Die Schockwellen von Präsident Trumps Zollkrieg, dessen Hauptziel China ist, breiten sich in der Weltwirtschaft und dem globalen Finanzsystem aus, wobei der 29 Billionen Dollar schwere Markt für US-Staatsanleihen im Zentrum des Sturms steht.
Die von Trump am Mittwoch angekündigte 90-tägige „Pause“ bei der Umsetzung der sogenannten „reziproken Zölle “ war das Ergebnis von Befürchtungen, die von führenden Mitgliedern seiner Regierung und von Bankchefs wie Jamie Dimon von JPMorgan übermittelt wurden, dass der Anleihemarkt vor einem Einfrieren steht, ähnlich wie im März 2020 zu Beginn der Covid-19 Pandemie.
Doch die „Pause“ hat das Chaos am US-Staatsanleihenmarkt, auf dem Staatsschulden gehandelt werden, nicht beendet – es hält weiterhin an.
Gestern stieg die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe im Laufe des Tages um 0,19 Prozentpunkte auf 4,58 Prozent, bevor sie wieder auf 4,48 Prozent zurückfiel, nachdem die Präsidentin der Bostoner Fed, Susan Collins, gegenüber der Financial Times erklärt hatte, dass die US-Notenbank „absolut bereit wäre“, ihre finanzielle Macht einzusetzen, um den Markt zu stabilisieren, falls dies notwendig sein sollte.
Die Fed, so Collins, „verfügt über Instrumente, um Bedenken hinsichtlich der Marktfunktion oder Liquidität zu adressieren, sollten diese auftreten“, betonte jedoch, dass die Zentralbank insgesamt keine Liquiditätsprobleme sehe und der Markt weiterhin „gut funktioniere“.
Etwas anderes hätte sie auch kaum sagen können, denn selbst der leiseste Hinweis darauf, dass die Fed wachsende Probleme sieht, hätte angesichts der Fragilität des Finanzsystems mit ziemlicher Sicherheit eine Panik ausgelöst.
Die Äußerungen von Collins, die zweifellos von Fed-Chef Jerome Powell abgesegnet und höchstwahrscheinlich auch von ihm initiiert worden waren, sorgten auch an der Wall Street für eine leichte Erholung, nachdem die Verkaufswelle am Donnerstag wieder an Fahrt gewonnen hatte.
Insgesamt stiegen die Renditen 10-jähriger Anleihen im Wochenverlauf um 0,5 Prozentpunkte, was auf den Abverkauf von US-Staatsanleihen und den damit verbundenen Kursrückgang zurückzuführen ist. (Anleihekurse und -renditen bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen.)
In einem Markt, in dem selbst minimale Schwankungen von Bruchteilen eines Prozentpunktes von Bedeutung sind, ist ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte gewaltig – laut Bloomberg der größte seit 2001.
Wie in zahlreichen Kommentaren hervorgehoben wurde, ist dies Ausdruck eines zunehmenden Vertrauensverlustes in das amerikanische Finanzsystem, insbesondere auf internationaler Ebene. Dies könnte weitreichende Folgen haben, da etwa ein Drittel der US-Schulden im Ausland gehalten werden, wobei Japan und China die beiden größten Gläubiger sind.
Peter Tchir, Leiter der Makrostrategie bei Academy Securities, einer internationalen Investmentbank, sagte gegenüber der Financial Times:
Es gibt weltweit einen echten Druck, US-Staats- und Unternehmensanleihen zu verkaufen, wenn man ein ausländischer Investor ist. Es gibt weltweit erhebliche Bedenken, dass man nicht weiß, wohin Trump steuert.
Ein namentlich nicht genannter Manager einer europäischen Bank erklärte:
Wir sind beunruhigt, weil die Bewegungen, die wir sehen, nicht auf einen normalen Ausverkauf hindeuten. Sie signalisieren vielmehr einen totalen Vertrauensverlust in den stärksten Anleihemarkt der Welt.
Collins’ Behauptungen zum Trotz, wonach die Liquidität kein Problem sei, stellten Analysten von JPMorgan fest, dass sich die so genannte Markttiefe – die Fähigkeit des Marktes, große Transaktionen ohne signifikante Kursschwankungen zu absorbieren, ein Maß für die Liquidität – in dieser Woche verschlechtert hat.
Berichte des Wall Street Journal über Äußerungen führender Finanzmanager unterstreichen die wachsende Besorgnis über die Stabilität der Märkte und der US-Wirtschaft.
Sowohl James Dimon als auch Larry Fink, der Leiter von BlackRock, dem weltweit größten Vermögensverwalter mit einem verwalteten Vermögen von 11,6 Billionen Dollar, sagten, die aktuellen Turbulenzen unterschieden sich von allem, was sie jemals zuvor gesehen hätten.
„Das ist anders“, sagte Dimon. „Das ist eine signifikante Veränderung, wie wir sie noch nie erlebt haben“.
Fink fügte hinzu, dass die Wirtschaft „in Gefahr“ sei, und erklärte: „Die weitreichenden Zollankündigungen gingen weiter, als ich es mir in meinen 49 Jahren im Finanzwesen hätte vorstellen können“.
Als Reaktion auf Trumps jüngste Maßnahmen zur Erhöhung der US-Zölle gegen China auf 145 Prozent – 125 Prozent „reziproke Zölle“ plus Vergeltungsaufschläge, zusätzlich zu den bisherigen 20 Prozent – kündigte Peking gestern an, seine Zölle auf US-Produkte auf 125 Prozent zu erhöhen.
Das chinesische Finanzministerium verkündete, es werde keine weiteren Erhöhungen geben und man werde ignorieren, was auch immer die USA als Nächstes unternehmen,
angesichts der Tatsache, dass auf dem aktuellen Zollniveau keine Marktakzeptanz für nach China exportierte US-Waren besteht... Die Auferlegung abnormal hoher Zölle auf China durch die USA verletzt schwerwiegend internationale Wirtschafts- und Handelsregeln, grundlegende Wirtschaftsgesetze sowie den gesunden Menschenverstand und stellt eine vollständig unilaterale Schikane und Nötigung dar.
Der Zollkrieg wird in den so genannten Mainstream-Medien oft als „Tit-for-Tat“-Konflikt („Auge um Auge“-Konflikt) beschrieben. Solche Charakterisierungen werden dem Ernst der Lage überhaupt nicht gerecht. Innerhalb von nur zehn Tagen wurden die größte und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt de facto voneinander isoliert – unter Bedingungen, unter denen jedes Land der Erde eng mit dem internationalen Handels- und Finanzsystem verbunden ist.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, welche Konsequenzen dies haben kann. Als der Weltmarkt in den 1930er Jahren zusammenbrach, entstanden rivalisierende Handels- und Währungsblöcke und tiefe wirtschaftliche Konflikte, die dazu beitrugen, die Voraussetzungen für einen Krieg zu schaffen. Heute gibt es Anzeichen dafür, dass sich solche Entwicklungen wiederholen.
Der chinesische Präsident Xi Jinping warnt, die Welt erlebe „beschleunigte Veränderungen wie seit einem Jahrhundert nicht mehr, mit sich überlagernden Risiken und Herausforderungen“, und versucht, globale Allianzen zu schmieden, um eine gemeinsame Front gegen die USA zu bilden.
Viele Länder stehen dieser Entwicklung jedoch skeptisch gegenüber, da sie befürchten, dass ihre Märkte von chinesischen Waren überschwemmt werden, die von den USA nicht zugelassen sind – und dies zu einer Zeit, in der sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft verlangsamt und sie zunehmend von Exporten abhängig ist, um ihre offiziellen Wachstumsziele zu erreichen. Die Europäische Union, eine der Schlüsselregionen, mit denen China enger zusammenarbeiten möchte, hat bereits ihre eigenen Zölle gegenüber China erhöht.
Peking versucht dieser Sorge entgegenzuwirken, indem es verspricht, den eigenen Binnenmarkt zu stärken und so den Exportüberschuss abzufedern.
Gleichzeitig sind die Länder, die von Trumps „reziproken Zöllen“ – zwischen 30 und fast 50 Prozent – betroffen sind, insbesondere in Südostasien, sehr besorgt über mögliche Forderungen der USA während der 90-tägigen „Pause“ – und darüber, was danach kommen könnte.
Trump hat deutlich gemacht, dass sich die Verhandlungen nicht auf Zölle beschränken werden. In einem am 2. April veröffentlichten „Fact Sheet“ heißt es, dass Zölle nur dann gesenkt würden, wenn sich die betroffenen Länder nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheitspolitisch mit den USA – also gegen China – verbünden.
Die Erschütterung, die derzeit weltweit zu spüren ist – während Länder versuchen, sich zumindest teilweise vom Einfluss der USA zu lösen –, fasste Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan treffend zusammen.
Mit Blick auf die geplanten Gespräche zwischen ASEAN und den Golfstaaten im Mai in Kuala Lumpur sagte er: „Dies ist das Ende einer Ära.“ Er setzte hinzu:
Der Architekt, der Mastermind, der Entwickler des regelbasierten Systems wirtschaftlicher Integration hat sich nun entschlossen, eben dieses System gründlich abzureißen.
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