Koalitionsvertrag: Mehr Waffen für Kiew, Kriegswirtschaft und Wehrpflicht

Ein Leopard II-Kampfpanzer wirbt auf der Motor Show in Essen für den Eintritt in die Bundeswehr [AP Photo/Martin Meissner]

Nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags durch die Vorsitzenden von Union und SPD treibt die herrschende Klasse die Rückkehr des deutschen Militarismus systematisch voran. Am Freitag verkündete der amtierende und wahrscheinlich auch zukünftige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Rande des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel ein weiteres Waffenpaket für Kiew.

Deutschland werde noch in diesem Jahr unter anderem vier weitere Luftverteidigungssysteme vom Typ Iris-T an die mit rechtsextremen Kräften durchsetze ukrainische Armee liefern. Laut Angaben des Verteidigungsministeriums beinhaltet das Paket außerdem 15 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1, Aufklärungsdrohnen und zusätzliche 100.000 Schuss Artilleriemunition. Für die nächsten Jahre stellte Pistorius zudem weitere Iris-T-Systeme sowie 1100 zusätzliche Bodenüberwachungsradare in Aussicht.

Die Ankündigungen machen deutlich, dass die neue Bundesregierung gewillt ist, den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine noch aggressiver fortzusetzen als die aktuelle Regierung – und das notfalls auch ohne die aktive Unterstützung der USA. Man werde die „militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Dabei müssten Deutschland und Europa „erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges ... in der Lage sein, ihre Sicherheit deutlich umfassender selbst zu gewährleisten“. Man werde „sämtliche Voraussetzungen schaffen, damit die Bundeswehr die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt erfüllen kann“.

Mit anderen Worten: Es geht darum, Deutschland trotz seiner historischen Verbrechen wieder „kriegstüchtig“ (Pistorius) zu machen und dafür die gesamte Gesellschaft zu militarisieren. Auf dieses Ziel ist der Koalitionsvertrag ausgerichtet. „Es ist zwingend, dass wir die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte kurzfristig, nachdrücklich und nachhaltig erhöhen,“ heißt es darin. Und: „Die Bundeswehr und alle staatlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Akteure müssen effektiv zusammenarbeiten können, um Angriffe auf unser komplexes System schnell zu erkennen und gezielt und wirksam zu bekämpfen.“

Das Koalitionspapier definiert neben anderen folgende Ziele:

  • Militarisierung der Schulen und Universitäten

„Wir verankern unsere Bundeswehr noch stärker im öffentlichen Leben und setzen uns für die Stärkung der Rolle der Jugendoffiziere ein, die an den Schulen einen wichtigen Bildungsauftrag erfüllen,“ heißt es auf Seite 130 im Abschnitt zur „Verteidigungspolitik“. Und weiter: „Wir setzen uns dafür ein, dass Hemmnisse, die beispielsweise Dual-Use-Forschung oder auch zivil-militärische Forschungskooperationen erschweren, abgebaut werden.“ Man werde „das Defizit, das es in Deutschland im Bereich der strategischen Sicherheitsforschung gibt, beseitigen und uns für deren Förderung im Sinne eines vernetzten Sicherheitsverständnisses einsetzen“.

  • Wiedereinführung der Wehrpflicht

„Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert,“ erklären die Koalitionäre. Dabei seien „für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes … die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend“. Man orientiere sich dabei „am schwedischen Wehrdienstmodell“ und werde „noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen“.

  • Aufbau einer massiven Rüstungsindustrie und Umstellung auf Kriegswirtschaft:

Das Planungs- und das Beschaffungswesen werde „reformiert“ und „für einzelne Großprojekte, aber auch für Zukunftstechnologiebereiche, die einer hohen Innovationsdynamik unterliegen“, werde man „neue Realisierungswege implementieren“. Dabei fördere man „verstärkt Zukunftstechnologien für die Bundeswehr“ und führe „diese in die Streitkräfte ein“. Dies gelte „insbesondere für die Bereiche: Satellitensysteme, Künstliche Intelligenz, unbemannte (auch kampffähige) Systeme, Elektronischer Kampf, Cyber, Software Defined Defense und Cloud-Anwendungen sowie Hyperschallsysteme“. Hierzu sei auch „ein vereinfachter Zugang und verstärkter Austausch mit Forschungseinrichtungen, dem akademischen Umfeld, Start-Ups und Industrie notwendig“.

Zudem stellt der Koalitionsvertrag klar, dass auch das bereits mit Unterstützung von Linkspartei und Grünen beschlossene „Sondervermögen Infrastruktur“ in Höhe von einer halben Billion Euro der Kriegsvorbereitung dient. „Für militärische Bauvorhaben vereinfachen wir die Bedarfsdefinition und Genehmigung und schaffen mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Schutz und der Widmung militärischer Flächen“, heißt es auf Seite 132. Die „Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung“ seien „als überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren“.

Mit der Umsetzung ihrer wahnsinnigen Kriegspläne kann es der herrschenden Klasse nicht schnell genug gehen. Parallel zur Präsentation des militaristischen Koalitionspapiers fand ein feierlicher Appell in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin statt, um das Operative Führungskommando der Bundeswehr formell in Dienst zu stellen. Damit wird der Osnabrücker Erlass implementiert, der am 30. April 2024 unter der Verantwortung der damaligen Ampel-Koalition verabschiedet wurde.

Zu den wichtigsten Elementen des Erlasses gehört die Schaffung einer zentralen Führungsstruktur („Planung und operative Führung aus einer Hand“) und die Etablierung von Prozessen, die „sich maßgeblich an den Faktoren Schnelligkeit, Informationsüberlegenheit und Belastbarkeit orientieren“.

Im Kern bedeutet das nichts weniger als den Wiederaufbau des Generalstabs, der nach der verbrecherischen Rolle der deutschen Militärführung in den beiden Weltkriegen verboten worden war. Nun existiert er de facto wieder – mit allen historischen, politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen.

Die WSWS warnte bereits im vergangenen Jahr in einem Kommentar: „Der Erlass lässt keinen Zweifel daran, dass die herrschende Klasse entschieden hat, wieder umfassend Krieg zu führen und dabei massenhaft junge Menschen als Kanonenfutter für ihre imperialistischen Interessen zu verheizen.“

Die Reden und die gesamte Atmosphäre während des Appells erinnerten an die dunkelsten Zeiten des deutschen Militarismus. „Wir werden schlagkräftiger. Wir werden agiler. Wir führen aus einer Hand, können besser priorisieren und koordinieren“, prahlte Pistorius vor einem handverlesenen Publikum aus Militärs und politischen Vertretern der Bundestagsparteien.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, ehrte zum Abschied die beiden Kommandos, die nun vom neuen Führungskommando abgelöst werden. Über das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sagte er: „Balkan, Afghanistan, Afrika, Mittelmeer – in Schwielowsee liefen die Fäden zusammen für alle unserer insgesamt 50 Auslandseinsätze, vom Bau der Feldlager bis zum Redeployment, von Anfang bis Ende – auch bis zum scharfen Ende.“

„Scharfes Ende“ meint den Tod im Einsatz. Bei den zunehmend globalen Kriegseinsätzen des deutschen Imperialismus in den letzten drei Jahrzehnten sind bereits insgesamt 119 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. 37 von ihnen fielen im direkten Gefecht oder wurden bei Anschlägen getötet.

Fakt ist, dass die zukünftigen Kriegspläne der herrschenden Klasse nicht nur das Leben von einigen Dutzend Berufssoldaten bedrohen, sondern von Hunderttausenden und gar Millionen Menschen. Bezeichnenderweise wurde beim Appell der Marsch „Preußens Gloria“ gespielt, der auch zum musikalischen Standardrepertoire der Reichswehr und der Wehrmacht in den beiden Weltkriegen gehörte. Am Ende standen jeweils nicht „Ruhm“ und „Ehre“, sondern Tod, Zerstörung und massenhafte Vernichtung.

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