Perspektive

Trumps erste 100 Tage der Konterrevolution und Kriminalität

Präsident Donald Trump nach Ankunft im Weißen Haus in Washington, 27. April 2025 [AP Photo/Manuel Balce Ceneta]

Die ersten 100 Tage einer US-Präsidentschaft dienen traditionell als Maßstab für die Bewertung von Agenda und Kurs einer neuen Regierung. Diese Praxis geht zurück auf Franklin Delano Roosevelt, der 1933, inmitten der Großen Depression, den Kongress zu einer Sondersitzung einberief und 15 wichtige Gesetze einbrachte, welche die Grundlage für die Politik des „New Deal“ bildeten.

Dies war eine Zeit, in der sich der amerikanische Kapitalismus im Aufschwung befand. Die herrschende Klasse Amerikas reagierte auf die Gefahr einer Revolution und führte - nicht ohne erbitterte interne Konflikte - eine Politik der sozialen Reformen ein. Wenn Roosevelts erste 100 Tage nach seinen eigenen Worten „die Räder des New Deal in Gang setzten“, haben Trumps erste 100 Tage die Maschinerie der Konterrevolution und der Kriminalität in Gang gesetzt.

Seit seinem ersten Tag im Amt hat Trump systematisch darauf hingearbeitet, eine Präsidialdiktatur zu errichten. Er folgt dabei einem Plan, der von seinen faschistischen Beratern ausgearbeitet wurde. Dies begann direkt am 20. Januar, seinem ersten Tag im Amt, als er eine Reihe von Erlassen unterzeichnete. Diese griffen die freie Meinungsäußerung an und den in der Verfassung hinterlegten Schutz des Geburtsrechts auf Staatsbürgerschaft. Sie erweiterten die militärischen und exekutiven Befugnisse des Präsidenten und waren der Beginn eines umfassenden Angriffs auf Einwanderer und politische Gegner.

In den darauffolgenden Wochen hat das Weiße Haus diese Agenda umgesetzt: Die Regierung hat Studierende festnehmen lassen, weil sie gegen den Völkermord im Gazastreifen protestierten. Sie hat Einwanderer auf Grundlage des Alien Enemies Act in Konzentrationslager in El Salvador deportiert und mindestens drei Kinder von US-Bürgern nach Honduras abgeschoben. Letzte Woche wurden in Florida Hunderte von Migranten inhaftiert, in der ersten einer geplanten Serie gemeinsamer Massenverhaftungen von Bund und Ländern.

Die Regierung hat damit gedroht, massenhaft US-Bürger abzuschieben - die Trump als „homegrowns“ bezeichnet - und sie führt einen beispiellosen Angriff auf die Justiz durch, zuletzt mit der Verhaftung von Richterin Hannah Dugan. Am Montag dieser Woche unterzeichnete Trump eine Reihe neuer Präsidialerlasse, mit denen Generalstaatsanwältin Pam Bondi und Heimatschutzministerin Kristi Noem angewiesen wurden, „alle erforderlichen Rechtsmittel und Durchsetzungsmaßnahmen“ gegen so genannte „sanctuary cities“ zu ergreifen, d.h. gegen Kommunen, welche nicht mit der Bundesregierung zusammenarbeiten bei den Maßnahmen gegen Zugewanderte. Gleichzeitig hat die Regierung den Rechtsschutz für Polizeibeamte verstärkt, denen Gewalt und Todschlag vorgeworfen werden.

In den letzten Wochen hat das Regime sein Augenmerk auf die Universitäten gerichtet. Trump versucht, die Lehrpläne umzuschreiben und die Einrichtungen einer Gleichschaltung zu unterziehen – in einer amerikanischen Version der Nazi-Politik. In Anlehnung an einen Präzedenzfall, der sich bereits unter der Biden-Regierung ereignet hat, führen Trumps Beamte diese Kampagne unter dem zynischen Banner der „Antisemitismus-Bekämpfung“ durch – obwohl sie selbst oft kaum den Hitlergruß unterdrücken können.

Selbst Teile der Medien erkennen inzwischen die weitreichenden Folgen von Trumps Handeln. Am Montag zitierte die New York Times Rechtsexperten, die davor warnen, dass die Vereinigten Staaten am Rande einer Diktatur stehen. David Pozen von der Columbia University spricht von „autoritärem Konstitutionalismus“, Jack Balkin von der Yale University erklärt, das Verfassungssystem stehe „auf Messers Schneide“, und Burt Neuborne von der New York University nennt Trumps Angriff auf die Justiz „eine existenzielle Bedrohung für die amerikanische Verfassungsdemokratie“.

Welche sozialen und historischen Bedingungen haben die Trump-Regierung hervorgebracht? Wie ist es möglich, nicht nur seine Wahl, sondern auch seine Wiederwahl zu erklären? Solche Fragen werden selten gestellt, geschweige denn ernsthaft beantwortet, denn sie verweisen nicht auf Trumps persönliche Eigenschaften, sondern auf den Charakter des amerikanischen Kapitalismus selbst.

Die World Socialist Web Site erklärte am Tag nach der Wahl, Trumps Rückkehr ins Weiße Haus stelle „eine gewaltsame Neuausrichtung des amerikanischen politischen Überbaus dar, die den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen in den Vereinigten Staaten entspricht“.

Trump ist die Verkörperung der Oligarchie, die Personifizierung ihrer Fäulnis. Er repräsentiert die politische Unterwelt an der Macht.

Die Finanzoperationen rund um die Meme-Coin $TRUMP offenbaren den Charakter derjenigen, welche die Regierung leiten. Letzte Woche kündigten Trump und seine Kumpane an, dass der Top-Inhaber der Kryptowährung ein Abendessen mit dem Präsidenten gewinnen würde, was die Marktkapitalisierung der Währung um 700 Millionen Dollar in die Höhe schnellen ließ. In nur 48 Stunden kassierten die Insider - einschließlich Trump selbst - fast 900.000 Dollar an Handelsgebühren.

Dieser eklatante Finanzbetrug unterscheidet sich nur im Ausmaß, nicht in der Art, von den täglichen Operationen des Kartells, das als Wall Street bekannt ist. Die Vereinigten Staaten werden von einer kriminellen Finanzaristokratie regiert, die unvorstellbaren Reichtum angehäuft hat. Im Jahr 2024, dem letzten Jahr der Biden-Regierung, steigerten die 19 reichsten Milliardärsfamilien ihr Vermögen um 1 Billion Dollar. Das gesamte politische System fungiert als ihr Instrument.

Diese Oligarchie führt eine massive soziale Konterrevolution gegen die Arbeiterklasse durch. In den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit hat die Regierung - durch das von Elon Musk geleitete „Department of Government Efficiency“ (DOGE) - Zehntausende Bundesbedienstete entlassen, öffentliche Einrichtungen abgebaut, Arbeits- und Umweltschutzvorschriften gestrichen und Milliarden-Kürzungen bei den Resten der ohnehin spärlichen Sozialprogramme begonnen.

Im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens hat Trump eine Zerstörungskampagne entfesselt, angeführt von dem Anti-Impf-Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr.. Er hat über 20.000 Mitarbeitende des öffentlichen Gesundheitswesens entlassen und von Impfprogrammen abgeraten, was zur Verbreitung von Krankheiten wie Masern und Keuchhusten führt. Im Bildungsministerium leitet Linda McMahon die Bemühungen, das öffentliche Bildungswesen abzubauen und zu privatisieren, wodurch der Angriff auf die sozialen Grundrechte noch verstärkt wird. Und am Montag wurden Hunderte von Forschern im ganzen Land per E-Mail darüber informiert, dass sie von ihrer Arbeit zur Vorbereitung des nächsten Nationalen Klimagutachtens, das im Jahr 2028 erscheinen sollte, „entbunden“ worden sind.

Demokratische Herrschaftsformen sind unvereinbar mit der massiven Konzentration von Reichtum bzw. der Politik, die zur Erhaltung dieser Vermögensverteilung notwendig ist.

Auch sind demokratische Formen nicht mit den endlosen Kriegen vereinbar, die der amerikanische Imperialismus zur Aufrechterhaltung seiner globalen Hegemonie führt. Die grenzenlosen und eskalierenden Kriege des amerikanischen Imperialismus, die auf das Ende des Kalten Krieges folgten, sind unter Präsident Biden und durch den Krieg gegen Russland in das Anfangsstadium eines Weltkrieges übergegangen.

Unabhängig von den Konflikten, die innerhalb des Staates über die Außenpolitik und Trumps Handelskriegsmaßnahmen bestehen, baut Trump auf diesem Fundament auf. Seine Drohungen, Grönland zu annektieren, Kanada zu besetzen und den Panamakanal zurückzuerobern, zielen darauf ab, die Vorherrschaft der USA in der westlichen Hemisphäre zu sichern und einen Konflikt mit China vorzubereiten. Seine Eskalation des Völkermords im Gazastreifen - der sich jetzt in der Endphase der ethnischen Säuberung und des Massenhungers befindet - zeigt die Barbarei des amerikanischen Imperialismus – und zwar unabhängig davon, ob Trump seinen grotesken Traum vom Bau von Kasinos auf den Knochen und Trümmern verwirklicht oder nicht.

Die Krise in den Vereinigten Staaten ist nicht einfach eine Wiederholung der 1930er Jahre. Anders als Hitler verfügt Trump noch nicht über eine Massenbasis. Es ist ihm gelungen, aus dem weit verbreiteten Hass auf das gesamte politische System Kapital zu schlagen, aber er ist nach wie vor zutiefst unpopulär. Und er steht an der Spitze einer Regierung, die sich in einer extremen Krise befindet.

Nach 100 Tagen liegt die Zustimmung zu Trump laut einer Umfrage von Washington Post und ABC bei nur 39 Prozent, während 55 Prozent den aktuellen Präsidenten ablehnen. CNN berichtet, dass die Zustimmungsraten zu Trumps Wirtschaftspolitik aufgrund von Zoll- und Inflationsängsten auf 35 Prozent gesunken sind. Nur 22 Prozent „stimmen seiner Präsidentschaft sehr zu“, während doppelt so viele „sehr ablehnend“ sind. Der Widerstand gegen alle Aspekte von Trumps Politik wächst, auch gegen seine Angriffe auf Zugewanderte.

Noch bedeutender sind die Massenproteste, an denen sich Millionen von Arbeitern und Jugendlichen in über 1.500 Groß- und Kleinstädten in den Vereinigten Staaten beteiligen. Die Demonstrationen am 5., 12. und 19. April und darüber hinaus haben eine starke Unterströmung in der Opposition offenbart, die von den Leitmedien systematisch ignoriert oder unterdrückt wird. Arbeiter und junge Menschen ziehen in den Kampf, auch wenn die Demokratischen Partei sich große Mühe gibt, die Proteste zu verwirren und zu unterdrücken.

Die grundsätzliche Frage, mit der Millionen von Menschen konfrontiert sind, lautet: Was ist zu tun?

Die Maßnahmen der Trump-Regierung in den letzten 100 Tagen haben die arbeitenden Menschen und die Jugend in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt zutiefst schockiert. Aber kein Teil des politischen Establishments bietet einen Ausweg an.

Die Demokratische Partei ist keine Kraft des Widerstands gegen die Diktatur – in Wirklichkeit sind sie ein Förderer. In den vergangenen 100 Tagen haben die Demokraten Trumps Haushalt verabschiedet, die Finanzierung der Regierung aufrechterhalten und versprochen, mit dem faschistischen Oberhaupt „zusammenzuarbeiten“. Trumps Angriff auf die demokratischen Rechte erzeugt nur schwache Reaktionen bei den Demokraten, während sie seine Agenda im Kern weiterhin unterstützten.

Dass Trump überhaupt wiedergewählt werden konnte, ist ein vernichtendes Armutszeugnis für die Demokratische Partei. Seine Rückkehr an die Macht ist das Ergebnis ihrer bankrotten Bilanz: ihrer Fixierung auf Identitätspolitik für privilegierte Schichten der oberen Mittelschicht, ihrer Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden der Arbeiter unter der Inflation und ihrer unerbittlichen Unterstützung für endlose Kriege - erst in der Ukraine, jetzt in Gaza. Die Demokraten, nicht weniger als Trump, dienen der herrschenden Oligarchie.

Was Politiker wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez betrifft, so fungieren sie als Druckventile, als Instrumente, die versuchen, die Stabilität der kapitalistischen Herrschaft aufrechtzuerhalten. Am Wochenende bekräftigte Sanders, dass er mit der Demokratischen Partei „auf einer Wellenlänge“ sei. Sanders sagte in der NBC-Sendung Meet the Press, dass „wir nicht versuchen, eine dritte Partei zu gründen“. Stattdessen, so betonte er, „versuchen wir, die amerikanische Demokratie zu stärken“. Er beklagte lediglich, dass es den Demokraten „an einer Vision für die Zukunft fehlt“.

Für Arbeiter und Jugendliche gibt es jedoch keine „Zukunft“ ohne einen rücksichtslosen Bruch mit der Demokratischen Partei und dem gesamten Rahmen der bürgerlichen Politik. Es gibt keine Zukunft außerhalb des Kampfes für den Sozialismus.

Das grundlegende Problem ist eine Frage der Perspektive. Massive Kämpfe stehen bevor: gegen Diktatur, gegen Krieg, gegen soziale Ungleichheit. Diese Kämpfe dürfen nicht irgendeiner Fraktion der herrschenden kapitalistischen Elite untergeordnet werden. Sie müssen mit einer sozialistischen und internationalistischen Strategie ausgestattet sein, welche auf die Abschaffung des kapitalistischen Systems selbst abzielt.

Die dringende Aufgabe ist der Aufbau einer revolutionären Führung, die diese Kämpfe leitet. Dies ist das zentrale Ziel der Socialist Equality Party und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

Die Socialist Equality Party steht an der Spitze des Kampfes für den Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterklasse zur Verteidigung der demokratischen Rechte und gegen Faschismus und Diktatur. Wir fordern alle Arbeiter, Studierenden und Jugendlichen auf, die einen Weg nach vorn suchen: Nehmt an unserer internationalen Online-Maikundgebung am 3. Mai teil, tretet unserer Partei bei und nehmt den Kampf für den Sozialismus auf!

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