Kriegsgefahr: Indien beschuldigt Pakistan nach Terroranschlag

Ein Anhänger der Pakistan Murkazi Muslim League mit einem durchgestrichenen Portrait des indischen Premierministers Narendra Modi und dem Schriftzug „Schlächter Modi“. Aufgenommen bei einer Demonstration in Karachi, Pakistan, gegen die Aussetzung des indisch-pakistanischen Vertrags über die gemeinsame Nutzung des Indus-Wassers am 24. April 2025. [AP Photo/Fareed Khan]

Die beiden rivalisierenden südasiatischen Atommächte Indien und Pakistan steuern zusehends auf einen Krieg zu, nachdem Indien Pakistan beschuldigt hat, für einen brutalen Terroranschlag im indisch besetzten Kaschmir verantwortlich zu sein. In der Nähe von Phalagram im malerischen Baisaran-Tal wurden am Dienstag bei einer Kommandoaktion 26 Touristen getötet, alle bis auf einen waren indische Staatsbürger.

Etwas mehr als 24 Stunden später kündigte die indische Regierung der hindu-chauvinistischen Bharatiya Janata Party (BJP) eine Reihe von kriegerischen „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen Pakistan an. Zudem hat sie deutlich gemacht, dass diese Maßnahmen nur der Anfang sind. Sie zieht einen Militärschlag gegen Pakistan, der größer ist als die Angriffe von 2016 und 2019, die den Subkontinent an den Rand eines offenen Kriegs brachten, in Erwägung oder bereitet ihn sogar schon vor.

Indien beteiligt sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts, und insbesondere unter dem Hindu-chauvinistischen Möchtegern-Diktator Narendra Modi, an der ständig verschärften militärisch-strategischen Offensive des US-Imperialismus gegen China. Zweifellos zählt Neu-Delhi darauf, dass Trump das indische Vorgehen gegen Pakistan mindestens genauso unterstützt wie 2019, als er in seiner ersten Amtszeit einen illegalen indischen Angriff tief im Inneren Pakistans gelobt hatte.

Der indische Verteidigungsminister Rajnath Singh erklärte am Mittwoch, eindeutig an die Adresse Pakistans gerichtet: „Wir werden nicht nur gegen diejenigen vorgehen, die diese Tat verübt haben, sondern auch gegen diejenigen, die sich hinter den Kulissen verschworen haben, solche Taten auf indischem Boden zu begehen.“

Allerdings hat die indische Regierung keine Beweise für ihre Behauptungen vorgelegt, der pakistanische Staat sei für den Anschlag in Phalagram verantwortlich. Sie hat lediglich behauptet, die Terrororganisation Resistance Front, die sich zu der Gräueltat bekannt hat, stehe in Verbindung zur islamistischen Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT). Diese wiederum wurde in der Vergangenheit von Teilen des pakistanischen Militär- und Geheimdienstapparats unterstützt.

Zu den am Mittwoch angekündigten Maßnahmen gehören: Ein Erlass für alle pakistanischen Staatsbürger in Indien, mit Ausnahme des diplomatischen Personals, das Land bis zum 29. April zu verlassen; die Schließung des wichtigsten Grenzübergangs zwischen Indien und Pakistan, der Amritsar mit Lahore verbindet; die Ausweisung des gesamten pakistanischen Militärpersonals, das der pakistanischen Botschaft in Indien angehört; und der Abzug des gesamten Personals der indischen Botschaft in Islamabad bis auf eine Minimalbesetzung.

Am provokantesten ist jedoch Neu-Delhis Ankündigung, die Mitwirkung am Indus-Wasser-Vertrag auszusetzen. In den 65 Jahren seit der Vertrag in Kraft getreten ist, haben Indien und Pakistan zwei erklärte und mehrere nicht erklärte Kriege geführt und sich zahllose Grenzgefechte geliefert. Doch noch nie hat Indien den Vertrag ausgesetzt. Mit diesem Schritt maßt sich Indien die Macht an, Pakistan die Wasserversorgung zu verweigern, von der sein Stromnetz und seine Landwirtschaft abhängen.

Am Donnerstag legte Modi mit einer provokanten, kriegstreiberischen Rede nach, die an die Drohungen von US-Präsident Donald Trump mit der „Vernichtung“ des Iran und den Aufrufen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zum Völkermord an den unterdrückten Palästinensern in Gaza erinnert.

Bei einer Kundgebung der BJP in Bihar versprach Modi: „Die Verantwortlichen für diesen Terroranschlag, und diejenigen, die ihn geplant haben, werden eine Strafe erhalten, die ihre Vorstellungskraft übersteigt. ... Es ist Zeit, das restliche Land der Terroristen in Staub zu verwandeln. Die Entschlossenheit von 1,4 Milliarden Indern wird den Herren des Terrors jetzt das Genick brechen.“ Die indische Regierung hat ihren Erzrivalen Pakistan seit langem als den wichtigsten „Terrorstaat“ der Welt denunziert.

Pakistan hat auf gleiche Weise reagiert und kündigte am Donnerstag die Aussetzung des Simla-Abkommens an. In diesem Vertrag, den die beiden Staaten im Juli 1972 nach dem indisch-pakistanischen Krieg von 1971 unterzeichnet hatten, verpflichten sie sich unter anderem dazu, eine friedliche bilaterale Beilegung von Streitigkeiten anzustreben. Außerdem wurde darin die Line of Control (LoC) festgelegt, die das von Indien besetzte Jammu und Kaschmir vom pakistanisch kontrollierten Azad Kaschmir trennt, bis die konkurrierenden Ansprüche auf die Souveränität über ganz Kaschmir endgültig geklärt sind.

Der pakistanische Premierminister Shebhaz Sharif verschärfte am Donnerstag in einer Stellungnahme seine jüngsten Vorwürfe, Indien wolle das Land destabilisieren, u.a. durch die verdeckte Unterstützung der belutschischen Separatisten und der islamistischen Tehreek-e-Taliban-e-Pakistan (pakistanische Taliban).

Er erklärte: „Pakistan wird von seinem Recht Gebrauch machen, alle bilateralen Abkommen mit Indien, einschließlich, aber nicht beschränkt auf das Simla-Abkommen, ruhen zu lassen, bis Indien seine Aktivitäten, Terrorismus innerhalb Pakistans zu schüren, seine grenzüberschreitenden Morde und seine Verstöße gegen das Völkerrecht und die UN-Resolutionen zu Kaschmir einstellt.“

Indiens Entscheidung, den Indus-Wasser-Vertrag auszusetzen, wurde als illegal bezeichnet, da Wasser sowohl „ein lebenswichtiges nationales Interesse Pakistans“ als auch eine „Lebensader für seine 240 Millionen Einwohner“ darstelle.

Sollte Indien seine Drohung wahr machen und Pakistans Wasserversorgung unterbrechen, werde dies zum Krieg führen. Dazu hieß es in der Erklärung: „Jeder Versuch, die Wasserzufuhr nach Pakistan, die ihm gemäß dem Indus-Wasser-Vertrag zusteht, zu stoppen oder umzuleiten... wird als Kriegshandlung eingestuft und mit dem vollen Einsatz des gesamten Spektrums der nationalen Macht beantwortet werden.“

Die Wurzeln des reaktionären Konflikts zwischen den rivalisierenden kapitalistischen Staaten Indien und Pakistan liegen in der kommunalistischen Teilung Südasiens in ein erklärtermaßen muslimisches Pakistan und ein hinduistisches Indien im Jahr 1947. Der bürgerlich geführte Indische Nationalkongress ließ aus Angst vor der wachsenden anti-imperialistischen Bewegung und vor allem der Entstehung einer kampfbereiten Arbeiterklasse sein eigenes Programm für ein vereintes, demokratisches und säkulares Indien fallen und ging mit London einen schmutzigen Deal für eine schnelle Machtübergabe ein, bei der er die Kontrolle über den vom britischen Imperialismus errichteten kolonialen kapitalistischen Staat übernahm. Dazu gehörte auch die Zusammenarbeit mit ihrem rechten Rivalen, der Muslimliga, bei der kommunalistischen Teilung des Subkontinents. Die Folgen waren massive kommunalistische Gewalt, bei der bis zu zwei Millionen Menschen starben, und die Vertreibung von etwa zwanzig Millionen Menschen, da Muslime aus Indien und Hindus und Sikhs aus Pakistan fliehen mussten.

Eine zentrale Rolle im anhaltenden indisch-pakistanischen Konflikt spielt die Kontrolle über Kaschmir, das gleichzeitig eine ethno-linguistische und geografische Region und der Name eines Fürsten- oder Vasallenstaats des ehemaligen britischen Empire in Indien bildete. Kaschmir wurde durch den Krieg von 1947–48 in zwei rivalisierende „Kaschmirs“ aufgeteilt, von denen einer von Indien, der andere von Pakistan kontrolliert wird.

Sowohl die indische als auch die pakistanische Bourgeoisie haben die demokratischen Rechte der Bevölkerung von Kaschmir mit Füßen getreten. Neu-Delhi hat 1989 die Massenproteste gegen den Wahlbetrug in Jammu und Kaschmir, dem einzigen mehrheitlich muslimischen Bundesstaat Indiens, brutal unterdrückt. Daraufhin kam es zu einem Aufstand, den Pakistan weiter angeheizt hat, um seine eigenen reaktionären Interessen voranzubringen. Pakistan hat dabei das Netzwerk von islamistischen Milizen mobilisiert und ausgebaut, das es im Auftrag des US-Imperialismus für den Kampf gegen die pro-sowjetische Regierung in Afghanistan aufgebaut hatte.

Die LoC ist seit Jahrzehnten einer der gefährlichsten Krisenherde der Welt. In bedrohlicher Dichte stehen sich indische und pakistanische Truppen und Artillerie hier gegenüber, und der von Indien besetzte Teil Kaschmirs gehört zu einer der am stärksten militarisierten Regionen der Welt. Mehr als eine halbe Million indischer Sicherheitskräfte sind in einer Region mit vierzehn Millionen Einwohnern stationiert.

Der Konflikt um Kaschmir und die internationale Geopolitik

Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan wurde seit der Jahrhundertwende immer weiter mit der Rivalität Indiens mit China und dem Konflikt zwischen dem US-Imperialismus und China verstrickt.

Washington hat seine Beziehungen zu Pakistan, das im Kalten Krieg sein wichtigster Verbündeter in der Region war, massiv eingeschränkt, um eine „globale strategische Partnerschaft“ mit Indien zu bilden. Damit wollen die USA Indien als Gegengewicht zu China und als Partner bei der Sicherung ihrer Vorherrschaft über den Indischen Ozean aufbauen. Die Schifffahrtsrouten im Indischen Ozean sind für China von entscheidender Bedeutung für seinen Zugang zu Rohstoffen und für seine Exporte in die Welt.

Seit George W. Bush haben mehrere US-Präsidenten – Demokraten wie Republikaner – die „Partnerschaft“ zwischen den USA und Indien idealisiert und bisweilen sogar als „wichtigstes“ Mittel bezeichnet, um die Vorherrschaft der USA in diesem Jahrhundert zu wahren.

Die USA erwiesen Indien strategische Gefälligkeiten, darunter hochmoderne Waffen und Zugang zu ziviler Nukleartechnologie, woraufhin Pakistan warnte, Washington würde das „Gleichgewicht der Kräfte“ in der Region in gefährlicher Weise stören. Doch die immer heftigeren Warnungen wurden ungeniert ignoriert. Als Reaktion darauf hat Pakistan seine strategische „Allwetter“-Partnerschaft mit China ausgebaut, was Washington und Neu-Delhi weiter verärgert hat.

Die Modi-Regierung fühlte sich durch die Unterstützung der USA dazu ermutigt, in der Beziehung zwischen Indien und Pakistan „die Regeln zu ändern“ und selbst zur regionalen Hegemonialmacht aufzusteigen. Modis grenzübergreifende „chirurgische Angriffe“ im Inneren Pakistans waren zwar bei weitem nicht Indiens erste Aktionen, allerdings hat sich Neu-Delhi nie zuvor mit derartigen Taten gerühmt und, ähnlich wie die imperialistischen Gangster in Washington und Tel Aviv, das „Recht“ für sich beansprucht, nach eigenem Ermessen gegen das Völkerrecht zu verstoßen.

Der sich ständig verschärfende Antagonismus zwischen den USA und China hat der Region Kaschmir eine neue globale strategische Bedeutung verliehen. Indien hat nachdrücklich seinen Anspruch auf ganz Kaschmir bekräftigt. Es betrachtet dies als Teil seiner „juristisch-diplomatischen“ Rechtfertigung für seinen entschiedenen Widerstand gegen den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC). Dieser wiederum ist ein wichtiges Element in Chinas Initiative „Neue Seidenstraße“. Mit dem CPEC will China den pakistanischen Hafen Gwadar am Arabischen Meer per Eisenbahn und Pipeline mit dem Westen Chinas verbinden und so die Pläne der USA umgehen, die chinesische Wirtschaft mit Hilfe von Engpässen im Meer zu strangulieren.

Im August 2019, kurz nachdem er eine zweite Amtszeit als Premierminister errungen hatte, entzog Modi Jammu und Kaschmir den besonderen Autonomiestatus innerhalb Indiens, was ein eklatanter Verstoß gegen die Verfassung war. Dies war bereits seit langem ein Ziel der BJP und der hinduistischen Rechten. Kaschmir wurde in zwei Elemente geteilt und auf den Status eines Unionsterritoriums reduziert, um es noch direkter unter die Kontrolle der Zentralregierung zu stellen. Dieser Schritt zielte auch darauf ab, die Position gegen China und Pakistan zu stärken. Ein Element dabei war die Abtrennung der abgelegenen Region Ladakh an der chinesischen Grenze und deren Umwandlung in ein separates Unionsgebiet. Auf diese Weise wurde dem Militär, das entlang der Grenze riesige militärische Infrastrukturprojekte betreibt, mehr Handlungsfreiheit gegeben.

Im Mai und Juni 2020 kam es zu Zusammenstößen zwischen indischen und chinesischen Truppen an der umstrittenen Grenze zwischen dem indisch kontrollierten Ladakh und dem chinesischen Aksai Chin. In dem darauf folgenden Grenzkonflikt stationierten Indien und China Zehntausende von Soldaten, Artillerie und Kampfflugzeuge in einer der unwirtlichsten Gegenden und Klimazonen der Welt. Die USA, sowohl unter Trump als auch unter Biden, haben Indien in diesem Konflikt ermutigt und banden es damit enger in ihr Netz von anti-chinesischen Allianzen ein. Washington verband die Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und China öffentlich mit den von den USA angezettelten Territorialstreitigkeiten zwischen China und seinen Nachbarstaaten im Südchinesischen Meer und bezeichnete China als Aggressor. Auch beim indisch-chinesischen Grenzkonflikt bezogen die USA erstmals Stellung und erklärten, Neu-Delhi sei im Recht.

In den kommenden Tagen wird sich zeigen, wie weit Indien gehen will und zu welchen Risiken es bereit ist, um seine räuberischen Ambitionen durchzusetzen, und was Washington bereit ist zu riskieren, um sein Bündnis gegen China zu stärken. Angesichts der zahlreichen Krisen innerhalb des pakistanischen Staats und seiner Bourgeoisie könnte die rechtsextreme Modi-Regierung meinen, dass die Zeit reif ist, ihrem Rivalen einen schweren Schlag versetzen zu können.

Fest steht jedoch, dass jeder militärische Zusammenstoß zwischen den Atommächten Indien und Pakistan schnell außer Kontrolle geraten und zu einer Katastrophe führen könnte, die möglicherweise weitere Mächte hineinzieht.

Ebenso steht fest, dass die kapitalistischen herrschenden Eliten in Indien und Pakistan die Kriegskrise benutzen werden, um Kommunalismus zu schüren, die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiter anzugreifen und reaktionäre Maßnahmen und Pläne umzusetzen, die sie bisher für zu brisant gehalten haben. In dieser Hinsicht ist es wichtig festzustellen, dass Indien seit einiger Zeit seine Unzufriedenheit mit dem Indus-Wasser-Vertrag geäußert hat, da dieser angeblich Indiens wirtschaftliche Entwicklung behindert.

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