Thyssenkrupp und HKM: Drohung mit Massenentlassungen und Umstellung der Stahlindustrie auf Kriegswirtschaft

Der größte deutsche Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) und die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) drohen mit Massenentlassungen. Damit wird der Umbau der Stahlindustrie in eine verkleinerte, aber umso effizientere Produktion forciert, die die Stahlherstellung auch in Kriegszeiten garantiert. Die Zeche zahlen die Stahlarbeiter mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Lohnsenkungen. Das wollen die IG Metall und der Konzernvorstand in den kommenden Wochen und Monaten durchsetzen.

Aktion der IG Metall am 14. Juni 2024 in Duisburg, um Subventionen für Thyssenkrupp zu fordern [Photo: WSWS]

Als Thyssenkrupp im November letztens Jahres angekündigte, 11.000 der 27.000 Stellen seiner Stahltochter abzubauen, schockte das die Stahlarbeiter an Rhein und Ruhr, im Sieger- und Sauerland. Die IG Metall polterte los und kündigte lautstark Proteste und Arbeitskampf an. Es geschah aber, abgesehen von einigen kurzen, sorgfältig inszenierten Protestveranstaltungen, nichts dergleichen.

Sinnbild der Politik der IG Metall, der nach eigener Aussage größten Einzelgewerkschaft der Welt, ist das Mahnwachen-Zelt vor Tor 1 des Stahlwerks im Duisburger Norden. Wenn nicht gerade ein Gast aus Berlin eingeladen ist, vor der Kulisse des Stahlwerks mit Schutzhelm auf dem Kopf für sich zu werben – wie Kanzler Olaf Scholz (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) oder die Duisburger Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir (SPD) und Felix Banaszak (Grüne) –, steht es meist leer.

Denn in Wirklichkeit hat die IG Metall von Anfang an klargemacht, dass sie die Angriffe mitträgt. Ihre einzige Bedingung ist, dass sie wie beim Abbau der letzten Jahrzehnte beteiligt wird, um Widerstand durch den Ausschluss unmittelbarer Werksschließungen und betriebsbedingter Kündigungen zu unterdrücken.

Seit November hat sich das nicht geändert. Geändert hat sich aber mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die internationale Lage. Trumps Zollkrieg hat die deutsche Stahlindustrie noch tiefer in die Krise gestürzt, als sie das schon zuvor war. Die Autoindustrie als Hauptkundin bestellt noch einmal weniger, US-Zölle für Stahl werden angehoben. Das trifft TKSE aufgrund geringer Exporte dorthin zwar weniger unmittelbar. Dafür dürfte China, das mit Abstand weltgrößte Stahlproduktionsland, noch mehr Stahl auf den europäischen Markt werfen.

Angesichts dieses eskalierenden Handelskriegs fordert die deutsche Stahlindustrie „schmerzhafte Lösungen“, um die Stahlproduktion profitabel zu machen. Das war die Formulierung von Gerhard Erdmann, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Stahl im Gespräch mit der Regionalpresse am Donnerstag. Obwohl die nächste Stahl-Tarifrunde erst im September beginnt, stellt Erdmann jetzt schon klar: „Es gibt nichts zu verteilen. Die Krise hat uns fest im Griff.“ Die jetzigen Herausforderungen ließen sich „nicht mehr durch die bewährten Mechanismen allein bekämpfen“, so Erdmann.

Der letzte Tarifvertrag aus dem Jahr 2023 gibt den Konzernen bei der Arbeitszeit Flexibilität – die 35-Stunden-Woche kann auf 32 gesenkt oder auf 38 erhöht werden. Ähnliche Maßnahmen reichten nun nicht mehr aus, so Erdmann.

Das sieht auch die IG Metall so. Deshalb drängt sie auf Sozialtarifvertragsverhandlungen für die 27.000 Stahlarbeiter bei Thyssenkrupp Stahl und die 3000 Beschäftigten bei HKM. Der Abschluss von Sozialtarifverträgen bedeutet, dass sie den Arbeitsplatzabbau bereits akzeptiert hat. Sie verhindern keine Werksschließungen oder Massenentlassungen, sondern regeln sie.

Den Vorstand von TKSE hat die IG Metall aufgefordert, „bis zu den Osterfeiertagen Farbe zu bekennen“. Er solle die „roten Linien“ der Gewerkschaft anerkennen, um den Weg für den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen frei zu machen. An allen Standorten habe die IGM bereits Tarifkommissionen zusammengestellt, aus der wiederum eine gemeinsame Tarifkommission gebildet wurde. Deren „rote Linien“ sind einmal mehr der Ausschluss von „betriebsbedingten Kündigungen“, Garantien für alle Standorte und Investitionszusagen.

Der IGM-Apparat hat wie in der Vergangenheit vor, die einzelnen Standorte zu spalten und die Angriffe mit den alten Mechanismen durchzusetzen. So ist die Forderung nach Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen eine Farce. In der Stahlindustrie gab es die seit Jahrzehnten nicht mehr, dennoch sind fast 100.000 Arbeitsplätze vernichtet worden.

Und Garantien für Standorte sagen nichts über die Belegschaftsstärke. Doch je niedriger die Zahl der Beschäftigten an einem Standort, desto näher rückt dessen Schließung. Die Sicherung von Standorten verhindert nicht deren Schließung, sondern zögert sie allenfalls hinaus. Zudem vereinbart die IG Metall stets Revisionsklauseln, die die Vereinbarung zur Standortsicherung bei „Änderungen der wirtschaftlichen Situation“ außer Kraft setzen – also genau dann, wenn eine solche Vereinbarung tatsächlich gebraucht würde.

Deshalb sind auch die Sozialtarifverträge, die die IG Metall nun anstrebt, nicht das Papier wert, auf dem sie stehen.

Das gilt vor allem für die 3000 HKM-Stahlarbeiter. Thyssenkrupp ist zur Hälfte an HKM beteiligt (die Salzgitter AG zu 30 und Valourec zu 20 Prozent) und gleichzeitig größter Abnehmer des HKM-Stahls. Rund 60 Prozent des Stahls aus dem Duisburger Süden von HKM gehen in die Werke von TKSE im Duisburger Norden sowie in Hohenlimburg zur Weiterverarbeitung. Doch am 4. April hat der TKSE-Aufsichtsrat beschlossen, den bestehenden Liefervertrag mit HKM zum Jahr 2032 zu kündigen.

„Nach der Kündigung des Liefervertrags durch Thyssenkrupp müssen wir uns auf das Schlimmste vorbereiten – nämlich auf eine Schließung“, sagte Karsten Kaus, der Geschäftsführer der IGM Duisburg-Dinslaken. „Selbst wenn der Liefervertrag mit Thyssenkrupp noch sieben Jahre läuft, ist jetzt schon klar, dass Thyssenkrupp die Menge, die es von HKM abnimmt, spätestens 2028 rausnimmt und selbst produziert“, erklärte Kaus. Er rechne „mit betriebsbedingten Kündigungen“.

Jetzt fordert der Gewerkschaftsfunktionär daher einen Sozialtarifvertrag, der üblicherweise bei Werksschließungen zum Einsatz kommt. „Damit werden Massenentlassungen sozial abgefedert“, so Kaus gegenüber der Lokalpresse. „Als letztes Mittel können wir sogar streiken.“

Dass der IGM-Apparat und seine Betriebsräte bei HKM nicht streiken werden, und schon gar nicht zur Verteidigung der Arbeitsplätze, hat HKM-Betriebsratschef Marco Gasse deutlich gemacht. Neben Abfindungs- und Altersteilzeitregelungen sollen Beschäftigte auch „freiwillig“ bis zu drei Jahre in eine Transfergesellschaft wechseln können. Er hoffe allerdings noch darauf, dass sich die HKM-Miteigentümerin Salzgitter für einen Erhalt der HKM einsetze. „Für den Fall, dass die Salzgitter AG sich für eine Fortführung der Hütte entscheiden sollte, stehen wir wie bei einem Verkauf der HKM auch für Gespräche über eine Zukunfts- und Transformationsvereinbarung zur Verfügung.“

Umbau der Stahlindustrie für Rüstung und Krieg

Das Wort „Transformation“ ist eines der Lieblingswörter der Gewerkschaftsapparatschiks. Damit unterstreichen sie, dass sie die Einbettung der deutschen Stahlindustrie in die Kriegswirtschaft unterstützen. Unmittelbar nachdem SPD, CDU/CSU und Grüne Kriegskredite von einer Billion Euro beschlossen hatten, verkündete der IG-Metall-Vorstand in einem Pressestatement mit der Überschrift „Tempo und Entschiedenheit sind ein gutes Signal“ seine Zustimmung.

Bereits als Kanzler Scholz auf dem so genannten Stahlgipfel Ende letzten Jahres die Stahlindustrie als „unverzichtbar“ für Deutschland bezeichnete, schwärmte Thyssenkrupp-Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol, Scholz habe „die Zeichen der Zeit erkannt“ und „konkrete Maßnahmen versprochen, um die system- und sicherheitsrelevante Stahlindustrie zu stärken“.

Die IG Metall spricht auch von der „Transformation hin zu einer klimafreundlichen Produktion“. Es ist der Mechanismus, mit dem sie den Staat auffordert, Thyssenkrupp zu subventionieren, um eine kriegstüchtige, nationale Stahlindustrie zu erhalten. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag bereits angekündigt, die Stahlindustrie „bei ihrer Umstellung der Produktionsprozesse auf dem Weg zur Klimaneutralität“ unterstützen zu wollen.

Die IGM und zahlreiche Bundespolitiker befürworten den Einstieg des Staates bei Thyssenkrupp und in die gesamte Stahlindustrie – ähnlich wie die britische Regierung, die letzte Woche das einzige verbliebene Stahlwerk von British Steel per Notstandsdekret unter ihre Kontrolle gestellt hat. In dieselbe Richtung geht die IGM-Forderung nach „Investitionszusagen“.

Doch anders als es die IG Metall, die Betriebsratsfunktionäre um Nasikkol und Stahl-Betriebsratschef Ali Güzel darstellen, würde ein Staatseinstieg der Remilitarisierung Deutschlands dienen und nicht der Rettung der Arbeitsplätze bei TKSE.

Arbeitsplätze können nicht durch Umstellung auf Rüstungsproduktion verteidigt werden, die der Vorbereitung von Kriegen dient, die das Leben von Millionen Arbeitern und ihrer Familien bedrohen. Die Verteidigung der Arbeitsplätze ist im Gegenteil unmittelbar mit dem Kampf gegen Aufrüstung und Militarisierung verbunden.

Neue Organisationen müssen aufgebaut werden, die alle Stahlarbeiter vereinen und die Spaltung nach Standorten, Konzernen und Nationen überwinden. Das ist nur gegen den IGM-Apparat möglich, nicht mit ihm.

Wir rufen alle Stahlarbeiter auf, am Aufbau eines Aktionskomitees mitzuwirken. Alle Stahlarbeiter müssen zusammenstehen und Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Branchen und Ländern aufnehmen, die – wie in der Autoindustrie – mit den gleichen Angriffen konfrontiert sind. Nur so lassen sich Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeiterrechte prinzipiell verteidigen.

Kontaktiert uns! Es ist Zeit, aktiv zu werden, sonst droht die schrittweise Abwicklung der Stahlindustrie bis auf einen kleinen kriegswichtigen Rest. Schreibt eine Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +491633378340 und registriert euch gleich über das folgende Formular.

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