Sechs Asylsuchende im Ärmelkanal ertrunken

Der entsetzliche Untergang eines mit Flüchtlingen und Asylsuchenden besetzten Boots im Ärmelkanal hat mindestens sechs Menschenleben gefordert. Auf dem Boot befanden sich mindestens 65 Menschen, als es am Samstag mitten im 34 Kilometer breiten Ärmelkanal zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich kenterte.

Es handelt sich um den tödlichsten Zwischenfall im Ärmelkanal, seit im November 2021 mindestens 27 Insassen eines aufblasbaren Schlauchboots bei rauer See in der Nähe der französischen Hafenstadt Calais ums Leben gekommen waren.

Laut den französischen Behörden werden zwei Menschen noch immer vermisst. Die sechs bestätigten Todesopfer stammen aus Afghanistan und waren um die 30 Jahre alt.

Geflüchtete verlassen am 16. September 2021 im Hafen von Dover ein Patrouillenboot der britischen Border Force, nachdem sie im Ärmelkanal aus einem Schlauchboot geholt wurden [AP Photo/Alastair Grant]

Die Financial Times berichtete: „Laut der französischen Seebehörde, die für den Ärmelkanal und die Nordsee zuständig ist, meldete ein Frachtschiff am frühen Samstagmorgen im Ärmelkanal ein Boot in Seenot vor der französischen Küste nahe dem Strand von Sangatte.“

Es heißt, dass Schiffe der französischen und britischen Küstenwache eingeschritten sind und die meisten Insassen des havarierten Schiffs retten konnten.

Unabhängig von den unmittelbaren Umständen geht der Tod der Asylsuchenden darauf zurück, dass sie von den britischen und französischen Behörden als politisch unerwünscht behandelt werden. Beide sind entschlossen, sie mit allen Mitteln von ihren Grenzen fernzuhalten.

Laut einem Bericht der Daily Mail von Samstag eskortierte „ein französische Kriegsschiff [PSP Cormoran] ein kleines überladenes Boot durch den Ärmelkanal in britische Hoheitsgewässer, als es heute unterging, wobei mindestens sechs Migranten getötet wurden... Ein zweites französisches Schiff [Pluvier] befand sich zum Zeitpunkt der Tragödie vermutlich in der Nähe.“

Der Bericht fügte hinzu, eine „gut informierte Quelle“ habe erklärt: „Das Boot wurde von einem Patrouillenschiff der französischen Marine eskortiert, als es kenterte... Auf diese Weise will Frankreich sicherstellen, dass die Migranten es so sicher und schnell wie möglich in britische Gewässer schaffen...

Die französischen Behörden haben bestätigt, dass die Cormoran 33 Überlebende gerettet hat und die Pluvier fünf.“

Die Mail versucht, die Rolle des Vereinigten Königreichs beim Tod der Flüchtlinge herunterzuspielen und drückt dabei die Position der Tory-Regierung aus: „Wütende Abgeordnete fragten am Abend [Samstag], warum Frankreich nicht mehr zur Bewältigung der Krise unternimmt, obwohl Großbritannien dem Land fast 500 Millionen Pfund zahlt, damit es mithilft, die Kanalüberquerungen zu stoppen.“

Dennoch ist der beschriebene Ablauf der Ereignisse sehr wahrscheinlich. Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Intervention zu einer Katastrophe mit vielen Toten geführt hat. So deutet alles darauf hin, dass die griechische Küstenwache für den Tod von mehr als 600 Flüchtlingen an Bord des Fischerboots Adriana am 14. Juni verantwortlich war. Augenzeugen erklärten, dass die Entscheidung der Küstenwache, das havarierte Boot aus griechischen Gewässern abzuschleppen, zum Sinken des Schiffes und zum Tod von über 600 Menschen führte.

Die Tories und die rechten Medien missbrauchten die Todesfälle im Ärmelkanal für ihren immigrantenfeindlichen Kurs. Sie vergossen Krokodilstränen, nur um dann ihren Kurs zu bekräftigten, der sich am besten mit der Schlagzeile der zutiefst migrantenfeindlichen Sunday Express zusammenfassen lässt: „Um Himmels willen: Stoppt die Boote!“

„Stoppt die Boote“ ist die wichtigste Parole der Regierung von Rishi Sunak, die eine faschistische Anhängerschaft heranzüchtet. Erst letzten Monat bejubelten die Medien die Tories, als sie das drakonische Gesetz „Illegal Migration Bill“ verabschiedeten, das Migranten, die den Ärmelkanal überqueren, als illegale Einwanderer einstuft und das Recht auf Asyl verweigert.

Die Toten im Ärmelkanal überschatteten auch die brutalen Ereignisse rund um die Ankunft der ersten Asylsuchenden auf dem neuen Gefängnisschiff „Bibby Stockholm“. Am Montag wurden die ersten 15 Migranten auf den Lastkahn gebracht, das im Hafen von Portland in Dorset angelegt hat. Es ist das erste Schiff dieser Art, das die Regierung im Rahmen der Pläne einsetzt, 50.000 Asylsuchende aus Hotels umzuquartieren. Gleichzeitig verbreiten die Medien reißerische Schlagzeilen, laut denen Migranten angeblich in Luxushotels leben und den Steuerzahler täglich sechs Millionen Pfund kosten.

Die Asylsuchenden wurden an Bord zusammengepfercht, obwohl die Gewerkschaft der Feuerwehrleute warnte, das Schiff sei gefährlich. Zwanzig Asylsuchende weigerten sich, nachdem sie sich mit ihrem Rechtsbeistand abgesprochen hatten. Das Innenministerium hat nicht einmal mögliche Traumata abgeklärt, die eine Unterbringung auf dem Schiff verhindern. Einige der Asylsuchenden sind durch frühere Erfahrungen stark traumatisiert, etwa weil sie miterlebt haben, wie Menschen ertrunken sind.

Am Freitag wurde die Bibby Stockholm wegen Legionellen im Wassersystem des Schiffs evakuiert. Wie sich herausstellte, wusste das Innenministerium bereits am Montag, als die ersten Asylsuchenden an Bord gingen, von den Legionellen im Wassersystem. Der regierungsnahe Telegraph berichtete am Samstag: „Ein Sprecher der Aktivistengruppe Stand Up To Racism, der mit den Asylsuchenden in Kontakt steht, erklärte, drei von ihnen hätten grippeähnliche Symptome, die mit einer Legionellen-Infektion übereinstimmen. Es heißt, dass sie getestet wurden, aber immer noch auf ihre Ergebnisse warten.“

Die FBU erklärte dazu: „Dieser Ausbruch von Legionellen deutet darauf hin, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es entweder Tote oder ernsthaft erkrankte Insassen gibt.“

Nach den Kriterien der Regierung war nahezu keine der Personen, die auf den gefährlichen und von Krankheiten verseuchten Kahn geschickt wurden, illegal in das Vereinigte Königreich eingereist. Der Independent berichtete: „Nach Gesprächen mit Wohltätigkeitsorganisationen und Anwaltskanzleien, die mehr als 30 Asylsuchende vertreten, die vom Innenministerium auf den Lastkahn umgesiedelt wurden, erfuhr der Independent nur von zwei Fällen, die auf einem kleinen Boot gekommen waren. Alle anderen nutzten reguläre Passagierflugzeuge in das Vereinigte Königreich, wobei einige direkt nach der Ankunft am Flughafen Asyl beantragt haben. Das bedeutet, dass sie nicht illegal eingereist sind.“

Nichts davon wird die Regierung von ihrem Vorhaben abbringen, diesen brutalen Kurs durchzusetzen. Es finden bereits Massenräumungen von Hotels statt, dazu gehören 40 Asylsuchende, die bis zum 16. August zum Auszug aus einem Hotel in Scarborough gezwungen werden sollen. Etwa 50 wurden bereits rausgeworfen. In North Yorkshire musste die Verwaltung für einige Familien in dem Hotel Obdachlosigkeit anmelden. Laut der BBC wurden in Essex 400 afghanische Asylsuchende zwangsweise aus Hotels ausquartiert.

Letzte Woche drohte die Regierung jedem, der die Unterbringung auf Lastkähnen oder andere vorgeschlagene Alternativen zu Hotels verweigert, mit Obdachlosigkeit. Die Asylsuchenden müssten dann für sich selbst sorgen.

Der Telegraph meldete am Sonntag, die Regierung werde „weitere Lastkähne zur Unterbringung von Asylbewerbern anmieten und bis zu 5.000 Migranten in Bürogebäuden und Studentenwohnheimen unterbringen.“ Die „zehn ungenutzten Studentenwohnheime und ehemaligen Bürogebäude“ sollen eine „durchschnittliche Kapazität von 500 Personen pro Standort“ haben.

Auch Einrichtungen des Verteidigungsministeriums werden benutzt. „Regierungsvertreter wurden durch die Tatsache ermutigt, dass bisher keine gesetzlichen Gebote die Unterbringung von Migranten in ehemaligen Militäreinrichtungen wie Wethersfield in Essex verhindert haben. Dem Telegraph wurde berichtet, dass ein weiterer Stützpunkt, RAF Scampton in Lincolnshire, ab nächsten Monat ebenfalls Migranten aufnehmen wird.“

Die Politik, Asylsuchende in entsetzliche Bedingungen zu zwingen, soll eine Warnung für andere Asylbewerber sein, dass ihnen genau das droht, wenn sie es an die britische Küste schaffen. Der konservative Abgeordnete für South Thanet, Craig Mackinlay, erklärte gegenüber dem Telegraph: „Diese Art von Unterbringung, ob in Bürogebäuden, ehemaligen Studentenunterkünften oder auf Lastkähnen, kann nicht schaden als Abschreckungseffekt. Auf einem Lastkahn zu leben, ist weniger attraktiv als in einem Drei- oder Vier-Sterne-Hotel in Pimlico.“

Die Tories setzen ihre faschistoide Politik fort, Asylbewerber gleich nach der Ankunft in Großbritannien ins tausende Kilometer entfernte Ruanda oder andere „Drittstaaten“ abzuschieben – trotz juristischer Anfechtungen. Zu den als „sicher“ eingestuften Ländern gehört auch der Niger, der erst vor kurzem durch einen Putsch von Militärs übernommen wurde und zum jüngsten Brennpunkt im Kampf der imperialistischen Mächte um die Neuaufteilung der Welt geworden ist.

Der Tory-Abgeordnete Marco Longhi erklärte: „Der tragische Verlust von Menschenleben im Ärmelkanal war nur eine Frage der Zeit. Es wird immer wieder passieren, bis wir die Leute davon abhalten, den Ärmelkanal zu überqueren. Solange wir keine Politik formulieren und umsetzen können, die besagt: ,Wer illegal nach Großbritannien kommt, wird nach Ruanda oder sonst wohin abgeschoben‘, werden wir nicht nur die britische Bevölkerung im Stich lassen, sondern auch diejenigen, die den Ärmelkanal überqueren.“

Die ganze Macht des Staates wird gegen einige tausend Menschen eingesetzt, die aus ihrer von Armut und Krieg gezeichneten Heimat fliehen, die wiederum durch jahrzehntelange imperialistische Kriege und Intrigen der westlichen Mächte zerstört wurde. Dieses Jahr haben laut Regierung nur etwa 15.800 Menschen den Ärmelkanal überquert, d.h. 15 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

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