtig zu machen, und entbindet Rüstungsausgaben vollständig von der Schuldenbremse.
Hier sollen nach Regierungsplänen weitere 500 Mrd. an Kriegskrediten aufgenommen werden. Selbst wenn diese über fünf Jahre gestreckt würden – was noch nicht ausgemacht ist –, würden allein die deutschen Rüstungsausgaben jene Russlands weit überschreiten und sich in Richtung 200 Mrd. Dollar bewegen. Deutschland wäre dann mit großem Abstand größte Militärmacht Europas und die drittgrößte der Welt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte bereits kurz nach seiner Amtsübernahme im Januar 2023 erklärt, Deutschlands „Ziel“ müsse es sein, „die stärkste und die am besten ausgestattete Armee in der EU zu haben“. Etwas später erklärte er, dass Deutschland innerhalb von drei bis fünf Jahren fähig sein müsse, einen Krieg gegen Russland zu gewinnen.
Der langjährige Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung der DGAP in Berlin, Christian Mölling, präzisierte am Montag im Spiegel, dass Deutschland „höchstens bis 2029“ Zeit habe, diese Pläne in die Tat umzusetzen, und plädierte für „schnelles und massives Wachstum“.
80 Jahre nach dem Vernichtungskrieg der Nazis gegen die Sowjetunion, der mindestens 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben kostete, planen die deutschen Eliten wieder Krieg gegen Russland. Sie folgen dabei den alten historischen Linien und wollen Osteuropa beherrschen, die Ukraine plündern und Russland unterwerfen, um sich ihre Rohstoffe und Absatzmärkte einzuverleiben. Die wachsenden Handelskonflikte mit den USA verstärken diesen Drang.
Doch der Rüstungswahnsinn geht weit darüber hinaus. Die deutsche Regierung will strategische Unabhängigkeit von den USA erreichen und ganz Europa militärisch und wirtschaftlich dominieren.
Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Berthold Kohler, sprach das am Tag der SIPRI-Veröffentlichung in einem Leitartikel ganz offen aus. „Die Festung Europa braucht zum Schutz vor dem Moskauer Eroberungsdrang wie vor siebzig Jahren [als Deutschland der Nato beitrat] deutsche Soldaten“, erklärt Kohler. Das allein reiche angesichts der amerikanischen Abkehr aber nicht aus. Deutschland müsse „auch sicherheitspolitischen Führungswillen entwickeln“.
Dieser „Führungswille“ erstreckt sich über den gesamten Globus. Im Koalitionsvertrag kündigen CDU und SPD an, die „die strategischen Interessen in der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ stärker wahrzunehmen, dem „russischen und chinesischen Einfluss in Afrika“ entgegentreten und „strategische Partnerschaften mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik“ auszubauen. Ferner sei eine „stabile, freie und sichere Indo-Pazifik-Region von elementarem Interesse“. China werde man „mit Selbstbewusstsein und eigener Stärke gegenübertreten“, so die Koalitionsparteien.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Dieses wahnsinnige Aufrüstungs- und Kriegsprogramm kann nur durch massive Angriffe auf breite Schichten der Bevölkerung finanziert werden. Allein die beschlossenen Kriegskredite bedeuten zusätzliche jährliche Belastungen von mehreren Dutzenden Milliarden Euro. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Kürzungen beim Bürgergeld und Entlassungen im öffentlichen Dienst sind nur der Anfang. Lohnkürzungen und Massenentlassung stehen ebenso auf der Tagesordnung wie Kürzungen bei Bildung, Renten und Gesundheit. Hinzu kommen die Stellenstreichungen in der Industrie, um diese kriegs- und handelskriegstüchtig zu machen.
Der Aufrüstungswahnsinn wird von sämtlichen Bundestagsparteien unterstützt. Grünen und AfD geht selbst das Billionenprogramm nicht weit genug. Während die AfD einen regulären Kriegshaushalt von fünf Prozent des BIP (derzeit etwa 225 Mrd. Euro) fordert, haben die Grünen ihre Zustimmung von einer weiteren Steigerung der Aufrüstung abhängig gemacht. Auch die Linkspartei, die sich gern als Gegnerin des Militarismus inszeniert, hat dem Rüstungspaket im Bundesrat zugestimmt, obwohl es auf ihre Stimmen nicht einmal ankam.
Der Grund für diese Einheitsfront für Krieg und Kürzungen liegt in der tiefen Krise des Kapitalismus. Wie Trump in den USA reagiert die herrschende Klasse darauf auch hier mit Diktatur nach innen und Krieg nach außen. Davon legt die Besetzung der Ministerien mit rechten Hardlinern und Vertretern der Wirtschaftsoligarchie beredtes Zeugnis ab.
Die einzige Möglichkeit, diesen Wahnsinn zu stoppen, besteht in der internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus, also all jener, die den ganzen gesellschaftlichen Reichtum schaffen und die ganze Last von Krieg und Krise zu tragen haben. Diese sozialistische Perspektive stellt das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) am 3. Mai um 21 Uhr auf der International May Day Online Rally vor. Im Aufruf dafür heißt es:
Die diesjährige Maikundgebung wird ein sozialistisches Programm vorstellen, um die Arbeiter international im Kampf gegen den Kapitalismus zu vereinen. Sie wird eine revolutionäre Perspektive zur Beendigung der imperialistischen Gewalt und zum Aufbau einer Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichheit und menschlichen Bedürfnissen skizzieren.
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