Perspektive

„Der Schuss, der weltweit widerhallte“:

250 Jahre seit dem Beginn der Amerikanischen Revolution

Vor 250 Jahren, am 19. April 1775, fanden in Lexington und Concord in Massachusetts die ersten Kämpfe der Amerikanischen Revolution statt. Die Gefechte an diesem Tag, die selbst das Ergebnis einer sich zuspitzenden revolutionären Krise waren, nahmen den Ausgang des Krieges vorweg: der Sieg der Revolution über die damals größte Weltmacht, Großbritannien, und die Gründung der ersten größeren demokratischen Republik der Moderne.

„The Battle of Lexington, 19 April 1775“ (1910) von William Barnes Wollen (1857-1936), Öl auf Leinwand.

Bis zum Frühjahr 1775 hatte der Aufruhr in den britischen Kolonien Nordamerikas ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht. Das galt insbesondere für Massachusetts, wo sich „die Flammen des Aufruhrs im ganzen Land allseitig und über alle Maßen ausgebreitet hatten“, wie es Thomas Gage, der militärische Oberbefehlshaber in Britisch-Nordamerika und damals frisch ernannte Gouverneur der Provinz Massachusetts Bay, formulierte.

Am 14. April 1775 erhielt General Gage seinen Befehl, diese „Flammen des Aufruhrs“ zu löschen, direkt von Lord Dartmouth, dem Kolonialminister in der Regierung des britischen Premierminister Lord North. „Beschlagnahmen und zerstören Sie alle militärischen Vorräte“, schrieb Dartmouth, und „verhaften Sie die Hauptakteure“. Gage wurde angewiesen, die Kolonisten zu unterdrücken, damit ihre Rebellion nicht in einen „reiferen Zustand“ überginge.

„General Thomas Gage“ (ca. 1768), von John Singleton Copley

Der britische Angriffsplan beruhte auf dem Überraschungsmoment. Gage überquerte mit 21 Kompanien, bestehend aus insgesamt 700 Soldaten, in der dunklen Nacht des 19. April den Charles River, wodurch sich die Truppen von ihrer Bostoner Garnison entfernten. Um Mitternacht begannen die neu zusammengestellte leichte Infanterie und die Grenadiere ihren Marsch von einem Ort östlich von Cambridge in Richtung Concord, wo sich laut Geheiminformationen die beiden Anführer der Revolution in Massachusetts, Sam Adams und John Hancock, aufhielten. Die beiden sollten verhaftet und wahrscheinlich nach Großbritannien deportiert werden, um sie dort wegen Aufwiegelung vor Gericht zu stellen. Zudem sollten Waffen, die der Miliz der Kolonisten in die Hände gefallen waren, beschlagnahmt und zerstört werden.

Zwar hatten die Briten ihre Spione, doch sollte Gage – wie so viele andere Besatzer im Laufe der Jahre – bald herausfinden, dass die Revolution über ihre eigenen Augen und Ohren verfügte. Die Patrioten waren bereits über den Marsch der britischen Soldaten informiert, noch bevor diese sich überhaupt in Bewegung gesetzt hatten. Paul Revere wurde auf seinen berühmten „Mitternachtsritt“ geschickt, um die Revolutionäre im Hinterland zu alarmieren und Adams und Hancock zu warnen, die vor der Ankunft der britischen Truppen unter Colonel Francis Smith und Major John Pitcairn widerwillig aus Concord abzogen.

„Paul Revere“ (1768), von John Singleton Copley. Revere arbeitete als Silberschmied.

Der Alarm war geschlagen worden. Während ihres Marsches nach Lexington „wurden die Briten vom Läuten der Kirchenglocken, dem Abfeuern von Geschossen, dem Schlagen der Trommeln und dem Anblick brennender Leuchtfeuer begleitet“, so der Historiker Merrill Jensen. Als die „Rotröcke“, wie die Kolonisten die regulären britischen Truppen nannten, noch vor Tagesanbruch in Lexington eintrafen, wurden sie dort von 80 „Minutemen“ bereits erwartet. Die Bezeichnung dieser Milizionäre aus Massachusetts leitete sich daraus ab, dass sie innerhalb von einer Minute nach dem Eintreffen der Nachricht vom Herannahen der Rotröcke gefechtsbereit sein konnten. Der Kommandeur der Miliz, Captain John Parker, erkannte die Überlegenheit der britischen Truppen und befahl seinen Männern, beiseite zu treten, sobald Pitcairn den Befehl gab.

In diesem Moment gab jemand – es wurde nie festgestellt, wer genau es war – einen Schuss auf dem Lexington Green ab. Die Disziplin in den britischen Reihen brach zusammen, und die Briten eröffneten das Feuer auf die Kolonisten. Als das Feuer eingestellt wurde, lagen acht Kolonisten tot oder sterbend da. Sie waren die ersten unter zehntausenden „Patrioten“, die in den Kämpfen fielen, die insgesamt acht Jahre, vier Monate und 15 Tage anhielten und im Vertrag von Paris und der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten gipfelten. (Bemisst man die Zahl der Toten an der Bevölkerungszahl, so war die Amerikanische Revolution der zweitblutigste Konflikt nach dem Bürgerkrieg und bis zum Vietnamkrieg auch der längste).

Nachdem sie Parkers Männer beiseite gefegt hatten, rückten die Briten auf Concord vor, wo sie um 7 Uhr morgens eintrafen. Sie fanden die Stadt ohne Soldaten der Rebellen vor und entzündeten ein Feuer, um Munition zu verbrennen. Die patriotischen Milizen in den nahe gelegenen Hügeln glaubten, dass die Briten die Stadt niederbrennen wollten, stürmten sie und lieferten sich an der North Bridge ein Feuergefecht, bei dem drei britische Soldaten und zwei Milizionäre getötet wurden. Colonel Smith, der die Gefahr erkannte, befahl am Mittag den Rückzug nach Boston. Eine Meile von Concord entfernt, bei dem Ort Miriam's Corner, wurden seine Männer von einer neuen Welle von Milizionären unter Beschuss genommen.

Auf dem Rückweg nach Lexington, wo die Kämpfe des Tages begonnen hatten, trafen Pitcairns erschöpfte Soldaten mit einer noch größeren Streitmacht von 1.400 Mann unter dem Kommando von General Lord Hugh Percy zusammen. Gemeinsam setzten sie die Evakuierung in Richtung Boston fort. Die rund 2.000 britischen Soldaten standen unter ständigem Beschuss der Miliz, deren Soldaten hinter Steinmauern und Scheunen hervorschossen. Laut Schätzungen beteiligten sich etwa 4.000 Bewohner von New England an diesem Guerillakampf. Bei ihrer Ankunft in Boston hatten die Briten 273 tote oder verwundete Soldaten zu beklagen. 26 weitere wurden vermisst. Auf amerikanischer Seite waren an diesem Tag 95 Soldaten getötet oder verwundet worden.

Eine Darstellung des Einmarschs der britischen Truppen in Concord aus dem Jahr 1775 von Amos Doolittle

In den folgenden Tagen strömten die Minutemen aus ganz New England nach Boston. Sie schlossen sich zur ersten Armee der Revolution zusammen und belagerten die Stadt mit ihren rund 20.000 Einwohnern, die damals die wichtigste Ausgangsbasis der britischen Operationen in Nordamerika war. Die Milizionäre waren keine Berufsarmee, doch, so warnte General Lord Percy, „wer sie für einen irregulären Mob hält, wird sich gewaltig irren“. Andere Neuengländer, darunter Ethan Allens „Green Mountain Boys“ aus Vermont, zogen nach Norden zum Lake Champlain und nahmen am 10. Mai Fort Ticonderoga mit seinen 78 Kanonen ein. Die größte Kanone von Ticonderoga wurde von der Miliz unter dem Kommando des Bostoner Buchhändlers Henry Knox auf dem Landweg bis nach Boston transportiert, wo sie dazu beitrug, die Briten am 17. März 1776 nach elfmonatiger Belagerung zur Evakuierung zu zwingen.

Ein Stich von Paul Revere aus dem Jahr 1768, der den Hafen von Boston zeigt

Gage scheiterte mit seiner Mission, die koloniale Autorität in Massachusetts und in den anderen Kolonien wiederherzustellen. Tatsächlich konnte sich die Macht des britischen Empires in den Kolonien schon lange vor Lexington und Concord nicht mehr richtig durchsetzen. Die britische Herrschaft begann, sich aufzulösen – nirgendwo so sehr wie in Massachusetts. Eine Vielzahl von Organisationen, die von der Krone unabhängig waren, hatten zunächst in den kleinen Städten von Massachusetts eine Doppelherrschaft geschaffen – Stadtversammlungen, Korrespondenzausschüsse, politische Zirkel, Milizkompanien und Wirtshäuser als Orte politischer Clubs. Bis 1774 war die königliche Autorität indessen weitgehend der Miliz untergeordnet oder verdrängt worden. In jenem Jahr lösten sich die von der Krone unterstützten Gerichte in den Städten Worcester, Springfield und Great Barrington sowie in den Bezirken Plymouth, Essex, Norfolk und Middlesex auf oder sie wurden gezwungen, der Miliz einen Treueeid zu leisten.

Auch die lokalen Eliten Neuenglands („the best men“), die Ämter innehatten, die in monarchischer Manier über Generationen hinweg als Eigentum weitergegeben worden waren, wurden vertrieben. Einer dieser Clans war die Familie Chandler aus Worcester, die die Stadt fast ein ganzes Jahrhundert lang beherrscht hatte. John Chandler IV. erinnerte sich später im englischen Exil an den Moment, als ihn die Revolution, noch ein halbes Jahr vor den Kämpfen bei Lexington und Concord, beiseite fegte:

Im September 1774 versammelte sich in Worcester ein Mob von mehreren tausend Bewaffneten aus den benachbarten Städten, um die Gerichtsprozesse zu verhindern, die dort stattfinden sollten. Nachdem sie dies erreicht hatten, ergriffen sie Ihren Memoirenschreiber, der, um sich vor dem sofortigen Tod zu retten, gezwungen war, dem vorgenannten Protest abzuschwören und sich einem sehr verräterischen Bündnis und Vertrag anzuschließen.

Der Historiker Ray Raphael kommentiert: „Mit dieser demütigenden Unterwerfung verschwand jegliche britische Autorität – sowohl politischer als auch militärischer Natur – für immer aus Worcester County.“ Gage, der seine Ohnmacht angesichts dieser Ereignisse spürte, bat Dartmouth um mehr Soldaten. „In Worcester kennen sie keine Zurückhaltung, drohen offen mit bewaffnetem Widerstand, kaufen Waffen, bereiten diese vor, gießen Gewehrkugeln und besorgen Pulver“, schrieb er. Die Rebellen drohten damit, „jegliche Soldaten anzugreifen, die es wagen, sich ihnen zu widersetzen...“

Ereignisse wie diese stützen die Einschätzung des Historikers Carl Becker, dass es in der Amerikanischen Revolution nicht nur koloniale Selbstverwaltung ging, sondern auch darum, wer im eigenen Land regieren würde.

Die Briten hatten vorgehabt, an Massachusetts ein Exempel zu statuieren und der „kolonialen Schlange“ den Kopf abzuschlagen. Als solche wurden die Kolonien gelegentlich in Karikaturen dargestellt, seitdem Benjamin Franklin im Jahr 1754 einen Plan zur Einigung der Kolonien unter einer gemeinsamen Regierung („Albany Plan“) vorgestellt hatte. Die Strafexpedition von Gage hatte jedoch einen Effekt, der alles andere als schwächend war. Überall in den Kolonien bereiteten sich Patrioten auf den Krieg vor, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Mehrheit der Kolonisten den Unmut der Bevölkerung von Massachusetts über die Missstände teilte.

Die politische Karikatur „Join or Die“ (dt. „Tretet bei oder sterbt“) erschien 1754 in Benjamin Franklins „Pennsylvania Gazette" in Philadelphia. In der Karikatur wird die mangelnde Einigkeit der dreizehn Kolonien während des „French and Indian War“ kritisiert. Sie tauchte als wichtiges Symbol der Amerikanischen Revolution wieder auf.

Am 29. April schworen rund 1.000 Einwohner von New York City, die „von den blutigen Szenen in der Bucht von Massachusetts schockiert“ waren, dass sie „alle vom Kontinentalkongress empfohlenen Maßnahmen ergreifen“ würden, „um den willkürlichen und unterdrückerischen Handlungen des britischen Parlaments entgegenzutreten“. Patriotische Komitees beschlagnahmten das große Waffenlager der Stadt, sorgten für den Stopp allen Schiffsverkehrs nach Boston und schlossen das britische Zollhaus.

In Pennsylvania „beschleunigten die Nachrichten aus Massachusetts eine bereits begonnene Bewegung“, wie der Historiker Merrill Jensen es ausdrückt. Wie in New England hatten sich im westlichen Teil von Pennsylvania bereits Milizen gebildet. In Philadelphia beschloss der Stadtrat, der damals noch von einer konservativen Fraktion kontrolliert wurde, die Aufstellung einer Streitmacht von 4.300 Mann zur Verteidigung gegen das koloniale Mutterland. Die Abgeordneten reagierten damit auf lautstarke Forderungen von unten und eine neue radikale Fraktion um Thomas Paine und Thomas Young. Am 25. April 1775 drängten sich Tausende vor dem Statehouse und formierten 31 Milizkompanien, die sich nach Stadtvierteln aufteilten.

Um ein Haar wäre nicht Massachusetts, sondern Virginia zum Schauplatz der ersten Schlacht der Revolution geworden. Dort ordnete Lord Dunmore am 20. April die Entfernung des Schießpulvers aus dem Magazin von Williamsburg an, was als so genannter „Gunpowder Incident“ („Schießpulver-Zwischenfall“) in die Geschichte einging. Die Ereignisse spielten sich ab, noch Tage bevor die Nachricht vom Blutvergießen bei Boston eintraf. Als Reaktion darauf marschierte eine Miliz unter der Führung von Patrick Henry, der für den revolutionären Slogan „Gebt mir die Freiheit oder den Tod“ berühmt wurde, auf Williamsburg. Die Schlacht wurde vermieden, als die Milizionäre für das Pulver entschädigt wurden. Doch die Rebellenverbände rüsteten nach den Ereignissen in Lexington und Concord weiter auf und zwangen Dunmore und seine Familie, am 8. Juni 1775 auf das britische Kriegsschiff HMS Fowey zu fliehen, das im York River vor Anker lag.

Bei vielen einzelnen Führern der Revolution fielen die Reaktionen ähnlich aus. „Die Nachricht vom Blutvergießen in Lexington“, beschrieb Edmund Randolph aus Virginia, „veränderte das Bild Großbritanniens von einem unnachgiebigen Vater zu einem gnadenlosen Feind.“ Als Thomas Paine, der im Winter 1775 in Pennsylvania eingetroffen war, von der Schlacht erfuhr, „verwarf er den verhärteten, mürrischen Pharao von England für immer“. John Adams schrieb, Lexington und Concord bedeuteten, dass „der Würfel gefallen und der Rubikon überschritten ist“.

Die Schlacht selbst war jedoch das Ergebnis einer Kette von Ereignissen, die mindestens bis zur Stamp-Act-Krise von 1765 zurückverfolgt werden können, als sich die Kolonialisten gegen die Einführung einer Steuer auf alle Papierprodukte auflehnten. Das britische Parlament reagierte auf diesen Aufruhr, indem es zwar die Steuer aufhob, aber mit dem Gesetz „Declaratory Act“ nachdrücklich unterstrich, dass es weiterhin die alleinige Befugnis beanspruchte, den Kolonien Steuern aufzuerlegen, obwohl diese nicht direkt im britischen Unterhaus vertreten waren.

Ab diesem Zeitpunkt löste jeder weitere Versuch der Briten, ihre Autorität gegenüber den Kolonien geltend zu machen, eine neue Welle von Protesten aus: die Townshend Duty Acts von 1767, die Besetzung Bostons 1768, das Massaker von Boston 1770, der Tea Act von 1773 und die Coercive bzw. Intolerable Acts von 1774. Wie John Adams später feststellte, bewirkten diese Ereignisse einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung.

Was verstehen wir unter der Revolution? Den Krieg? Das war kein Teil der Revolution, sondern nur eine Wirkung und Folge davon. Die Revolution fand in den Köpfen der Menschen statt, und das geschah von 1760 bis 1775, also im Laufe von fünfzehn Jahren, noch bevor in Lexington auch nur ein Tropfen Blut vergossen wurde. (Aus dem Englischen)

Die „imperiale Krise“ verschärfte sich in dieser Zeit, wobei Boston das Epizentrum bildete. Formalpolitisch war der Streit durch eine Debatte über Gesetze zur Besteuerung und Parlamentsvertretung („No taxation without representation“) gekennzeichnet. Dahinter verbarg sich jedoch ein viel größeres Problem, das sich um die Fragen von Souveränität und Gleichheit drehte. Wenn King George III. und das britische Parlament den Kolonisten Zugeständnisse bei der Besteuerung machten, wurde dadurch nicht ihre Souveränität in allen anderen Bereichen untergraben? Bedeutete dies nicht eine Gleichheit in Bezug auf den gesellschaftlichen Stand, die den Bewohnern der überseeischen Besitzungen, von denen nur wenige auch nur den untersten Rängen der britischen Aristokratie entstammten, nie zugestanden worden war?

Mit Ausnahme der radikalsten Figuren in der britischen Politik, wie John Wilkes, dem Oberbürgermeister von London, vertreten alle politischen Fraktionen Großbritanniens in diesen grundlegenden Fragen der Macht im Königreich die Ansicht, dass es keine Kompromisse geben könne.

Eine satirische Karikatur, die John Wilkes angreift, der während der „Imperial Crisis“ mit den Kolonisten sympathisierte

„Wir stehen vor der Wahl“, so Lord Mansfield im Parlament, „entweder Zwangsmaßnahmen zu ergreifen oder unseren Anspruch auf Souveränität und Herrschaft über die Kolonien für immer aufzugeben. ... [Entweder] ist die Oberhoheit des britischen Parlaments vollständig, umfassend und bedingungslos, oder aber die Kolonien müssen frei und unabhängig sein.“ Das Parlament und das Ministerium mögen vielleicht Fehler gemacht haben, räumte Mansfield ein, aber es sei „völlig unmöglich, auch nur eine Silbe zur Frage von Zweckmäßigkeiten zu äußern, bevor nicht das Recht auf der einen Seite ebenso vollständig behauptet wie auf der anderen Seite anerkannt worden ist.“

In der Tat konnten König und Parlament ein solches Ergebnis wie die amerikanische Unabhängigkeit niemals akzeptieren. Der Verlust der Kolonien bedrohte die britische Vorherrschaft im Handel, die in der Periode der kapitalistischen Entwicklung, die Marx als „ursprüngliche Akkumulation“ bezeichnete, unter enormen Kosten gegenüber den europäischen Mächten errungen worden war. Lord Camden erklärte dazu:

... ohne Handel ist diese Insel, verglichen mit vielen Ländern auf dem Kontinent, nur ein kleiner unbedeutender Fleck: allein durch unseren Handel können wir Anspruch auf das Gewicht erheben, das wir auf der großen politischen Waage messen. Verglichen mit einigen der großen Mächte Europas ist England, in den Worten von Shakespeare, nicht mehr als ein „Vogelnest, das auf einem Teich schwimmt“. (Aus dem Englischen)

Wie Adams erklärte, waren die Kolonisten in den vorangegangenen Jahren ideologisch auf die Revolution vorbereitet worden. Sie nahmen ihren Kampf in erster Linie als Fortsetzung und Vertiefung der britischen Revolutionen des 17. Jahrhunderts wahr. Durch eine Flut von Traktaten, Pamphleten und Reden von Persönlichkeiten wie etwa James Otis, begleitet von ernsthafter revolutionärer Organisation durch Anführer wie Samuel Adams, war die Bevölkerung zu einem verstärkten demokratischen Bewusstsein erweckt worden. Diese Anführer waren sich darüber im Klaren, dass es bei den strittigen Fragen nicht nur um die Beziehungen zwischen Mutterland und Kolonien ging, sondern um universelle Grundsätze, die die Freiheit und den Grundsatz der Gleichheit der Menschen für die kommenden Generationen sichern sollten.

Doch die amerikanischen Führer, die später als „die Gründerväter“ bezeichnet wurden, sahen vor Lexington und Concord nicht so klar wie ihre britischen Gegner. Folglich richtete sich das Denken der Anführer der Patrioten in eine revolutionäre Richtung – vom Standpunkt des Ministeriums aus war es mindestens aufrührerisch. Doch noch bis 1774 scheuten sie sich, die notwendigen revolutionären Konsequenzen zu ziehen. Sie konnten die überwältigenden Folgen einer Revolution nicht abschätzen und suchten daher nach Kompromissmöglichkeiten mit dem Parlament, bevor sie zu dem Entschluss kamen, King George dazu aufzufordern, die Kolonien als eigenständiges Reich zu regieren – eine Position, die in der sogenannten „Olive Branch Petition“ („Palmzweig-Petition“) des Zweiten Kontinentalkongresses vom Juli 1775 bekräftigt wurde. Doch auch George hatte sich schon im September 1774 für den Krieg entschieden: 'Die Würfel sind gefallen, die Kolonien müssen sich entweder unterwerfen oder triumphieren', schrieb er an Lord North.

König George III.

Der britische Angriff auf Lexington und Concord veränderte, wie zuvor bereits jeder Parlamentsbeschluss, die politische Situation in den Kolonien zugunsten der militanteren Führer und derjenigen, die bereit waren, aus der Logik der Ereignisse revolutionäre Schlüsse zu ziehen. Die Tage kompromissbereiter Persönlichkeiten wie des konservativen John Dickinson aus Delaware, der in seinen Letters from a Pennsylvania Farmer die amerikanische Position zu Besteuerung und Parlamentsvertretung formuliert hatte, waren gezählt.

Radikalere Denker begannen, die Diskussion auf dem Zweiten Kontinentalkongress, der am 10. Mai 1775 im Schatten der Ereignisse von Massachusetts in Philadelphia zusammentrat, nach links zu lenken. In den Vordergrund traten nun Persönlichkeiten wie John Adams aus Massachusetts, Thomas Jefferson aus Virginia und Benjamin Franklin aus Pennsylvania, der sich zum Zeitpunkt der Kämpfe mitten auf dem Ozean befand und Großbritannien in der Überzeugung verlassen hatte, dass die Unabhängigkeit der einzig gangbare Weg sei.

Benjamin Franklin

Wie der Historiker Gordon Wood dargelegt hat, war die Amerikanische Revolution in der Tat ein radikales Ereignis in der Geschichte, das zu seiner Zeit nicht weniger radikal war als die großen Revolutionen, die darauf noch folgen sollten. Unabhängig von den anfänglichen Beweggründen, die sich aus der Logik der Ereignisse und dem Nebel des Krieges ergaben, trat bald deutlich hervor, dass die Amerikanische Revolution nicht geführt wurde, um lediglich die britische Verfassung zu korrigieren, sondern um ein völlig neues Regierungssystem und sogar eine völlig neue Gesellschaft zu errichten, die auf den theoretischen Errungenschaften der Aufklärung beruhte, aus der sie sehr direkt hervorging. Auch war die amerikanische Revolution nicht bloß ein nationales Ereignis. Sie zog alle europäischen Großmächte in den Strudel des Krieges mit hinein. Und sie erweckte, wie Marx es ausdrückte, „de[n] Gedanke[n] einer großen demokratischen Republik [als] … erste[n] Anstoß zu der europäischen Revolution des 18. Jahrhunderts“, der direkt die große französische Revolution von 1789 beeinflusste.

Während die Ideologie, die die ersten bürgerlich-demokratischen Revolutionen antrieb, oft die Interessen von Einzelnen und ganzer Klassen, auch vor den Beteiligten selbst, verschleierte, waren die Angehörigen der besitzenden Klassen bei der Ausarbeitung der Verfassung von 1787 davon überzeugt, dass sie „das Volk“ vertreten. In ähnlicher Weise nahmen die französischen Abgeordneten im Jahr 1789 für sich in Anspruch, für „die Nation“ zu sprechen. Auf der anderen Seite des Atlantiks verkündete der bürgerliche Republikanismus Gleichheit, Brüderlichkeit und Menschenrechte. In der Praxis jedoch ersetzten diese Revolutionen durchweg alte Formen der Klassenherrschaft durch neue. In den USA war bis zum Bürgerkrieg die widerwärtigste dieser Formen die Sklaverei im „Land der Freiheit“, die zusammen mit der Ausdehnung der Plantagenwirtschaft im Süden anwuchs. Sie existierte trotz der Bedenken und Bemühungen der Gründergeneration, diese so genannte „eigentümliche Institution“ zu beenden.

Trotz der Einschränkungen, die der Amerikanischen Revolution durch die Bedingungen ihrer Zeit selbst auferlegt waren, steht außer Zweifel, dass sie ein fortschrittliches Ereignis von welthistorischer Bedeutung war. Sie stellte die Sklaverei in Frage, die sich nun – zum ersten Mal in der Weltgeschichte – in die Defensive gedrängt sah. Die Revolution schaffte in den Vereinigten Staaten die Monarchie ebenso ab sowie die letzten Überreste feudaler Eigentumsvorstellungen, etwa das Erstgeburtsrecht, die erbliche Bindung von Grundbesitz an die Familienlinien („entail“) sowie Weitergabe öffentlicher Ämter durch Vererbung. In ihren großen Gründungsdokumenten – der Unabhängigkeitserklärung (1776), der Verfassung (1787) und der Bill of Rights (1789) – formulierte sie die Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft, darunter zentrale Grundrechte wie Meinungsfreiheit, das Recht auf ein Geschworenengericht sowie das Verbot willkürlicher Inhaftierung, Folter und Abschiebung. Diese Rechte wurden zum angeborenen oder „natürlichen“ Eigentum aller Menschen erklärt, und nicht als etwas, das „gewährt“ oder von einer tyrannischen Regierung entzogen werden könnte. Am entscheidendsten aber ist: Wie es in der Unabhängigkeitserklärung ausdrücklich heißt, ist es das Recht und die Pflicht der Bevölkerung, eine Regierung abzuschaffen, wenn sie „sich für diese Zwecke als schädlich erweist“.

Ein Pamphlet, das Gages „Verwüstungen“ in Massachusetts beschreibt. Solche Propaganda trug dazu bei, Unterstützung in den Kolonien und Sympathien bei den englischen Radikalen zu gewinnen.

Die Konterrevolution der Trump-Regierung macht die Bedeutung des 250. Jahrestags der Amerikanischen Revolution nur noch größer. Kein Wunder, dass die heutige herrschende Klasse diesem Jahrestag mit einem spürbaren Gefühl der Angst entgegensieht. Welche Schritte sie im Rahmen der offiziellen „Erinnerung“ auch unternehmen mag, sie wird mit Sicherheit versuchen, die wirkliche Geschichte der Revolution zu „vergessen“, und sich dabei der mythologischen und rechtsextrem-patriotischen Interpretation zuwenden, die von Trump favorisiert wird. Alternativ bietet sich ihr die dämonische Umkehrung dieses Mythos, die im Rahmen des „1619 Project“ der New York Times vorgebracht wird.

Die Kolonisten erhoben sich 1775 gegen „eine lange Reihe von Missbräuchen und Übergriffen“ durch King George, die King Donald nun wieder aufleben lässt – und über die er weit hinausgeht. Bei seiner Unterstützung eines Völkermords im Nahen Osten und der Vorbereitung auf einen Weltkrieg mit China und während er einen Handelskrieg auf dem ganzen Planeten führt, der an die gewaltsamen Handelskriege und die offene Piraterie der großen Handelsimperien des 18. Jahrhunderts erinnert, tritt der heutige Bewohner des Weißen Hauses sämtliche Grundrechte mit Füßen, die in den Gründungsdokumenten Amerikas dargelegt sind: die Entführung von Menschen – einschließlich Personen, die sich rechtmäßig in den USA aufhalten – durch die Polizei und ohne Gerichtsverfahren sowie deren Deportation in Gefangenenlager in anderen Ländern; seine wiederholte Drohung, dasselbe mit amerikanischen Bürgern zu tun; seine beharrliche Behauptung im Stil von Monarchen, dass alles, wovon er erklärt, dass es im Interesse der nationalen Sicherheit sei, allein dadurch schon rechtmäßig ist; seine Drohung, die Verfassung gänzlich außer Kraft zu setzen, indem er sich auf den Insurrection Act („Aufstandsgesetz“) beruft.

Der Appell an die grundlegenden Prinzipien, die in den großen Gründungsdokumenten formuliert wurden, war das Mittel, durch das die demokratische Revolution in Amerika erfolgreich war. Sie erforderte Klarheit in der Zielsetzung, eiserne Entschlossenheit und die Einsicht, dass jedem politischen Kampf universelle Prinzipien innewohnen.

Demokratische Grundrechte sind unvereinbar mit dem heute herrschenden Ausmaß an sozialer Ungleichheit und – wie die Niederschlagung der Proteste gegen den Völkermord in Gaza gezeigt hat – auch damit, dass imperialistische Kriege geführt werden. Wie schon die britische herrschende Klasse in den 1770er Jahren ist auch ihr amerikanisches Gegenstück 250 Jahre später nicht in der Stimmung für Kompromisse. Es handelt sich um eine herrschende Klasse, die keine Angriffe auf ihren Reichtum duldet und keine Einschränkungen hinsichtlich der Gewalt akzeptiert, die zur Verteidigung ihres Reichtums notwendig ist. Nach dem Vorbild der alten Monarchien ist es eine herrschende Klasse, mit Trump an der Spitze, die verlangt, dass man ihr auf Knien begegnet.

Aber es ist die amerikanische Arbeiterklasse, die die wahre Erbin der ersten beiden Revolutionen in den 1770er und 1860er Jahren ist. Arbeiter müssen sich der extremen Gefahr bewusst sein, die von Trump und seinen Kumpanen ausgeht. Sie müssen in der Lage sein, das zu tun, was Edmund Burke im März 1775 in Bezug auf die Kolonisten sagte: „das Herannahen der Tyrannei in jeder verdorbenen Brise erschnüffeln“. Dies ist in der Tat eine historische Notwendigkeit. In der herrschenden Klasse gibt es keine Basis für die Verteidigung der demokratischen Rechte. Die Bewahrung der Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung und ihre Ausweitung auf soziale Rechte – wie das Recht auf Arbeitsplätze, Frieden, Bildung, Gesundheitsversorgung und eine saubere Umwelt – sind selbst zu revolutionären Aufgaben geworden.

Auf grundsätzlichster Ebene lehren die Amerikanische Revolution und ihre ersten Gefechte von Lexington und Concord, dass eine Revolution, die an einem Tag unmöglich scheinen mag, am nächsten Tag der logischste Lauf der Dinge ist, und dass es die tyrannische Macht selbst ist, die den Wind der Revolution sät.

Werke zum Thema, die bei Mehring Books erhältlich sind:

David North: Equality, the Rights of Man and the Birth of Socialism

Gordon Wood: The Radicalism of the American Revolution

Bernard Bailyn: The Ideological Origins of the American Revolution

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