Seit Jahren steigen die Mieten in deutschen Großstädten dramatisch, es gibt immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Auch die zukünftige Regierung aus Union und SPD vertritt die Interessen der Immobilienunternehmen und sichert diesen traumhafte Renditen auf Kosten der Mieter.
Die Studie „Wohnungsmarktbericht 2024“ der Investitionsbank Berlin veranschaulicht die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Hauptstadt. In Berlin gibt es noch knapp 90.000 Sozialwohnungen, was bei weitem nicht ausreicht. Berlin ist zwischen 2013 und 2023 um 312.000 auf 3,78 Millionen Einwohner gewachsen, was die Krise verschärft hat, weil zu wenig neue Wohnungen gebaut wurden. Der Stadtentwicklungsplan „Wohnen 2040“ der Berliner Landesregierung aus CDU und SPD kalkuliert bis zum Jahr 2040 mit 222.000 neuen Wohnungen, wovon die Hälfte gemeinwohlorientiert sein soll.
Die durchschnittliche Angebotsmiete ist in Berlin von 13,99 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2023 auf 15,74 Euro pro Quadratmeter 2024 gestiegen, das ist ein Anstieg von 12,5 Prozent. Die ortsübliche Vergleichsmiete (Bestandsmiete) stieg im selben Zeitraum von 7,16 auf 7,21 Euro pro Quadratmeter, also nur um 0,7 Prozent. Damit liegt die durchschnittliche Angebotsmiete doppelt so hoch wie die ortsübliche Vergleichsmiete. Diese Differenz ist in Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Städten am größten. Die Miete für Neubauwohnungen beträgt in Berlin durchschnittlich 20,50 Euro pro Quadratmeter.
Am teuersten sind die Mieten in München mit einer durchschnittlichen Angebotsmiete von 21,70 und einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 14,58 Euro pro Quadratmeter.
Im Zeitraum 2014 bis 2023 haben sich die Bestandsmieten in Berlin um 25,8 Prozent und die durchschnittlichen Angebotsmieten sogar um 70,4 Prozent erhöht. Im selben Zeitraum sind die verfügbaren Einkommen nur um 32,1 Prozent gewachsen. Besonders stark sind die Mieten mit 54,6 Prozent von 2021 bis 2024 explodiert. Davor, zwischen 2019 bis 2021, hatten sie wegen dem Berliner Mietendeckel kurzzeitig stagniert. Dieser wurde im März 2021 vom Bundesverfassungsgericht als unvereinbar mit dem Grundgesetz und somit als ungültig erklärt.
Wer in Berlin eine neue Wohnung sucht, findet diese kaum. Durchschnittsverdiener können sich „nur etwa jede vierte angebotene Wohnung“ leisten, heißt es im Wohnraumbedarfsbericht 2025, der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen erstellt wurde, wie der Tagesspiegel berichtete.
Menschen mit einem geringen Einkommen trifft die Preissteigerung bei Neuvermietungen noch härter. Sie konnten sich dem Bericht zufolge nur jede zwanzigste angebotene Wohnung leisten. Dabei gilt eine Miete als leistbar, wenn sie 27 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigt. Tatsächlich geben Haushalte nicht selten 40 oder 50 Prozent ihres Einkommens für Mietkosten aus.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ schreibt diesen Zustand fest. Während umgehend nach der Bundestagswahl gigantische Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro gebilligt wurden, um die Infrastruktur „kriegstüchtig“ zu machen und aufzurüsten, steht für ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum kein Cent zur Verfügung.
Die wenigen Programmpunkte zur Wohnungspolitik im Koalitionsvertrag helfen den großen Immobilienunternehmen, kostengünstiger zu bauen und die Wohnungen überteuert auf den Markt zu bringen. In diesem Sinne sind „Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsverfahren“, „Entbürokratisierung“ sowie „Steuerentlastung“ zu verstehen.
Mit der Einführung eines sogenannten Gebäudetyps E (Einfach) sollen Baustandards, wie z.B. beim Lärmschutz, abgebaut werden. Dies senkt die Kosten der Bauindustrie und der Immobilienunternehmen, ohne dass die Mieten deshalb günstiger werden. Vielmehr dient der neue Gebäudetyp als Hebel, Sicherheitsvorschriften beim Bau zu umgehen.
Ansonsten plant die Koalition die Verlängerung der Mietpreisbremse bis Ende 2029, die sich als völlig unzureichend erwiesen hat, den Anstieg der Mieten signifikant zu bremsen und die Gewinne der Immobilienhaie zu schmälern.
2015 hatte die damalige Große Koalition aus Union und SPD die kaum wirksame Mietpreisbremse eingeführt, die nur für Städte gilt, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist. Dort darf die Miete nur auf die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent erhöht werden, wobei zahlreiche Ausnahmen gelten.
Vertreter der Immobilienlobby reagierten positiv auf den Koalitionsvertrag. Sie begrüßten, dass Bauen für die Unternehmen nun deutlich billiger werde. Vor allem die Reduzierung der Vorgaben für Klimaschutz und Baustandards dürfte Milliarden in die Taschen der Unternehmen spülen.
Der geplante Einsatz einer Expertengruppe, die bis Ende 2026 Vorschläge zur Änderung der Mietwucher-Vorschrift und über Bußgelder bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse beraten soll, ist nicht mehr als Augenwischerei. Dasselbe gilt für die Beteuerungen über den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und die Beendung der Obdachlosigkeit bis 2030.
Die Realität sieht anders aus. Durch die stetige Abnahme günstiger Wohnungen für Geringverdiener steigt die Zahl der Obdachlosen, deren Situation immer prekärer wird. Einem Bericht des Spiegel zufolge sind allein in Hamburg in diesem Winter 47 Obdachlose gestorben. Eine niedrigschwellige erstmedizinische Versorgung für Obdachlose ist kaum vorhanden, so dass viele Obdachlose erst zu spät oder gar nicht medizinisch versorgt werden. Der Grund für die meisten Todesfälle sind vor allem Herzinfarkt, Sepsis und Lungenembolie. Mindestens einer ist an Unterkühlung gestorben. In anderen deutschen Städten ist die Situation ähnlich, aber dazu liegen kaum genauen Daten vor.
Dabei wird die neue Regierung noch weniger in den sozialen Wohnungsbau investieren als die bisherige Ampel-Regierung. Diese hat ihr Ziel von 400.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen, weit verfehlt. Seit 2021 wurden jährlich weniger als 300.000 Wohnungen gebaut. Zwischen 2021 und 2024 entstanden gerade einmal 93.000 Sozialwohnungen.
Laut einer Studie, die das Pestel-Institut in Zusammenarbeit mit dem Wohnungsbauinstitut des Landes Schleswig-Holstein erstellt hat, müssten bis zum Jahr 2030 mindestens 1,05 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Die momentan vorhandene knapp eine Million Sozialwohnungen müsste also mehr als verdoppelt werden. Ende der 1980er Jahre hatte es in Deutschland noch fast vier Millionen Sozialwohnungen gegeben.
In Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Niedersachsen fehlen die meisten Sozialwohnungen. Bayern benötigt bis 2030 mindestens 320.000, Baden-Württemberg 260.000 und Berlin ungefähr 150.000 neue Sozialwohnungen. Matthias Günther, der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts, erklärte, dies sei das Minimum, um die „gröbste Not zu lindern“. Normalerweise „wären bundesweit sogar rund 5,6 Millionen (in Berlin: 840.000) Sozialwohnungen notwendig“.
Der Chef-Ökonom warnte vor sozialem Sprengstoff, wenn die Politik weiterhin untätig bleibe „Die Menschen werden früher oder später auf die massive Wohnungsnot und dabei vor allem auch auf den eklatanten Mangel an Sozialwohnungen reagieren.“