Perspektive

Harvards Zurückweisung von Trumps autoritären Forderungen und die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit und demokratischen Rechte

Bei der Abschlussfeier der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, applaudieren Studenten neben einer palästinensischen Flagge, als ein Redner die 13 Studenten würdigt, die aufgrund ihrer Teilnahme an Protesten an ihrem Abschluss gehindert wurden, 23. Mai 2024 [AP Photo/Ben Curtis]

Am Montag kündigte der Präsident der Harvard University Alan Garber an, dass die Universität den Forderungen der Trump-Regierung nicht nachkomme, die politische Opposition zu unterdrücken. Harvard weigert sich, der Regierung die Kontrolle über wichtige Abteilungen zu übergeben und ein Regime des ideologischen Terrors und der rechten Gedankenkontrolle auf dem Campus in Cambridge, Massachusetts, zu errichten.

Das Weiße Haus reagierte sofort, indem es 2,2 Milliarden Dollar an mehrjährigen Zuschüssen und 60 Millionen Dollar an mehrjährigen Verträgen für Harvard aussetzte. Darüber hinaus drohte Trump in seiner tyrannischen und ignoranten Art damit, dass die Universität ihre Steuerbefreiung verlieren „und als politische Körperschaft besteuert werden“ könnte, wenn sie ihre angeblich „politischen, ideologischen und terroristisch inspirierten/unterstützenden“ Aktivitäten fortsetze.

Der Konflikt zwischen Harvard und dem Trump-Regime betrifft grundlegende demokratische Rechte wie die Wissenschaftsfreiheit. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie der anhaltende Angriff auf die Grundrechte abgewehrt werden und die Arbeiterklasse mit einem eigenen Programm und zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen eingreifen kann.

Die Regierung forderte Harvard am 11. April in einem Schreiben in autoritärer Manier auf, Maßnahmen zu ergreifen, um „die Zulassung von Studenten zu verhindern, die den amerikanischen Werten und Institutionen, die in der US-Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung verankert sind, feindlich gegenüberstehen, darunter Studierende, die Terrorismus oder Antisemitismus unterstützen“.

Das schreibt ausgerechnet eine faschistische Regierung, die einen Frontalangriff auf die Verfassung unternimmt und am laufenden Band das Recht bricht. Die Behauptung, Harvard-Studenten würden „Terrorismus oder Antisemitismus“ unterstützen, ist eine ungeheuerliche Lüge. Sie zielt darauf ab, den Widerstand gegen den israelischen Völkermord in Gaza zu unterdrücken, der mit Unterstützung der US-Regierung durchgeführt wird und Zehntausende Opfer gefordert hat.

Darüber hinaus wollte Trump Harvard verpflichten, eine Prüfung „auf Meinungsvielfalt durchzuführen, so dass jeder Fachbereich, jedes Fachgebiet oder jede Lehreinheit eine individuelle Meinungsvielfalt aufweisen muss“, d. h. dass Rechte und Spinner ihre Standpunkte verbreiten dürfen. Die Regierung möchte, dass die Hochschulen von „Gauleitern“ nach nationalsozialistischem Vorbild geleitet werden, mit dem Ziel, sie in Propagandazentren zu verwandeln. Dann können die Institute für Biologie oder Astronomie gezwungen werden, „Intelligent Design“ und Kreationismus lehren. Es könnte Geld für Bibelstudien bereitgestellt oder die Entwicklung und Verwendung von Impfstoffen in Frage gestellt werden – und vieles mehr.

Darüber hinaus ordnete die Regierung an, verschiedene Institute und Fachbereiche direkt zu bespitzeln und zu überwachen, um sicherzustellen, dass die Opposition gegen den Zionismus und den US-Imperialismus ausgeschaltet wird, darunter die Divinity School, die Graduate School of Education, die School of Public Health, die Medical School, das Center for Middle Eastern Studies und den Fachbereich für Nahostsprachen und -kulturen.

In seiner Antwort betont Harvard-Präsident Garber richtigerweise, dass die Trump-Regierung „Forderungen stellt, die gegen den Ersten Verfassungszusatz verstoßen und die vom Obersten Gerichtshof anerkannten universitären Freiheiten verletzen“.

Die Universität wird weder ihre Unabhängigkeit aufgeben noch ihre verfassungsmäßigen Rechte abtreten. Weder Harvard noch irgendeine andere private Universität kann sich von der Bundesregierung vereinnahmen lassen. Daher wird Harvard die Bedingungen der Regierung nicht als grundsätzliche Vereinbarung akzeptieren.

Ein Großteil der Harvard-Beschäftigten und eine überwältigende Mehrheit der Studierenden haben die Erklärung des Universitätspräsidenten mit Begeisterung begrüßt, auch wenn sie verspätet kam. Wochenlang hatte sich die Universität angepasst und zweideutig verhalten. Die schändliche Kapitulation der Columbia University hat ein Gefühl der Abscheu hervorgerufen. Offensichtlich waren es die Forderungen der Studenten und Dozenten, dass Harvard gegen den faschistischen Gangster im Weißen Haus Stellung bezieht, die Garbers Entscheidung geradezu erzwungen haben. Er hat seine Erklärung etwas mehr als eine Woche nach den Massenprotesten gegen Trump in Boston und in anderen US-Städten abgegeben.

Die Reaktion von Harvard ist bedeutend, weil sie den Versuch der Trump-Administration zurückweist, die Meinungsfreiheit abzuschaffen und Universitäten und Schulen unter die Knute der Regierung zu stellen. Es wäre jedoch ein schwerer Fehler, sich voreilig zu freuen.

Liest man Garbers Brief kritisch, erkennt man, dass er kein lautes Bekenntnis zu demokratischen Rechten abgibt, geschweige denn die Trump-Regierung unmissverständlich anprangert. Er akzeptiert die ursprüngliche Lüge, dass es notwendig war, den „Antisemitismus“ an der Harvard-Universität zu bekämpfen, und legitimiert damit die Unterdrückung der Studierenden.

Außerdem schließt der Brief mit dem Versprechen, dass „Harvard für einen Dialog über das, was die Universität getan hat und zu tun gedenkt, offen bleibt“. Dies zeigt deutlich, dass die Universität bereit ist, einen prinzipienlosen Kompromiss einzugehen.

Gegründet 1636 ist Harvard die älteste und renommierteste Universität der USA. Mit einem geschätzten Stiftungsvermögen von 50,7 Milliarden Dollar ist sie die reichste Forschungseinrichtung der Welt.

Sie ist zudem eine bedeutende Kaderschmiede des US-Imperialismus. Hier haben Hunderte Staats- und Regierungschefs aus aller Welt studiert, ebenso US-Präsidenten und -Vizepräsidenten, Kabinettssekretäre, Gouverneure, Senatoren und Abgeordnete sowie unzählige Akademiker, die den Status quo verteidigen. Die Hochschule hat enge Verbindungen zum Militär- und Geheimdienstapparat und anderen staatlichen Behörden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass Garber vor der Veröffentlichung seiner Erklärung intensive Gespräche mit einflussreichen Mitgliedern aus dem Militär- und Geheimdienstapparat und vor allem mit Millionären und Milliardären aus der Finanzwelt geführt hat, unter denen die Unzufriedenheit mit einigen Aspekten von Trumps Wirtschaftspolitik zunimmt.

Auch wenn man sich keine Illusionen über das Engagement der Universität für eine kompromisslose Verteidigung der Demokratie machen sollte: Harvard ist – wie auch andere amerikanische Universitäten – eine wichtige akademische und wissenschaftliche Einrichtung, an der wertvolle Forschung betrieben und wichtige intellektuelle Arbeit geleistet wird. Die Regierung hat bereits begonnen, alle diese Errungenschaften zu zerstören. Die Zeitung Boston Globe berichtet:

Eine Spitzenwissenschaftlerin in Harvard, die jahrelang die Geheimnisse der Tuberkulose entschlüsselt hat, wachte am Dienstagmorgen auf und entdeckte eine Anordnung der Bundesregierung, die sie aufforderte, ihre Forschung einzustellen.

Im besten Fall sind Harvard und die Universitäten und Colleges wichtige Bildungseinrichtungen. Die Regierung versucht, die Universität als Institution zu zerstören, in der Wissenschaftler – um mit den Worten des Philosophen John Dewey zu sprechen – in der Lage sind:

Die Wahrheit zu erforschen; Tatsachen kritisch zu überprüfen; mit den besten Methoden, die zur Verfügung stehen, Schlüsse zu ziehen, unbeeinflusst von äußerer Furcht oder Begünstigung, diese Wahrheit dem Studenten zu vermitteln; ihm ihre Bedeutung für die Fragen, mit denen er im Leben konfrontiert sein wird, zu erklären.

Ein Schlag gegen einen dieser Aspekte, so Dewey weiter, „bedeutet, der Universität selbst eine tiefe Wunde zuzufügen“.

Man muss diese allzu rosige Beschreibung der bürgerlichen Akademie, die letztlich von Klasseninteressen dominiert wird, nicht akzeptieren, um zu erkennen, dass grundlegende Fragen der demokratischen Rechte auf dem Spiel stehen. Mit ihrem plumpen und gewalttätigen Angriff auf Harvard, in der Hoffnung, weniger mächtige Hochschulen und Universitäten einzuschüchtern, zeigen Trump und Co. einmal mehr keine Originalität.

Sie nehmen eine weitere Seite aus dem Drehbuch Hitlers. Wie die Wiener Holocaust Library betont, legte das Nazi-Regime „großen Wert darauf, wer die Lehrer waren“. Nach einem Gesetz, das nur drei Monate nach Hitlers Machtübernahme erlassen wurde, „wurden alle jüdischen Lehrer und Lehrer mit unerwünschten politischen Überzeugungen (wie Kommunisten) entlassen“.

Dieses Gesetz machte auch die Mitgliedschaft in der NSDAP für alle Lehrer zur Pflicht. [Die ersten Bücherverbrennungen fanden einen Monat später gegenüber der Humboldt-Universität zu Berlin statt.] Der 1929 gegründete Nationalsozialistische Lehrerbund wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten für die Kontrolle und Ausbildung der Lehrer verantwortlich. Alle Lehrer mussten an einem einmonatigen obligatorischen NS-Schulungskurs teilnehmen, in dem die nationalsozialistische Ideologie und die Wichtigkeit, die Ideen des Regimes zu vertreten, betont wurden.

Die Harvard-Abteilung der American Association of University Professors hat Klage eingereicht und beschuldigt die Regierung des „rechtswidrigen und beispiellosen Missbrauchs der Bundesmittel und der Befugnisse zur Durchsetzung der Bürgerrechte“ mit der Absicht, die akademische Freiheit und die freie Meinungsäußerung an der Universität zu untergraben. Die Behauptung ist zweifellos wahr, aber die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit und anderer demokratischer Rechte kann nicht den Gerichten anvertraut werden, deren Entscheidungen die Regierung ohnehin nur missachtet.

Wie der Erpressungsversuch der Regierung zeigt, stehen Garber und die Unileitungen unter enormem Druck und würden – wie bereits erwähnt – gerne eine Einigung erzielen, wenn sie können.

Es handelt sich jedoch um Fragen, bei denen kein Kompromiss oder eine Schlichtung möglich ist. Das Schicksal des intellektuellen Lebens und der demokratischen Rechte der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Zeitgleich zu den Angriffen auf Studenten und Dozenten, darunter die Entführung ausländischer Studenten und Genozid-Gegner, verschärft sich die soziale Krise. Durch die Inflation sinkt der Lebensstandard, Hunderttausende Bundesbedienstete verlieren ihre Stelle, und die Regierung greift die Renten- und Gesundheitsversorgung an. Diese Entwicklung wird zu einer weiteren Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führen.

Der Kampf gegen Trump und die anderen faschistischen Kräfte kann nur durch eine breite Massenmobilisierung erfolgreich sein.

Die Arbeiterklasse muss sich für die Verteidigung der Studenten und des Rechts auf Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit einsetzen. Die Universitäten und das dort produzierte Wissen sind das Erbe und eine Ressource, die der gesamten arbeitenden Bevölkerung gehört oder gehören sollte. Sie hat ein entscheidendes Interesse daran. Die Arbeiter dürfen nicht zulassen, dass die Kulturvandalen im Weißen Haus, die alles Rückständige und Ignorante fördern, diese Einrichtungen zerstören.

Die Gefahr der Diktatur kann nicht besiegt werden, ohne den Kern des Problems anzugehen – das kapitalistische System mit der enormen sozialen Ungleichheit und der oligarchischen Herrschaft. Der Kampf für die Verteidigung der demokratischen Rechte geht weit über die Grenzen von Harvard und anderen Universitäten und Colleges hinaus.

Letztlich ist die Verteidigung aller demokratischen Rechte untrennbar mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbunden. Die Oligarchie, die die Gesellschaft beherrscht, kann Redefreiheit und kritisches Denken nicht dulden. Sie weiß nur zu gut, dass die Macht der Vernunft, wenn sie ungehindert genutzt wird, zu der Schlussfolgerung führen wird, dass der Kapitalismus mit den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft unvereinbar ist und durch den Sozialismus ersetzt werden muss.

Die Verteidigung von Harvard und anderen Universitäten gegen die Faschisten erfordert den Aufbau der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), einer revolutionären Bewegung unter jungen Menschen, die eine sozialistische Perspektive hat, die dieser Bewegung eine bewusste Orientierung gibt.

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