Am gestrigen Mittwoch traten der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Parteivorsitzenden von SPD (Lars Klingbeil und Saskia Esken) und CSU (Markus Söder) vor die Presse, um ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag für die nächste Bundesregierung zu präsentieren.
Sowohl ihre Ausführungen als auch das Koalitionspapier unterstreichen, dass es sich um die rechteste deutsche Regierung seit dem Untergang des Nazi-Regimes handelt. Sie wird nicht nur aufrüsten wie Hitler, um Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen. Im Inneren wird sie die Flüchtlingspolitik der faschistischen AfD übernehmen. Und sie wird einen historischen sozialen Kahlschlag organisieren und einen Polizeistaat errichten, um die Aufrüstung zu finanzieren und gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.
Man werde „einen neuen Kurs in der Migrationspolitik einschlagen. Wir werden besser ordnen und steuern und die irreguläre Migration weitgehend beenden“, verkündete Merz. Es werde „Kontrollen an den Staatsgrenzen geben und auch Zurückweisungen gegenüber Asylgesuchen. Wir werden eine Rückführungsoffensive starten. Wir werden das Ende der freiwilligen Aufnahmeprogramme vornehmen, den Familiennachzug aussetzen und die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten deutlich vergrößern.“
Der frühere Blackrock-Manager, der bereits im Wahlkampf mit der AfD paktiert hatte, um die Flüchtlingspolitik zu verschärfen, ließ keinen Zweifel daran, dass das brutale Vorgehen gegen Migranten Bestandteil der Errichtung eines umfassenden Polizeistaats zur Kontrolle der gesamten Bevölkerung ist. Man wolle „die innere Sicherheit in Deutschland stärken“ und dazu u.a. die „IP-Adressenspeicherung für die Sicherheitsbehörden für drei Monate erlauben“ und die „Kompetenzen bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch für die Bundespolizei eröffnen“.
Merz stellte selbst klar, dass die innere Aufrüstung im direkten Zusammenhang mit der gigantischen Aufrüstungs- und Kriegsoffensive steht. So werde im Kanzleramt ein „Bundessicherheitsrat“ eingerichtet und „ein nationales Lagezentrum und auch ein nationaler Krisenstab“ entstehen. Deutschland müsse „auch außenpolitisch und sicherheitspolitisch besser werden“. Man werde dazu „die Ausgaben für die Verteidigung deutlich erhöhen“, „ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr errichten“ und „weitere Maßnahmen ergreifen, um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen“. Dazu gehöre die schrittweise Wiedereinsetzung der Wehrpflicht.
Tatsächlich ist das geplante Aufrüstungsprogramm, das Union und SPD bereits im März mit den Stimmen von Grünen und Linkspartei auf den Weg brachten, nur mit der Hochrüstung Deutschlands vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. Mit der beschlossenen Grundgesetzänderung werden alle Verteidigungsausgaben, die über der Höhe von 1 Prozent des BIP liegen, von der Schuldenbremse ausgenommen. Die Militärausgaben können damit unbegrenzt steigen.
Der Koalitionsvertrag stellt klar, dass auch das verabschiedete „Sondervermögen Infrastruktur“ in Höhe von 500 Milliarden Euro der Kriegsvorbereitung dient. „Für militärische Bauvorhaben vereinfachen wir die Bedarfsdefinition und Genehmigung und schaffen mit einem Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Schutz und der Widmung militärischer Flächen“, heißt es im Abschnitt „Verteidigungspolitik“. Die „Belange und die Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung“ seien „als überragendes öffentliches Interesse festzuschreiben und in der Umsetzung gegenüber anderen staatlichen Aufgaben zu priorisieren“.
Merz und Co. machten keinen Hehl daraus, dass sie mit der schnellen Regierungsbildung auf die Handelskriege und Kriege reagieren, die international eskalieren. „Wir haben die Koalitionsverhandlungen in einer Situation wachsender weltpolitischer Spannungen geführt, in einer Situation, in der von innen und von außen viele Kräfte nicht mit uns, sondern gegen uns in Deutschland arbeiten“, betonte Merz. Der Krieg in der Ukraine gehe „unvermindert weiter“, und „gleichzeitig nehmen die wirtschaftlichen Unsicherheiten enorm zu“. Aktuell hätten „Entscheidungen der amerikanischen Regierungen neue Turbulenzen ausgelöst“.
Unter diesen Bedingungen ist der deutsche Imperialismus entschlossen, seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen aggressiv zu verfolgen und gegen die anderen Großmächte durchzusetzen. „In welche Richtung sich die internationale Lage entwickeln wird, wissen wir im Augenblick noch nicht,“ erklärte Merz und fügte drohend hinzu: „Aber deswegen ist unsere Botschaft am heutigen Tag umso klarer. Wir wollen und wir werden den Wandel in der Welt für Deutschland mitgestalten. Der Koalitionsvertrag ist ein Aufbruchssignal und ein kraftvolles Zeichen für unser Land.“
Am deutlichsten sprach der SPD-Vorsitzende und Fraktionschef Lars Klingbeil auf der Pressekonferenz aus, dass Deutschland trotz seiner historischen Verbrechen in zwei Weltkriegen auch bei der imperialistischen Neuaufteilung der Welt im 21. Jahrhundert nicht abseitsstehen will. „Wir erleben, dass die Welt sich gerade neu ordnet, dass in diesen Stunden, in diesen Tagen, in den nächsten Monaten entschieden wird, wie bei dieser Neuvermessung der Welt, welche Rolle Deutschland und Europa künftig spielen werden. Und das war ein Faden, der sich durch unsere Koalitionsverhandlungen durchgezogen hat.“
Im Koalitionsvertrag identifizieren SPD und Union nahezu den gesamten Erdball als Einflusszone des deutschen Imperialismus. So wolle man etwa „eine Afrikapolitik, die dem strategischen Stellenwert Afrikas gerecht wird“. Auch die „Indo-Pazifik-Region“ sei „von elementarem Interesse“, und man werde „in der Region auch weiterhin Präsenz zeigen“. Zudem sei der „Ausbau strategischer Partnerschaften mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik von besonderer Bedeutung“. Insgesamt werde man die „die bilateralen Beziehungen zu den Ländern des Globalen Südens intensivieren und zu einem globalen Netzwerk ausbauen“.
Wie in der Vergangenheit bedeutet deutsche Weltmachtpolitik Völkermord und Krieg. Die Koalitionäre erklären die „Sicherheit Israels“ zur „deutschen Staatsräson“ und bekennen sich zum Genozid des rechtsextremen Netanjahu-Regimes an den Palästinensern. Und sie sichern den neuen islamistischen Machthabern in Syrien „bei der Stabilisierung und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes“ ihre Unterstützung zu – um den deutschen Einfluss in der rohstoffreichen und geostrategisch wichtigen Region zu erhöhen und um Flüchtlinge dorthin abzuschieben.
An der Kriegsfront im Osten gegen Russland werde man die „militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen“ – notfalls auch unabhängig von den USA. „Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges müssen Deutschland und Europa in der Lage sein, ihre Sicherheit deutlich umfassender selbst zu gewährleisten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und Berlin will dabei die zentrale Rolle spielen. Bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union übernehme Deutschland „eine Führungsrolle“.
Die historische Aufrüstung- und Kriegspolitik soll durch genauso historische Angriffe auf die Arbeiterklasse finanziert werden. „Wir werden in dieser Legislaturperiode einen erheblichen Konsolidierungsbeitrag erbringen“, heißt es im Abschnitt „Haushaltskonsolidierung“. Das Vorbild sind offenbar die USA, wo das Trump-Regime im Interesse der Finanzoligarchie rabiat Ausgaben kürzt und alle noch verbliebenen sozialen Errungenschaften zerstört.
Die Koalitionäre haben sich u.a. auf Folgendes geeinigt:
- die „Reduzierung aller sächlichen Verwaltungsausgaben aller Einzelpläne … mit dem Ziel eines Abbaus von zehn Prozent bis 2029“ (es geht v.a. um die Bereiche Bildung, Gesundheit und Soziales – die Sicherheitsbehörden sind explizit „ausgenommen“);
- Stellenabbau in der Bundesverwaltung um acht Prozent (auch hier gilt eine „Ausnahme für Sicherheitsbehörden“);
- Reduzierung der Ausgaben für externe Berater in allen Einzelplänen; Halbierung der Beauftragten des Bundes;
- Einsparungen von insgesamt einer Milliarde Euro bei den Förderprogrammen im Bundeshaushalt insgesamt;
- Kürzung bei den freiwilligen Beiträgen zu internationalen Organisationen;
- Einsparungen beim Bürgergeld.
Die zutiefst arbeiterfeindliche Politik der zukünftigen Bundesregierung wird von allen Bundestagsparteien unterstützt. Die Grünen haben Union und SPD im Bundestag noch im alten Parlament die notwendige Zweidrittelmehrheit verschafft, um die Kriegskredite zu verabschieden. Die Linkspartei stimmte mit ihren Vertretern im Bundesrat zu. Und auch die Gewerkschaften sind an Bord. Sie beteuern ihre Unterstützung für die Aufrüstung und setzen alles daran, die Tarifauseinandersetzungen bei der Post, im Öffentlichen Dienst und bei der BVG auszuverkaufen und einen gemeinsamen Vollstreik zu verhindern.
Die Unterstützung aller Bundestagsparteien und der Gewerkschaften für die Kriegs- und Kürzungspolitik unterstreicht, dass der Kampf gegen Faschismus, Militarismus und soziale Ungleichheit die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse erfordert. Schon in ihrem Statement zu Beginn der Regierungsbildung rief die Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) „deshalb zum Aufbau von Aktionskomitees in Betrieben und Nachbarschaften auf, die den Kampf gegen Massenentlassungen und Lohnkürzungen selbst in die Hand nehmen und mit dem Kampf gegen Krieg verbinden“.
Weiter heißt es in der Erklärung:
Wir setzen dem wachsenden Nationalismus, dem Handelskrieg und der Aufrüstung die internationale Einheit der Arbeiter entgegen. Der Krieg kann nur gestoppt und die sozialen und demokratischen Rechte können nur verteidigt werden, wenn der Kapitalismus selbst abgeschafft und durch eine sozialistische Gesellschaft abgelöst wird, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen im Zentrum stehen. Die großen Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.