Während Ministerien, Behörden und Polizei ihre Repressionen gegen Gegner des Völkermords in Gaza bundesweit verschärfen, haben im Ruhrgebiet zwei Genozid-Gegner erfolgreich vor Gericht gegen ihre Verfolgung geklagt.
Am Donnerstag letzter Woche erklärte das Arbeitsgericht Dortmund die Kündigung von Ahmad Othman für rechtswidrig. Der Aktivist war von seinem Arbeitgeber, dem Land NRW, entlassen worden, weil er sich in der Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) engagiert hatte, die das nordrhein-westfälische Innenministerium unter Herbert Reul (CDU) am 16. Mai letzten Jahres verbot.
Nur einen Tag später stellte das Landgericht Duisburg das Verfahren gegen Jamal A. ein, der der „Billigung von Straftaten“ beschuldigt worden war. Gemeint war der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023.
Ahmad Othman war einer von Vieren, deren Wohnungen am Tag des PSDU-Verbots von der Polizei und dem Verfassungsschutz durchsucht wurden. Er hat im Gespräch mit der WSWS bereits die politische Bedeutung seines Verfahrens geschildert: „Ich weiß, dass es nicht nur um mich geht. Wenn ich verliere, verlieren wir alle.“ Er wolle daher alle juristischen Mittel nutzen, um seinen Job zurückzubekommen.
Seine Kündigung durch das Land NRW stützt sich einzig und allein auf das Verbot der PSDU durch dasselbe Land NRW. Das Landesamt für Qualitätssicherung und Informationstechnologie der Lehrerausbildung (LAQUILA), für das er arbeitet, wirft ihm sein Eintreten gegen den Völkermord in Gaza und die Unterdrückung der Palästinenser durch die israelische Regierung vor.
Bereits als die PSDU verboten wurde, hatte die WSWS festgestellt, dass das Verbot jede Kritik am israelischen Völkermord in Gaza und an der Kriegspolitik der Bundesregierung kriminalisiere. Es sei eine „Blaupause für einen Polizeistaat“ und knüpfe „an die Unterdrückungsmethoden des Kaiserreichs und der Nazi-Diktatur an“.
Nach dem jetzigen Prozess bestätigte Ahmad, dass die Amtsleitung des LAQUILA keinerlei Kritik an seiner fachlichen Arbeit vorbringen konnte. Einzige Kündigungsgründe waren seine Solidarität mit Palästina, seine angebliche verfassungswidrige Gesinnung (wegen seiner Mitgliedschaft in der PSDU) sowie sein juristisches Vorgehen gegen das Verbot.
Ahmad war bereits im Juni 2024 suspendiert und Mitte November zum 31. Dezember 2024 gekündigt worden. Dagegen hatte er Kündigungsschutzklage eingereicht. Im Prozess kam nun heraus, dass die LAQUILA-Leitung offensichtlich glaubte, sie könne sich nach dem Verbot der PSDU alles erlauben. Während sie ihrem Beschäftigten unterstellt, sich verfassungswidrig zu verhalten, hat sie selbst grundlegende gesetzliche Regeln missachtet.
So stellte Arbeitsrichter Wolkenhauer fest, dass der Personalrat über die Kündigung nicht ordentlich informiert worden sei. Die Behörde konnte kein Protokoll eines Personalgesprächs mit Ahmad vorlegen, darauf bezog sich aber das Kündigungsschreiben. Es war demnach unklar, ob und welche Informationen dem Personalrat vorlagen.
Die für Personalfragen zuständige Leiterin der Stabstelle Zentrale Dienste, Frau Melzow, die gleichzeitig Mitglied des Personalrats ist, erklärte, sie habe den Personalrat mündlich informiert. Der habe „keine Bedenken“ gegen die Kündigung gehabt. Auf Nachfrage des Richters konnte sie nicht einmal sagen, wie viele Mitglieder der Personalrat hat.
Der Richter teilte zwar Ahmads Befürchtung nicht, dass seine Kündigung einem Berufsverbot gleichkomme. Er war der Ansicht, dass Ahmad sehr wohl in der Privatwirtschaft arbeiten könne. In der Kündigung wird ihm unterstellt, er könnte seine Position als IT-ler nutzen, um das Firmennetzwerk für persönliche Zwecke zu missbrauchen – eine unverhohlene Warnung an zukünftige Arbeitgeber.
Schließlich urteilte der Arbeitsrichter, dass die Kündigung wegen des fehlenden Nachweises der korrekten Information des Personalrats rechtswidrig sei. Er machte gleichzeitig deutlich, dass er auch eine innerbetriebliche Versetzung Ahmads für möglich halte. Auf die Erwiderung des LAQUILA, das Amt sei sehr klein, antwortete der Richter, das Land NRW sei der Arbeitgeber und als solcher sehr groß. Eine Weiterbeschäftigung lehnten die Vertreterinnen und Rechtsanwälte des Landes jedoch kategorisch ab.
Ahmad hat aufgrund der Kündigung seit Januar kein Gehalt erhalten. Von der Arbeitsagentur erhielt er eine dreimonatige Sperre, weil das LAQUILA der Agentur für Arbeit mitgeteilt hatte, die Kündigung sei verhaltensbedingt ausgesprochen worden. Das entsprach nicht der Wahrheit, es war eine personenbedingte Kündigung. Auch so versucht die Landesbehörde, Ahmad Repressionen auszusetzen.
Vieles deutet darauf hin, dass das LAQUILA Rechtsmittel einlegt und womöglich eine erneute Kündigung nachschiebt. Vorläufig bleibt Ahmad bis auf weiteres freigestellt, das Land muss seine Bezüge weiterzahlen. Das Verfahren wird wahrscheinlich noch länger andauern.
Der Erfolg vor dem Arbeitsgericht Dortmund ist daher nur ein Etappen-Erfolg. Der Kampf gegen Völkermord und Krieg und die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dennoch ist der juristische Erfolg bedeutsam. Das Land NRW ist damit gescheitert, Ahmad aufgrund seiner politischen Überzeugung kurzerhand auf die Straße zu werfen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Einen Tag später hatte der Palästinenser Jamal A. in seinem Berufungsprozess vor dem Landgericht Duisburg ebenfalls Erfolg. Er war der Unterstützung und Billigung von Straftaten (der Hamas) angeklagt und von der untersten Instanz auch verurteilt worden.
Jamal A. war am 9. Oktober 2023, zwei Tage nach dem Angriff der Hamas, in Duisburg auf einer Demonstration zur Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfs. Zu dieser kurzfristig angemeldeten Demo waren fast mehr Medienvertreter als Teilnehmende erschienen. Alle öffentlich-rechtlichen Medien, private Sender und vor allem die Springer-Presse stürzten sich auf die Unterstützer Palästinas und geiferten wild gegen sie.
Auch in zahlreichen anderen Städten gab es in diesen ersten Wochen keine Demonstration, auf der nicht ein Kamerateam von RTL, Spiegel Online, Welt und anderen Medien erschien und die Gegner der Unterdrückung der Palästinenser fragte, warum sie den Hamas-Terrorismus unterstützten oder gar feierten, um sie anschließend zu denunzieren.
Hier begann die inzwischen bundesweit verbreitete Denunzierung von Völkermordgegnern als Antisemiten, um die Grundlage zu legen, jegliche Opposition gegen Krieg, Völkermord und deren Folgen – wie Entlassungen und Sozialabbau – verfolgen zu können.
Auch die Welt-Reporterin Petra Wagener hatte Jamal am 9. Oktober 2023 bedrängt. Sie fragte ihn nicht, warum er an der Demo teilnehme, sondern unterstellte ihm dreist, den Tod von israelischen Frauen und Kindern zu „feiern“. Jamal wies dies zurück, lies sich aber wiederholt – gedrängt von Wagener – zur Aussage verleiten: „Wenn man sich befreien möchte, ist alles legitim.“ Diese Aussage deutete die Welt als Unterstützung der „Entführungen und Morde der Hamas“. Die Staatsanwaltschaft Duisburg erhob Anklage gegen Jamal.
War Jamal in der ersten Instanz, dem Amtsgericht Duisburg, schuldig gesprochen und zu 40 Tagessätzen verurteilt worden, so stellte der Vorsitzende Richter des Landgerichts, Behmermann, das Verfahren nach relativ kurzer Verhandlung gegen eine Geldauflage ein. Jamal und seine Anwältin verwiesen vor Gericht auf andere Interviews, in denen er sich grundsätzlich gegen Gewalt und für Frieden zwischen Juden und Palästinensern ausgesprochen hatte, darunter ein Interview mit dem heute Journal und mit der WSWS.
Richter Behmermann verwies ausdrücklich auf die Berichterstattung der „Springer-Presse“. Es sei „nicht überraschend“, wie Reporterin Wagener vorgegangen sei. Die Springer-Presse sei für ihre pro-israelische Berichterstattung bekannt. „Sie wollte den Satz haben, den Sie dann gesagt haben“, sagte der Richter an Jamal gerichtet. Wahrscheinlich habe sie sich „über ihren journalistischen Erfolg sogar gefreut“.
Er würdigte auch den persönlichen Hintergrund Jamals, der als Jugendlicher aus Palästina nach Deutschland geflohen war. „Ich kenne ihren Lebenslauf, so wie er in den Akten beschrieben ist. Sie sind ja auch im Interview sichtlich erregt. In Ihnen muss es brodeln wie in einem Vulkan.“ Er stellte das Verfahren auf dieser Grundlage gegen die Zahlung von 1000 Euro an die Kindernothilfe ein. „Damit kann ich leben“, sagte Jamal, der gerne das Geld an Kinder in Gaza gezahlt hätte.